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CH2021: Wenn Frau will… – Portrait Elfie Schöpf

CH2021: Wenn Frau will… – Portrait Elfie Schöpf

Der Streikaufruf unter dem Motto «Wenn Frau will, steht alles still» stiess Anfang 1991 auf grosse Resonanz. Nun hatte Elfie Schöpf, Journalistin, frühere Zentralsekretärin der SPS, alle Hände voll zu tun. Ruth Dreifuss, damals beim Schweizerischen Gewerkschaftsbund, hatte sie als Koordinatorin des Frauenstreiks vorgeschlagen. Elfie Schöpf stürzte sich in die Arbeit. Es war ein beruflicher Glückszufall, wird sie später sagen. Und der Frauenstreik ein grosser Erfolg.

In diesem Jahr wird Elfie Schöpf 84 Jahre alt. Sie ist eine schlanke hochgewachsene Frau, wenn jetzt auch ein wenig gebeugt. Das Leben hat sie gezeichnet. Sie wirkt fragil auf mich, aber gelassen und ruhig.

Eine Lehrerin kriegt keinen Mann
Elfie wächst in Basel zusammen mit ihrem älteren Bruder in einer streng katholischen Familie auf. Der Vater ist Werkmeister im Elektrizitätswerk, die Mutter Hausfrau. Politisch stehen die Eltern der CVP nah. «Unser ganzer Bekanntenkreis war damals katholisch», sagt Elfie, «jede Woche in die Messe zu gehen, das gehörte einfach dazu.» Sie wäre gerne Lehrerin geworden, aber der Vater sagte, eine Lehrerin kriege keinen Mann und einen Mann wollte sie! Also besucht sie statt des Lehrerinnenseminars die «Ecole supérieure de Commerce pour jeunes filles» in Freiburg. Der Abschied von zuhause fällt ihr nicht schwer, aber das «Eingesperrtsein», die ständige Beaufsichtigung durch die Ordensschwestern schon. «Langweilig war es», sagt sie, «nicht einmal am Sonntag durften die Mädchen allein ins Freie». Nach dem Abschluss der Handelsschule geht sie ein halbes Jahr nach England auf eine Sprachschule.

Der Einstieg in die Arbeitswelt war problemlos
Zurück in der Schweiz findet Elfie problemlos eine Stelle. Sie ist nun als ausgebildete englisch- und französischsprechende Sekretärin eine gefragte Arbeitskraft. Sie arbeitet einige Jahre in der Pharmabranche. In den späten 1950er Jahren lernt sie einen «Nichtkatholiken» kennen. Grosse Aufregung! Der zukünftige Ehemann muss den katholischen Unterricht besuchen. Einundzwanzigjährig heiratet sie ihn. Der junge Mann, dessen Eltern früh gestorben waren, musste deren kleine Maschinenfabrik übernehmen. «Er war nicht fähig», sagt sie, «aber ich hatte das Gefühl, ich kann das.» 17 Jahre waren die beiden verheiratet, eine Tochter und ein Sohn gingen aus der Ehe hervor, aber es sei «schlecht gelaufen, im Geschäft und zwischen uns».
Elfie ist nicht glücklich in ihrem Hausfrauendasein. Sie beginnt, heimlich zu arbeiten – zunächst bei einem Anwalt, später macht sie die Hauszeitung für einen grossen Konzern in Zürich.

Erste journalistische Versuche
Wann genau sie den ersten Artikel an den «Nebelspalter» geschickt hat, weiss sie nicht mehr genau. Er wurde jedenfalls angenommen. Das Thema war ihr «Hausfrauendasein». Später schickt sie Beiträge an die deutsche Zeitschrift «Hobby. Das Magazin für Technik» mit Sitz in Stuttgart. Elfie wird Schweizer Korrespondentin und berichtet über Interessantes aus Technik und Wissenschaft in der Schweiz. Dann wird sie Redaktorin bei der Basler AZ. Damals war Helmut Hubacher deren Chefredaktor. Der Job bei dieser linken Zeitung hat sie politisiert und so wurde Elfie Schöpf in dieser Zeit Mitglied der SP. «Ich gehöre zu den Linken», meint sie, «das war für mich schon immer klar».

Nach ihrer Scheidung 1975 zieht sie mit ihren Kindern nach Bern. Sie ist nun alleinerziehende Mutter. Die Tochter besucht das Gymnasium Neufeld und wird später Lehrerin, der Sohn macht eine Lehre als Bauer. Heute ist er Fachmann Pflege.

Und 1971?
2021 jährt sich die Annahme des Frauenstimm- und -wahlrechts zum 50. Mal, aber Elfie hat keine konkrete Erinnerung an dieses frauenpolitisch wichtige Ereignis. Sie habe damals noch kein grosses Interesse an Politik gehabt. Hingegen erinnert sie sich an die vorangehende Abstimmung zum Frauenstimmrecht im Jahr 1959 und daran, dass ihr Mann damals stolz ‘NEIN’ gestimmt habe.

Wie wollen Sie das mit den Kindern machen?
1976 ist die Stelle des Zentralsekretariats der SPS ausgeschrieben. Elfie Schöpf bewirbt sich und kommt ins engere Auswahlverfahren. Wie sie sich das vorstelle mit zwei Teenagern zuhause, wird sie gefragt. «Hätte man einen Mann je so etwas gefragt?», entsetzt sie sich. Mittlerweile ist Helmut Hubacher Präsident der SPS. Er hat Elfie aus der AZ-Zeit wohl gekannt. Jedenfalls bekommt sie die Stelle. Nun beginnt für Elfie eine spannende und arbeitsintensive Zeit. Sie habe viele Chancen bekommen, sagt Elfie, das habe ihrem Selbstbewusstsein gut getan. Der Arbeitsalltag ist streng, aber sie kann die Partei auch gegen aussen vertreten z.B. bei den Kongressen der Sozialistischen Internationalen. Als Zentralsekretärin ist sie auch zuständig für Frauen und Soziales und hat Einsitz in der Frauenkommission. In den 1970er Jahren nimmt die Neue Frauenbewegung Fahrt auf. Das geht auch an der SPS nicht spurlos vorbei. Die SP-Frauen werden aktiv und fordern mehr Raum und mehr Mitbestimmung. «Es gab aber auch SP-Frauen, die die Frauenfrage ausgenützt haben, um ihre eigene Karriere zu fördern», merkt sie an.

Zu Besuch auf der ganzen Welt
Die nächste Station in Elfie Schöpfs Berufsleben führt sie in die Entwicklungszusammenarbeit. Sie wird 1982 Informationsbeauftragte bei SWISSAID, der Stiftung für Entwicklungszusammenarbeit, die sich in der Hilfe zur Selbsthilfe engagiert. 1981 hatte SWISSAID eine Frauenstelle eingerichtet und legt fortan einen Schwerpunkt auf Frauenprojekte. In einem Beitrag beschreibt Elfie Schöpf drei Projekte, in welchen Frauen als Entwicklungsträgerinnen eine Hauptrolle spielen und macht sich Gedanken zur Institutionalisierung der Frauenförderung in der Entwicklungszusammenarbeit allgemein. Sie plädiert dafür, «die Frauenfrage stärker in die Institutionen selbst zu integrieren»; sie müsse zur Chefsache werden. Als Informationsbeauftragte besucht sie die Projekte vor Ort und ist unter anderem in Indien, Ecuador und Kolumbien unterwegs. Wohl nicht zuletzt deshalb bezeichnet sie die Berufsjahre bei SWISSAID als ihre beste Zeit. Aus internen Gründen verlässt sie 1990 SWISSAID.

Das Beste kommt noch…
Die gut tausend Uhrenarbeiterinnen im Vallée de Joux hatten genug von der Niedriglohnpolitik ihrer Arbeitgeber und einem Bruttolohn von weniger als 3500 Franken im Monat. Nach einer Gewerkschaftsversammlung im Sommer 1990 fiel zum ersten Mal das Wort «Streik». Die SMUV-Zentralsekretärin Christiane Brunner brachte es fertig, dass der SMUV dem Antrag, einen Frauenstreik zu organisieren, zustimmte. Genau 10 Jahre nach der Annahme des Verfassungsartikels «Gleiche Rechte für Mann und Frau» sollte er stattfinden. «Nach einiger Überzeugungsarbeit stimmte im Oktober auch der SGB-Kongress geschlossen dafür.» Im Dezember wurde ein nationales Streikkomitee gegründet. Und dann ging es erst so richtig los. Es entstanden kantonale und lokale Koordinationskomitees, aber auch ausserhalb der Gewerkschaften zündete die Idee. Am Rande einer Pressekonferenz fragte Ruth Dreifuss, damals Zentralsekretärin beim SGB, Elfie Schöpf an, ob sie die Koordination des Frauenstreiks übernehmen wolle. Sie wollte und stürzte sich voller Elan in die Arbeit. «Es war das Tollste, was ich je gemacht habe», sagt sie, und ihre Augen leuchten.

Der 14. Juni 1991
Wie soll frau in ein paar Worten beschreiben, was damals los war? Ein «Ruck» ging durch das Land und setzte ungeahnte Energien frei. Elfie mittendrin, im Streikbüro von morgens bis abends, unterwegs kreuz und quer durch die Schweiz. Sie erinnert sich anlässlich der 25. Jahrestags des Frauenstreiks: «In Bern fand am gleichen Tag ein ‘Tag der internationalen Beziehungen’ statt. (..) Ein Polizeidetachement hielt die am Morgen noch leeren Tribünen vor dem Bundeshaus unter Kontrolle Die Frauen erschienen auf dem Bundesplatz in Scharen mit Trillerpfeifen. ‘Wir Frauen sind viele, wir haben die Schnauze voll hu!’, tönte es den ersten vorfahrenden Staatslimousinen entgegen.» Die Polizei hielt sich zurück. Das war nur der Anfang. Jede Frau, die damals dabei war, hat ihre eigenen unvergesslichen Erinnerungen. Elfie hat den Streiktag weitgehend in ihrem Büro verbracht. Medien wollten Auskünfte, Bilder, Informationen; Grussbotschaften aus der ganzen Welt trafen ein. Die Zweifel der vorangegangenen Monate, ob es wohl gut kommen würde, waren weggeblasen. Man müsste ein Buch darüber schreiben! Und das tat sie auch. Ein Jahr später erscheint im Zytglogge Verlag «Frauenstreik. Ein Anfang… Hintergrund, Porträts, Interviews» (leider momentan nicht verfügbar!) von Elfie Schöpf. Es zeigt auf, wie breit, vielfältig, bunt, fantasievoll, energiegeladen dieser Tag war.

Älter werden
Seither sind dreissig Jahre vergangen. In den Neunzigerjahren ist Elfie freiberuflich als Journalistin tätig. Wie und wo genau, ist ihr zum Teil entfallen. Eine heimtückische Krankheit beeinträchtigt ihren Bewegungsapparat, aber eben auch die Erinnerungsfähigkeit. Das sei eine Rieseneinschränkung, sagt sie. Trotzdem hadert sie nicht mit dem Alter. Sie musste viel loslassen im Verlauf der letzten Jahre: Tennis, Skilaufen, Velo- und Autofahren und sie sei auch nicht mehr so neugierig wie früher, aber immer noch politisch interessiert. Meditieren und Lesen sind Möglichkeiten, mit den Verlusten umzugehen. Einsam fühle sie sich nicht. Sie ist gut eingebunden und das Verhältnis zu den Kindern ist nah und verlässlich. Sie hat fünf Enkel- und zwei Urenkelkinder, ein drittes ist unterwegs. Vor Corona hat sie keine Angst. «Ich habe nichts zu klagen», sagt sie abschliessend

Und der Frauenstreik 2019?
Sie war auf dem Bundesplatz am Morgen früh, als es noch nicht so viele Leute hatte. Sie hat sich gefreut über die vielen Frauen und über das erstarkte Selbstbewusstsein, über mehr Selbstverständlichkeit den Frauenanliegen gegenüber, über die neu erstarkte Frauenbewegung.

Wir sind uns einig: Es ist viel geschehen und es gibt noch viel zu tun. Jüngere Frauen sind jetzt am Zug. Sie schreiben die Geschichte weiter.

Quelle: GrossmütterRevolution

Bild: TeleBärn (Interview zum Frauen*streik 2019)

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