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Bundesrätinnenwahlen – Frauen gehören ins Haus, auch ins Bundeshaus

Bundesrätinnenwahlen – Frauen gehören ins Haus, auch ins Bundeshaus

Für die anstehenden Bundesratswahlen vom 5. Dezember lassen sich nur teilweise klare Tendenzen erkennen. Den Anhörungen wird auch dieses Mal ein grosses Gewicht zukommen.

Kurz nach seiner Nicht-Wahl in den Bundesrat im September des vergangenen Jahres – und lange bevor er wegen seiner umstrittenen Reise nach Abu Dhabi zum Rücktritt aufgefordert wurde, sagte der Genfer FDP-Staatsrat Pierre Maudet zur NZZ: «Wir haben uns unglaublich viel Leid zugefügt, um daran zu glauben – und am Schluss, da glaubten wir es auch.» Bis zum Vorabend wurde damals wie wahnsinnig gerechnet, wurden Stimmen zusammengezählt, hat man sich gefragt: Könnte es reichen?

Ein Rätselraten ohne Ende

Auch an diesem Dienstag dürften so manche Parlamentarier und Bundeshausjournalisten bis spät in die Nacht – der langen Messer – alle möglichen Zahlenkombinationen auf ihre Notizblöcke kritzeln und rätseln, ob sich die CVP-Bundesratskandidatin aus dem Kanton Uri, Heidi Z’graggen, bei der anstehenden Bundesratswahl gegen die Walliser Favoritin Viola Amherd (CVP) durchsetzen und damit Doris Leuthard ersetzen wird. Sicher ist nur: Es wird spannend.

Im Vergleich dazu gibt die Nachfolge von Bundesrat Johann Schneider-Ammann wenig zu reden: Die Kandidatin der FDP, Karin Keller-Sutter – kurz: KKS – wird dieses Mal aller Voraussicht nach den Sprung in die Regierung schaffen, ihre Kompetenz wird nicht angezweifelt: Die gelernte Dolmetscherin verfügt über viel politische Erfahrung in Regierung und Parlament, und der überzeugten Freisinnigen wird auch Kompromissfähigkeit zugetraut. Die Fraktionen dürften sich grossmehrheitlich für die 54-Jährige aussprechen, die «Republik» bezeichnete die St.Galler Ständerätin neulich hübsch kreiert als «un-unwählbar».

Der von Beginn weg als «Alibikandidat» abgestempelte FDP-Ständerat Hans Wicki aus dem Kanton Nidwalden wird daher wohl als Zweiter einlaufen. Der 54-jährige «Mann der Wirtschaft», der als Regierungsrat der Baudirektion vorstand, vermochte im Antlitz von KKS niemanden so richtig zu überzeugen.

Die Linke stimmt für Altbekanntes

Zurück zu den Christdemokratinnen: Die letzten Hearings der Fraktionen der SP, BDP, CVP und FDP gehen erst am Dienstagnachmittag über die Bühne. SVP, Grüne und Grünliberale hatten die Kandidatinnen bereits vergangene Woche zu den für sie heiklen Themen befragt.

Den Anhörungen wird auch dieses Mal grosses Gewicht beigemessen, da Z’graggen den meisten Parlamentariern eine Unbekannte ist. Ihr fehlt schlicht die Bundesberner Hausmacht – und in der Regel wählen die National- und Ständeräte einen der ihren. Doch in ihrer Heimat hat die ehemalige Lehrerin mit viel Strategie bewiesen, dass sie durchaus fähig ist, grössere Projekte wie das Tourismusresort des ägyptischen Investors Samih Sawiris in Andermatt zu realisieren.

Die Profile der beiden Frauen unterscheiden sich dann auch nicht grundlegend, wobei Z’graggen als rechter beschrieben wird als Amherd. Die Oberwalliserin grenzt sich vor allem in gesellschaftspolitischen Fragen am häufigsten von der konservativ-traditionalistischen Strömung innerhalb der Partei ab. Doch auch Z’graggen setzt sich für Familienanliegen ein und spricht sich für die Frauenquote aus.

Im Vorfeld der Wahlen äusserte die Innerschweizerin eine gewisse Skepsis bezüglich einer zu engen Anbindung an die EU, auch der Migration steht sie kritischer gegenüber. Den Uno-Migrationspakt lehnt sie, anders als Amherd, ab. Hier ist unklar, ob sich die 52-jährige Urnerin im Wahlkampf rechter gibt, als sie ist, Wahlgeplänkel vielleicht, um sich bei der SVP anzubiedern. Denn auf deren Stimmen wäre sie für einen Sieg angewiesen. Sollte es dazu kommen, liesse sich sagen: Masche geglückt.

Z’graggens Vorteil bei der SVP

Zumindest bei den Hearings vergangene Woche sprach sich die Volkspartei grossmehrheitlich für Z’graggen aus. Sie sei, sagte Fraktionschef Thomas Aeschi im Nachgang, näher bei der Partei zu verorten als Amherd. Jene konnte dennoch überraschend viele Mitglieder von sich überzeugen, insbesondere bei den Bauernvertretern punktete die 56-Jährige (mit ihrem Abstimmungsverhalten der vergangenen Jahre).

Z’graggen ist in einer Beziehung mit dem ZKB-Bankrat Bruno Dobler (66), einem SVP-Mann, wovon sie auf der ganz rechten Seite profitieren könnte. In anderen Parteien wird diese Liaison hingegen skeptisch beurteilt – als «verkappte SVPlerin» wurde Z’graggen zuweilen typisiert, wenn auch nur hinter vorgehaltener Hand.

Die Grünen tendieren in der Mehrheit dann auch zu Kandidatin Amherd, obwohl Z’graggen als Präsidentin der Eidgenössischen Natur- und Heimatschutzkommission (ENHK) durchaus die Sympathien mancher Parteimitglieder für sich gewinnen konnte. Neben dem Klimaschutz liegen der Fraktion aber auch die Chancengleichheit und die demokratischen Institutionen am Herzen. Definitiv informieren werden sie erst am Dienstag.

Ebenso die SP, wobei der Fall für sie schon seit Längerem klar ist: Amherd wurde von Beginn weg als «Liebling der Sozialdemokraten» bezeichnet, auch wenn dies ein bisschen übertrieben sein mag. So sagt beispielsweise der Zürcher Nationalrat Fabian Molina auf Anfrage: «Von der Auswahl ist in der SP niemand hell begeistert.» Wegen ihrer sozialpolitisch liberalen Forderungen wird die aus dem konservativen Wallis stammende Nationalrätin aber als «mutig» bezeichnet, unter anderem von Nationalrat Martin Naef (SP, Zürch).

Die beiden Zünglein an der Waage

Am wenigsten eindeutig ist die Stimmungslage ein Tag vor der Wahl bei FDP und CVP. Erstere ist mit der Auswahl Letzterer nicht sonderlich zufrieden. So sagt der Basler FDP-Nationalrat Christoph Eymann: Die eine (Amherd) habe sich in der Grossen Kammer nicht besonders profiliert, die andere (Z’graggen) komme aus einem sehr kleinen Kanton, was ihr vermeintliches Plus, ihre Führungserfahrung, wieder relativiere. Das Schema «links oder rechts der Mitte» dürfte demnach ausschlaggebend sein.

Bei der CVP hingegen herrscht Gelassenheit – und zwar unabhängig vom Ergebnis der Wahl. So freut man sich hier doch (zumindest grossmehrheitlich) ob dem doppelten Frauenticket. Wäre CVP-Ständerat Peter Hegglin nominiert worden, wären die ideologischen Grabenkämpfe um die künftige Ausrichtung der Partei – links oder rechts der Mitte – wahrscheinlich gröber geführt worden.

«Entgegenkommen an die Grünen»

Die Wochenzeitung (WOZ) liest das CVP-Frauen-Wahlticket jedenfalls als «Entgegenkommen an die Grünen». Sie stellt fest: «Während der Bundesrat weiter nach rechts driftet, wird der CVP-Sitz offen sein für grüne Anliegen und Allianzen mit der Linken.» Und zwar unabhängig vom Ausgang der Wahl.

Damit sollte wohl auch verhindert werden, dass die Grünen nach den kommenden Eidgenössischen Wahlen in 2019 Anspruch erheben auf den CVP-Sitz, sollten sie – wie erwartet – weiter zulegen. Parteipräsidentin Regula Rytz kündigte dies in der NZZ bereits an: «Wenn wir Wähleranteile gewinnen, werden wir in das Bundesratswahlspiel einsteigen.»

Vor diesem Hintergrund kritisieren die Grünen, dass die Ersatzwahl durch die beiden Rücktritte nun nur ein Jahr vor den Eidgenössischen Wahlen nötig geworden sei.

Ablauf ohne Überraschungen

Die Ersatzwahl wird nach strikten Regeln vonstattengehen: Bei mehr als einer Vakanz wird zuerst der Sitz jenes abtretenden Bundesrats besetzt, der länger im Amt gewesen ist: also der von Bundesrätin Doris Leuthard.

Grössere Überraschungen sind nicht zu erwarten, die Wahl eines Sprengkandidaten ist mutmasslich auszuschliessen, zumindest versicherten die Parteien, einen der nominierten Kandidaten wählen zu wollen. Es dürfte also alles in geregelten Bahnen verlaufen.

Apropos laufen: Maudet joggte am Morgen vor seiner Nicht-Wahl im vergangenen September medienwirksam über den Bundesplatz. Z’graggen hingegen hat derartige Aktionen nicht geplant. Sie sagt: «Ich gehe alle Tage mit der Zuversicht an, dass ein interessanter Tag mit spannenden Begegnungen auf mich wartet.»

Text Valerie Zaslawski (www.bluewin.ch) / Bild: www.bundesraetinnen.ch (Für einmal stehen drei wählbare mögliche Spielmacherinnen gegen einen Coach zur Wahl)

Die sieben Bundesrätinnen geben Einblick in Höhepunkte und Rückschläge ihrer Karriere. Und sie sagen, welche Frauenvertretung sie sich in Zukunft wünschen.
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