Chefsache: Der Kampf für die Gleichstellung der Geschlechter und gleiche Entlohnung
Der 1. Januar war der Beginn eines neuen Jahres für alle, aber Island ging noch wesentlich weiter, als die Regierung beschloss, es als illegal zu erklären, Männer mehr als Frauen zu bezahlen. Die Entscheidung war ein ehrgeiziger und radikal progressiver Schritt in Richtung Gleichstellung, dem der Rest der Welt folgen kann.
Nach dieser neuen Gesetzgebung müssen Unternehmen und Regierungsstellen, die mindestens 25 Personen beschäftigen, der Regierung nachweisen, dass sie ihre Mitarbeiter gleichberechtigt entlohnen. Wenn sie nicht nachweisen können, dass Gleichheit besteht, drohen ihnen hohe Bussgelder. Es ist erstaunlich, dass diese kleine Insel neun Jahre in Folge den ersten Platz als das Land mit der höchsten Gerechtigkeit bei den Geschlechtern belegt hat, wie der jährliche Gleichstellungsindex des World Economic Forums zeigt. In Island ist die Gesetzgebung das Ergebnis einer aufgeschlossenen Kultur. Aber funktioniert das auch umgekehrt? Kann die Kultur der Gesetzgebung folgen? Schliesslich geht es darum, einen wirklichen Umdenkprozess zu erreichen, bei dem die Gleichstellung der Geschlechter zur Normalität wird. Wo ist die Schweiz in diesem Kontext, und warum ist Gleichheit so wichtig?
Geschlechtergefälle hat sich weltweit vergrössert
Es ist grossartig, dass Island als Vorbild für die Gleichstellung der Geschlechter fungiert, aber die Realität sieht so aus, dass sich weltweit der Spalt der Gleichberechtigung in allen Bereichen (Bildung, Gesundheit, Wirtschaft, Politik) vergrössert hat, seit im Jahre 2006 der erste Gleichstellungsindex des WEF veröffentlicht wurde. Die Schweiz hatte früher einen sehr hohen Stellenwert, obwohl sie eine der letzten Jurisdiktionen in Europa ist, die Frauen das Wahlrecht eingeräumt haben. Seit 2006 hat die Schweiz 74% seines wirtschaftlichen Geschlechtergefälles geschlossen und lag im Index des letzten Jahres bei auf dem 11. Platz. Die Schweiz hält jedoch nicht mit anderen Ländern Schritt, und die Fortschritte verlangsamen sich nach und nach.
Am vergangenen Wochenende gingen ein Jahr nach der Wahl von Trump Tausende Frauen für einen weiteren Frauenmarsch auf die Strasse. Obwohl der Grossteil der Proteste in den USA stattfand, gingen auch die Frauen in Europa solidarisch auf die Strasse. Sogar in Zürich wurden Frauen mit feministischen Zeichen und Aufforderungen gesichtet, den amerikanischen Präsidenten anzuklagen. Wenn sich der globale Kulturwandel in rasantem Tempo vollzieht, ist die Schweiz mit an Bord, auch wenn es etwas länger dauern könnte, bis die Gleichstellung der Geschlechter wirklich verankert ist.
Frauen in der Schweiz besetzen 47% der Arbeitsplätze im Angestelltenbereich. Bei den oberen Führungspositionen (Gesetzgeber, leitende Angestellte, Manager, CEOs) werden nur 35,6% von Frauen gehalten. Die Schweiz liegt im weltweiten Ranking der Frauen in Führungspositionen auf Platz 43. Interessant jedoch ist, dass Frauen in der Hochschulbildung eine klare Führungsrolle übernehmen. Wie kommt es also, dass sie in ihrem Berufsleben an eine gläserne Decke stossen? Dies könnte auf soziale Codes zurückzuführen sein. Studien haben jedoch ergeben, dass Frauen dazu neigen, Sozial- und Geisteswissenschaften zu studieren, was dazu führt, dass sie weniger „Fortschrittsmöglichkeiten“ haben.
“What got you here won’t get you there”
Aus der Coaching Perspektive stehen weibliche Führungskräfte vor anderen Herausforderungen als ihre männlichen Kollegen. Verhaltensstrategien funktionieren nicht so sehr auf einem sehr hohen Niveau, oder, wie Marshall Goldsmith es ausdrückte: “What got you here won’t get you there.” . Laut einer Studie des Centre for Creative Leadership schneidet die durchschnittliche Frau etwas besser ab als ein Mann, wenn es darum geht, insgesamt positivere Rückmeldungen zu erhalten. Allerdings ist die durchschnittliche Frau härter zu sich selbst als der durchschnittliche Mann. Frauen neigen dazu, selbstkritischer und weniger selbstbewusst zu sein. Dies kann der weiblichen Führungskraft bis zu einem gewissen Grad dienen, wirkt aber letztendlich auf einer hohen Ebene eher kontraproduktiv.
Anstatt sich auf das Problem zu konzentrieren, ist es wichtig zu verstehen, wie man als Führungskraft eine Kultur der Vielfalt am Arbeitsplatz schaffen kann. Auch wenn die Schweiz vielleicht nicht auf dem gleichen Niveau wie Island liegt, gibt es doch ein paar Dinge, die getan werden können, um die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern zu bekämpfen.
In erster Linie ist die Gleichstellung der Geschlechter kein Frauenproblem. Es betrifft alle. Mehr Frauen in Führungspositionen zu haben wird einen positiven Schneeballeffekt haben. Jüngere Generationen werden weibliche Führungskräfte sehen und diesen Erfolg als erreichbares Ziel erkennen und anstreben. Für die Lösung für mehr Gleichstellung von Frauen und Männern in der Unternehmenswelt bieten sich zwei Möglichkeiten: Wahrnehmungslücken müssen geschlossen werden und Frauen brauchen Verbündete – sowohl Männer als auch Frauen.
Geschlechterfrage gehört auf die Agenda des CEOs
Wenn ein Unternehmen Frauen in strategischen Führungspositionen hat, fördert dies eine gesunde und unvoreingenommene Kultur der Wertschätzung und des Respekts innerhalb des Unternehmens. Das Schlüsselwort hier ist “strategisch”. Zu oft sind Frauen Teil eines Führungsteams, erhalten aber keine strategischen Rollen, sondern übernehmen stattdessen wichtige Personalfunktionen. Das ist Alibipolitik und keine ehrliche Darstellung der Gleichheit. Untersuchungen haben gezeigt, dass die Gleichstellung der Geschlechter in Unternehmen nur dann stattfindet, wenn sie auf der Agenda der CEOs steht und eine ihrer Prioritäten ist. Ein guter Ausgangspunkt ist der Blick in die Führungsmannschaft eines Unternehmens und die Einschätzung, wie homogen Frauen in anspruchsvollen Rollen in den Entscheidungsprozess eingebunden sind. Dies wird zeigen, ob die Gleichstellung der Geschlechter zu den Kernwerten eines Unternehmens gehört oder nicht.
Gleichstellung der Geschlechter und gleiches Entgelt müssen strategische Prioritäten sein. Als Führungskraft ist es wichtig, herausfordernde Gespräche über Gleichstellung zu führen und zu sehen, welche Frauen in die Talent Pipeline eines Unternehmens integriert sind. Dazu gehört auch eine investigative Arbeit. Einfache strukturelle Veränderungen wie die Politik eines Unternehmens könnten die Art und Weise drastisch verbessern, wie Frauen ihr Berufsleben steuern.
Aber selbst wenn Frauen nicht viele Führungspositionen besetzen, können sie männliche Verbündete finden, die sie dabei unterstützen, die Einstellung ihres Unternehmens zur Gleichstellung zu ändern. Als männliche Führungspersönlichkeit ist es wichtig, ein echtes Verständnis dafür zu zeigen, wie nachteilig Ungleichheit für jeden und nicht nur die betreffende Frau ist. Wenn auf der Führungsebene das Thema Gleiches Entgelt und Gleichheit allgemein auf der Tagesordnung steht, wenn es in der Leadership Alliance von allen diskutiert wird, dann wird es auch in die Struktur und Philosophie des Unternehmens eindringen. Männer neigen dazu, im privaten Bereich Verbündete von Frauen zu sein, finden es aber nicht immer so einfach, sich Verbündete im öffentlichen Bereich zu zeigen. Das liegt vielleicht an den eventuellen Nebenwirkungen, der Konformität oder der fehlenden psychologischen Festigkeit.
Die Schaffung einer gesunden Leadership Alliance, in der Männer und Frauen auf einer Führungsebene bereit sind, die Gleichstellung in den Mittelpunkt der Werte eines Unternehmens zu stellen, ist der erste Schritt in die richtige Richtung. Erster Schritt: Island. Nächster Schritt: Schweiz?