Chinas Frauen und ihre Rechte werden durch den Wirtschaftsaufschwung gestärkt

Chinas Frauen und ihre Rechte werden durch den Wirtschaftsaufschwung gestärkt

China war über Jahrhunderte ein Patriarchat, also eine von Männern dominierte Gesellschaft. Die Frauen konnten sich ihren Ehemann nicht selbst aussuchen, er wurde für sie von den Eltern gewählt. Nach der Heirat musste die Frau ihre eigene Familie verlassen und sich in die Familie des Mannes einfügen. Traditionell wünschen sich Chinesen, vor allem auf dem Land, viel Nachwuchs. Söhne werden dabei noch immer bevorzugt.

Wegen des explosionsartigen Wachstums der chinesischen Bevölkerung in den 1960er-Jahren führte die Kommunistische Partei China (KPCh) 1980 die Ein-Kind-Politik ein. Danach war es einem Paar verboten, mehr als ein Kind zu haben. Nur Familien auf dem Land und Paaren, die aus einer ethnischen Minderheit stammten, wurde ein zweites Kind gewährt. Dadurch wuchs der Druck auf Frauen, einen Jungen als Stammhalter der Familie zu gebären. Das führte dazu, dass vor allem im ländlichen Raum Mädchen oft direkt nach der Geburt getötet oder schon während der Schwangerschaft abgetrieben wurden. Die Folge daraus liegt auf der Hand: Mädchen sind in China in der Unterzahl. Auf 100 Mädchen werden noch immer bis zu 160 Jungen geboren.

Auch waren Frauen durch die Ein-Kind-Politik gesundheitlichen Risiken ausgesetzt: Wer bereits ein Kind hatte, musste sich staatlich kontrolliert eine Spirale einsetzen lassen. Frauen, die ein zweites Kind bekamen, wurden zwangssterilisiert oder, falls ein drittes Kind unterwegs war, zur Abtreibung gezwungen. In den letzten Jahren ist diese rigide Politik zwar etwas gelockert worden. Paare, in denen bereits ein Partner Einzelkind war, dürfen seit 2013 ein zweites Kind bekommen. Doch nach wie vor leiden vor allem Frauen auf dem Land unter der Erwartung, Söhne gebären zu müssen. Auch in anderen Bereichen ist der soziale Druck auf Frauen hoch. Denn meist sind sie allein für den Ackerbau, die Kindererziehung und die Pflege der Senioren verantwortlich. Höhere Bildung haben die meisten Frauen auf dem Land nicht, denn eine Schule haben sie nie besucht. Viele sind deshalb weiterhin von ihren Männern abhängig und nicht in der Lage, sich selbst zu versorgen. Oft sind Frauen darüber so verzweifelt, dass sie Selbstmord begehen. China ist nicht zuletzt darum das einzige Land der Welt, in dem mehr Frauen als Männer Suizid verüben.

Die Stellung der Frauen stärken

Seit Gründung der Volksrepublik (VR) China 1949 versucht die Regierung, die Rechte der chinesischen Frauen durch verschiedene Gesetze beständig zu stärken. Schon in ihrer Verfassung legte die Volksrepublik China die Gleichberechtigung von Mann und Frau als Grundrecht fest. Und im Ehegesetz von 1950 wurde festgelegt, dass Frauen ihren Ehepartner selbst wählen dürfen. Das Verheiraten von Minderjährigen, den sogenannten Kinderbräuten, wurde verboten. Durften Männer bis zu diesem Zeitpunkt mehrere Frauen haben, wurde nun die Monogamie, die Ein-Ehe, eingeführt. Zudem wurde es unter Strafe gestellt, Frauen einfach zu verstossen, wenn sie ihre ehelichen Pflichten, beispielsweise die Geburt eines Stammhalters, nicht erfüllten. Stattdessen wurde Frauen das Recht auf eine gesetzlich anerkannte Scheidung eingeräumt, die ihnen auch Anspruch auf ein eigenes Vermögen und die in der Ehe geborenen Kinder garantiert. Zudem dürfen sich Geschiedene und Witwen seitdem wieder neu verheiraten.

1992 verabschiedete China das sogenannte Frauenrechtsschutzgesetz, in dem alle Rechte von Frauen in China zusammengefasst sind. Gewalt in der Ehe wurde im sozialistischen System Chinas noch totgeschwiegen, obwohl genau wie in jedem anderen Land der Welt auch in der Volksrepublik in einem Drittel der Ehen Gewalt ausgeübt wird und die Opfer dieser Gewalt zu fast 94 Prozent Frauen sind. Im Frauenrechtsschutzgesetz ist häusliche Gewalt gegen Frauen auch ausdrücklich verboten. Doch was unter häuslicher Gewalt zu verstehen ist, definiert das Gesetz nicht. Deshalb wird in China von vielen ein eigenes Gesetz gefordert, dass diese Lücke schliesst und auch klarstellt, welche Strafen gegen Menschen verhängt werden, die Frauen Gewalt antun.

Neue Gesetze werden gefordert

Allgemein tragen die Gesetze nur langsam dazu bei, dass sich die Situation der Frauen in China verbessert – auch weil der gesellschaftliche Druck auf Frauen nach wie vor hoch ist. Auch wenn ihr Ehemann sie betrügt oder sogar eine Zweitfamilie gegründet hat (denn das gesellschaftliche Ansehen von Männer bemisst sich in China nach wie vor daran, wie viele Zweitfrauen einer hat), nehmen viele Frauen ihren Anspruch auf eine Scheidung und Unterhalt nicht in Anspruch, weil sie sich schämen. Und kümmern sich lieber alleine um die Finanzierung des Unterhalts und die Erziehung der Kinder. Auch die zentrale Registrierung von Eheschliessungen, die Frauen vor Zwangsverheiratung schützen und der Bigamie, der Vielehe, der Männer einen Riegel vorschieben könnte, wird in China bislang kaum durchgeführt. Auch ist es Männern in China eigentlich verboten, sich von ihren Frauen scheiden zu lassen, wenn diese ihnen keinen Stammhalter schenken. In der Praxis wird dieses Verbot aber ignoriert.

Dennoch bewegt sich etwas in punkto Stärkung der Frauen in China. Untersuchungen zeigen, dass vor allem Frauen vom wirtschaftlichen Aufschwung der Volksrepublik in den vergangenen 30 Jahren profitieren. So sind zum Beispiel elf der reichsten Frauen auf der Welt Chinesinnen. 2009 wurde das Renteneintrittsalter für Frauen von 55 auf 60 Jahre erhöht, bis 2024 soll es schrittweise für die gesamte chinesische Bevölkerung auf 65 erhöht werden. Denn auch in China werden die Menschen immer älter und die Versorgung der Rentner kann von den Jungen kaum noch gestemmt werden. Bislang gehen die meisten Chinesen mit 53 Jahren in Rente, leben im Durchschnitt aber bis 75. Das hat und wird die Karrierechancen von Frauen in China verbessern. Denn bis jetzt werden viele Frauen wegen ihres frühen Pensionsalters nicht mehr befördert, wenn sie eine gewisse Stufe auf der Karriereleiter erreicht haben. Das könnte sich ändern, wenn Frauen erst später in Pension gehen.

Seit Frauen auch auf dem Land immer besser Zugang zu Bildung bekommen und es ihnen nicht mehr verboten ist, vom Land in die Stadt zu ziehen, haben Frauen bessere Chancen, sich selbst versorgen zu können und somit unabhängiger von Männern zu werden. Die 1995 in Peking abgehaltene Weltfrauenkonferenz kritisierte damals die Ein-Kind-Politik stark. Diese öffentliche Kritik zwang China zum Umdenken und zur Lockerung der strikten Ein-Kind-Politik und der Geburtenkontrolle. Auch das jahrzehntelange Bevorzugen von Jungen rächt sich langsam, aber sicher: In China leben mittlerweile viel zu viele Männer, Frauen werden vor allem in den Grossstädten hofiert und können sich unter vielen Verehrern ihren Ehemann selbst aussuchen. Zwar wollen gerade in den grossen Städten viele Paare mittlerweile ganz freiwillig nur ein Kind, weil die Lebenshaltungskosten immer weiter steigen und sie Angst haben, mehr als ein Kind finanziell nicht gut versorgen zu können. Doch der Wahn, dass dieses Kind ein Junge sein muss, schwächt sich ab: Viele chinesische Eltern sind mittlerweile über ein Mädchen genauso glücklich, wie über einen Jungen.

Bild: Die Chinesinnen werden stolzer und fordern ihre Rechte ein

An der Vierten UN-Weltfrauenkonferenz und dem parallel dazu stattfindenden NGO-Forum im September 1995 in Peking nahmen 47’000 Teilnehmerinnen, darunter 6000 offizielle Delegierte aus 189 Ländern teil. Die Konferenz stand unter dem Motto «Handeln für Gleichberechtigung, Entwicklung und Frieden». Insbesondere das kulturell und traditionell unterschiedliche Verständnis von Frauenrechten wurde heftig und kontrovers diskutiert. Das Ergebnis der Diskussionen war ein Forderungskatalog, die so genannte Aktionsplattform, welche mithilfe von Nichtregierungsorganisationen ausgearbeitet und von 189 Staaten im Konsens verabschiedet wurde. Darin verpflichteten sich Staaten insbesondere, die Gleichstellung der Geschlechter in allen Bereichen der Gesellschaft (d. h. Politik, Wirtschaft und Gesellschaft) zu fördern, die Rechte der Frauen zu schützen, die Armut von Frauen zu bekämpfen, Gewalt gegen Frauen als Menschenrechtsverletzung zu verfolgen, und geschlechtsspezifische Unterschiede in der Gesundheitsversorgung und im Bildungssystem abzubauen. Um die Umsetzung der Aktionsplattform zu überwachen, wurde bei den Vereinten Nationen eine «Abteilung zur Förderung der Frau» eingerichtet.

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