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Bei Jägern und Sammlern sind Mann und Frau gleichgestellt – Teil I

Nein, die Frauen sassen früher nicht bloss in der Höhle, sorgten für den Nachwuchs und bereiteten im Stillen das Essen vor, wie wir dies von den «Flintstones» kennen. Sie gingen gleichberechtigt mit den Männern auf die Jagd. Den hungrigen Mäulern war es nämlich schon damals egal, woher die Beute stammt und wer sie erlegt hat.

 

Im «Colombischlössle» in Freiburg im Breisgau, lief in den letzten Monaten eine sehr erfolgreiche Ausstellung mit dem Titel «Ich Mann. Du Frau. Feste Rollen seit Urzeiten?» Ein passender Ort wurde dafür genutzt, denn benannt ist das Schlösschen nach der Erbauerin Gräfin Colombi, einer Frau, mit deren spannender Geschichte wir uns bei einer anderen Gelegenheit auch mal beschäftigen können. Bei Veranstaltungen platzte das Schlösschen übrigens fast aus den Nähten und Dutzende Schulklassen haben die Ausstellung besucht, sodass sie um Wochen verlängert werden musste.

Eine der erfolgreichsten Ausstellungen, die je durchgeführt wurden, sei es gewesen, sagen die Organisierenden. Es lässt sich aus dem Rollenverständnis der Vorfahren nämlich Elementares lernen. «Bei Jägern und Sammlern sind Mann und Frau gleichgestellt» fanden Anthropologen – und ich schreibe extra diese männliche Form, denn Forscherinnen waren nicht im Team – nach aktuellen Untersuchungen bei Naturvölkern im Kongo und auf den Philippinen ebenfalls heraus. Die Gleichstellung scheine zwar ein junges Phänomen «und ist noch immer nicht verwirklicht», sagt der Forschungsleiter Mark Dyble, doch in der Steinzeit und bei «dem Schein nach unzivilisierten Jäger-und-Sammler-Völkern», sei sie gelebt worden und werde sie noch heute erfolgreich gelebt.

Männer bevorzugen nahe Verwandte

Die physisch stärkeren Männer haben im Kongo und auf den Philippinen übrigens gar nicht dominiert. Die Forscher haben einen Blick auf die Zusammensetzung der Gruppen mit mindestens 20 Individuen geworfen und daraus interessante Rückschlüsse auf die Gleichstellung der Geschlechter gewonnen. Männer bevorzugen die nahen Verwandten, und wenn Frauen im Team sind, sind die Gruppen anders organisiert. Modellrechnungen der Anthropologen ergaben eine heterogenere Gruppe, sobald Frauen mitreden können. (Vergessen wir dies auch nicht, wenn wir wählen, denn Studien aus der Wirtschaft und Politik zeigen dasselbe Bild!) «Die Dominanz des Mannes ist erst mit der Landwirtschaft entstanden, als Männer mehrere Frauen haben konnten», fanden die Forscher heraus. Dies habe wiederum die Allianzen zwischen der männlichen Verwandtschaft gestärkt – heute würden wir von Vernetzung reden. Helena Pastor Borgoñón, Co-Direktorin des Colombischlössle, das sich auf ärchaologische Funde spezialisiert hat, betont, dass sie es wichtig finde, dass endlich keine Märchen mehr erzählt würden. Kaum eine Wissenschaft beschäftige die kollektive Fantasie ähnlich wie die Ur- und Frühgeschichte. Und es sei schon fast ein Volkssport, sich Antworten über die Zeit der Mammuts und Höhlenbären zurechtzulegen. Nebensächlichkeiten wie «Diätwahn, Fastfood, Fernsehen und Shoppen» vermitteln ein ganz falsches Bild, zudem man sich auch gleich die Urzeitanekdote ausmalt. Als regelrechten Dauerwitz empfindet Helena Pastor Borgoñón die Feuersteins, die im Bungalow aus Felsbrocken leben und sich Dinos als Haustiere halten. Er geht dabei arbeiten, sie kocht. Er fährt im Auto aus Stein die Familie herum, sie besucht mal die Nachbarin. Das Abbild der Mittelschicht aus den Sechzigern findet die Forscherin höchst erschreckend.

Archäologen entdecken die Gleichstellung

Es fehlten nur noch Plastikgegenstände und die Elektrizität zum perfekten, nachkriegszeitlichen, amerikanischen Lifestyle. Während die «Flintstones» aber dennoch ein Comic bleiben, verbreiteten Bestseller-Autoren – und leider auch einige Autorinnen – vermeintliche Studien über das Nicht-Einparken-Können der Frauen und das Nicht-Zuhören der Männer. «Er war der Beutejäger und sie die Nesthüterin», wird allerorts verkauft. Doch die Wissenschaft erzählt eine ganz andere Geschichte. Und endlich wird man sich immer mehr darüber bewusst.

Als das Archäologische Landesmuseum in Stuttgart die Schau «Eiszeit, Kunst und Kultur» zeigte, beschäftigte es sich auch mit Geschlechterrollen im Jungpaläolithikum. Als das British Museum die Ausstellung «Ice Age Art» zeigte, ging die Kuratorin und Archäologin Jill Cook auch der Frage nach, ob die eiszeitlichen Figuren nicht aus den Händen von Künstlerinnen stammen. Die Freiburger Ausstellung widmete sich als erste dem Thema, wie Frauen und Männer in der Steinzeit zusammen lebten und welche Aufgaben sie übernahmen. «Frauen und Männer haben keine festen Rollen seit Urzeiten», lautet das Fazit. Die Idee vom steinzeitlichen Jäger als Ernährer und der Sammlerin und Hausfrau/Mutter ist also eine reine Fiktion der neueren Zeitrechnung.

Studie über Naturvölker im Kongo und auf den Philippinen:

http://phys.org/news/2015-05-unique-social-hunter-gatherers.html

Ich Mann. Du Frau. Feste Rollen seit Urzeiten?

Brigitte Röder im Auftrag des Archäologischen Museums Colombischlössle
Freiburg im Breisgau, Begleitband zur gleichnamigen Ausstellung 2014/15
ISBN: 978-3-7930-5114-5
Rombach Verlag

«Es gibt in der Altsteinzeit, das kennen die meisten Leute, diese wunderschönen Tierbilder aus den Höhlen in Südfrankreich und Nordspanien, Lascaux, Altamira und so weiter. Was weniger bekannt ist, dass häufig neben diesen Tierbildern auch Handnegative erscheinen. Die Menschen haben eine Hand auf die Felswand gelegt und dann mit einem Röhrchen Farbpigment draufgeblasen, dann blieb der Umriss der Hand erhalten. Und die Biologie hat schon vor einiger Zeit eine Methode entwickelt, die es erlaubt, an den Händen, an den Größenverhältnissen der Finger, Männer- und Frauenhände zu unterscheiden. Tatsächlich kamen vor einigen Jahren zwei unterschiedliche Forscherteams zu dem Ergebnis, dass gut drei Viertel dieser Hände von Frauen stammen.» Helena Pastor Borgoñón, Co-Direktorin «Colombischlössle»

Das Buch zur gleichnamigen Ausstellung in Freiburg im Breisgau ist auch ohne Ausstellungsbesuch spannend.

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