Buch- und DVD-Tipps zur Gleichstellung und zum Feminismus
Haben wir schon Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau? Brauchen wir Gleichstellung? Was ist das überhaupt? Sind «Mann» und «Frau» nicht sowieso nur soziale Konstrukte? Es gibt kaum jemanden, dem diese Fragen egal sind, ja, fast jeder hat seine eigene Meinung dazu. Nach dem Frauenstreik* vom 14. Juni sieht es auch nicht anders aus.
Feminismus ist längst eines der wichtigen Themen unserer Zeit. Und doch kann man sich nicht fundiert darüber unterhalten, wenn man nicht zumindest ein paar der grundlegenden Werke gelesen hat. Sonst fehlt einem der geschichtliche Hintergrund, oder man verwendet die wichtigsten Begriffe falsch und es dreht sich jede Diskussion im Kreis. Folgende Buch- und DVD-Tipps helfen:
Virginia Woolf: Ein eigenes Zimmer
Als Virginia Woolf ihren Essay 1929 schrieb, gab es die Frauenbewegung schon eine Weile: In vielen westlichen Ländern war das Frauenwahlrecht gerade eingeführt worden und damit der Grundstein für die Gleichberechtigung gelegt. Aber Woolf geht es weniger um Politik als um Kunst. Ihr Hauptargument: Frauen sind so klug und kreativ wie Männer, bekommen aber viel seltener die Gelegenheit, ihr Talent zu zeigen.
Selbst Shakespeare hätte nicht so erfolgreich sein können, wenn er als Frau geboren worden wäre. Frau Shakespeare wäre nicht zur Schule gegangen, hätte heiraten müssen, hätte sich womöglich sogar umgebracht. Damit eine Frau kreativ sein kann, braucht sie Geld und ein eigenes Zimmer – eine Unabhängigkeit, die auch zu Woolfs Zeit alles andere als selbstverständlich war.
Simone de Beauvoir: Das andere Geschlecht
Simone de Beauvoirs 1949 erschienenes Buch kann als grundlegendes Werk des modernen Feminismus gelten. Die Vorstellung, dass Frauen durch Männer objektiviert werden, wird hier zum ersten Mal in aller Deutlichkeit herausgearbeitet. «Weiblichkeit» wird als soziales, männergemachtes Konstrukt entlarvt.
Man ist nicht als Frau geboren, man wird es. Das andere Geschlecht hatte einen so gewaltigen Einfluss auf die sogenannte zweite Welle des Feminismus in den Sechziger- und Siebzigerjahren (und auf alles, was danach kam), dass man den Feminismus nicht verstehen kann, wenn man dieses Buch nicht kennt. Wer nur Zeit für ein einziges Buch hat, sollte Beauvoir lesen.
Judy Norsigian: Our Bodies, Ourselves
Feminismus bedeutet auch und vor allem, dass Frauen das Sagen über ihren eigenen Körper haben sollten. Dazu müssen sie ihren Körper jedoch zuerst verstehen. Und dafür ist dieses Buch da.
Our Bodies, Ourselves erschien 1970 und ist eine Art erweitertes Biologiebuch für Frauen. Behandelte Themen umfassen sexuelle Orientierung, Verhütung, Schwangerschaft, Menopause, bis hin zu Gewalt gegen Frauen und die Tücken des Gesundheitssystems.
Judith Butler: Das Unbehagen der Geschlechter
Judith Butler muss in Kommentarspalten immer wieder als Repräsentantin eines militanten Gaga-Feminismus herhalten, der den Kontakt zur Realität völlig verloren hat. Grund für diesen Ruf ist allen voran ihr Buch Das Unbehagen der Geschlechter, in welchem sie argumentiert, dass nicht nur das soziale Geschlecht (Gender), sondern auch das biologische (Sex) gesellschaftlich konstruiert sei.
Wie so oft, beruht die breite Ablehnung von Butlers Thesen auf einer wohlkultivierten Unkenntnis des eigentlichen Textes. Man kann nur raten das Buch zu kaufen und zu lesen, auch wenn es anstrengend ist. Danach muss man nicht unbedingt mit Butlers Thesen einverstanden sein – man wird sie aber auf jeden Fall nicht mehr als Quatsch von der Hand weisen können.
Laurie Penny: Fleischmarkt – Weibliche Körper im Kapitalismus
Laurie Pennys Fleischmarkt ist ein bisschen das Empört euch! für die zeitgenössische Frauenbewegung. Das schmale Buch ist fest in der Tradition des Feminismus verankert und wartet daher eher nicht mit neuen Theorien auf. Aber: Es wendet bekannte Ideen auf aktuelle, ja, akute Themen an, und es tut das so laut und unverschämt, dass es eine Freude ist.
Wer Hausarbeit, Magersucht, Werbung und Pornografie von einer jungen, extrem eloquenten Feministin analysiert und zerfetzt haben möchte, sollte dieses Buch unbedingt bestellen und lesen.
Chimamanda Ngozi Adichie: Mehr Feminismus!
Und noch eine junge, einflussreiche Feministin, die es sogar geschafft hat, von Beyoncé gesampelt zu werden. I am angry. We should all be angry. Anger has a long history of bringing positive change. Chimamanda Ngozi Adichie ist nicht in erster Linie Philosophin, sondern vor allem Autorin von Romanen und Kurzgeschichten. Ihre Art Feminismus ist simpel, inspirierend und international. Anstatt komplizierter Texte voller komplexer Ideen (wie sie zum Beispiel Butler bietet), legt Adichie Wert auf Anwendbarkeit im täglichen Leben. Was genau biologisch veranlagt ist und was sozial bedingt, ist für Adichie ebenso nebensächlich wie die Frage, wie eine echte Feministin sich zu kleiden hat. Ein lockerer, humanistischer Feminismus, der Spass macht!
DVD: She’s beautiful when she’s angry
Für alle, die Filme lieber mögen als Bücher: She’s beautiful when she’s angry ist eine unterhaltsame Doku über die Geburt des modernen Feminismus Ende der Sechzigerjahre. Man bekommt einen Eindruck davon, in was für einer Welt die Bewegung ihren Anfang genommen hat. Gruselig anzusehen ist unter anderem, wie unglaublich konservativ die angeblich so progressive Bürgerrechtsbewegung in Frauendingen war.
Man lernt etwas über die wichtigsten feministischen Gruppierungen und erhält eine Ahnung davon, wie kompliziert und bisweilen zäh der Kampf der Frauenbewegung war. Inspirierend für jeden angehenden Feministen.
DVD: Die göttliche Ordnung
Und sind wir schon mal bei den DVDs angekommen, ist – gerade für OstschweizerInnen – Petra Volpes Film «Die göttliche Ordnung» ein Muss! Das schweizerische Filmdrama erzählt die Geschichte des Frauenstimmrechts in der Schweiz (für einmal nicht in Schwarz-Weiss-Denken) und startete am 9. März 2017 in den Kinos und wurde mehrfach ausgezeichnet.