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Civil-Rights-Kurzgeschichten «Ich weiss nicht, wie du das aushältst»

Civil-Rights-Kurzgeschichten «Ich weiss nicht, wie du das aushältst»

Ihr Leben war eine lange Improvisation – als Filmemacherin, Dichterin und Aktivistin. 1988 starb Kathleen Collins, viel zu früh. Nun sind ihre grossartigen, lange verschollenen Storys auf Deutsch erschienen.

Jahrzehntelang schlummerten die Texte, um die es hier geht, in einer Truhe – darin geborgen wie in einer Zeitkapsel. Und es dauerte bis in das Jahr 2016, ehe die Amerikanerin Nina Collins deren Inhalt endlich sichtete und die neben Tagebuchaufzeichnungen und einer Handvoll Theaterstücke darin geborgenen Storys ihrer im Jahr 1988, erst 46jährig, verstorbenen Mutter Kathleen publizierte.

Nina Collins sicherte Kathleen Collins damit posthum nicht nur einen Platz unter Amerikas bedeutendsten Kurzgeschichtenautorinnen dieser Jahre. Nein, sie fügte der literarischen Black History Amerikas damit ein überaus interessantes Versatzstück hinzu.

Zu entdecken ist in dem unter dem Titel «Nur einmal» nun auch auf deutsch vorliegenden Band eine Künstlerin, die bis zuletzt auf den unterschiedlichsten Ebenen agierte. Denn Kathleen Collins war sowohl Schriftstellerin als auch Filmemacherin, die in der Beschreibung alltäglicher Szenarien stets und wie selbstverständlich deren politische Hintergründe mitbeleuchtete, um über fragwürdig gewordene Konzepte wie Rasse, Geschlecht oder Herkunft nachzudenken.

1942 in New Jersey geboren, war Collins – künstlerisch betrachtet – ein Kind der 60er-Jahre, Ihre Geschichten wurzeln nämlich im politisch aufgeheizten Amerika der frühen Sechzigerjahre. Atmosphärisch dicht beschwören sie jene besondere Zeit, von der allem voran die Ermordung Kennedys und Lyndon B. Johnsons Abschaffung der bestehenden Rassentrennung durch den vom ihm initiierten «Civil Rights Act» im Jahr 1964 in Erinnerung bleiben werden.

Kämpferisch beschworene Traditionen

So hat jener New Yorker Sommer des Jahres 1963, in den Collins’ Stories zurückblenden, etwas von einem überhitzten Laboratorium, in dem einander abweisend gegenüber stehende chemische Elemente jeden Moment eine riesige Explosion auszulösen scheinen. Denn mit dem Kennedy-Attentat wird der Traum eines neuen und scheinbar wieder jungen, zu allem fähigen Amerikas jäh niedergestreckt.

Mittendrin: all die von Collins feinfühlig beschriebenen, in ihrer Sehnsucht nach einer besseren, offeneren US-Gesellschaft auf die Strasse getriebenen Aktivistinnen, Kämpferinnen und Studierenden, die sie ihre Anliegen jeweils in einer ganz eigenen Sprache artikulieren lässt. Das changiert zwischen ruppigen Verzweiflungsreden sich notorisch ignoriert und ausgegrenzt fühlender Schwarzer und dem zärtlichen Wispern all jener, die in jenem heissen Sommer im Schatten ihrer Kämpfe der Liebe frönen.

«Ich weiß nicht, wie du das aushältst!» sagt in dem Stück «Zerrissene Seele» einer stellvertretend für all jene, die sich – ganz gleich ob schwarz oder weiss – zur damaligen Bürgerrechts-Szene zählten und für eine bessere Zukunft stritten. «Die Apartheid frisst an unserer Würde, aber sie lässt uns wenigstens unsere Kultur. Wir haben noch unsere Wurzeln, unsere Traditionen.»

Und eben diese beschwört Kathleen Collins immer neu kämpferisch. Entsprechend hat man bei der Lektüre ihrer Storys das Gefühl, als mischte sich da seinerzeit in seiner Mehrdimensionalität der Geist James Baldwins mit dem von Toni Morrison zu einem neuen, literarisch hochinteressanten Amalgam. Und wo dereinst Alice Walkers Roman «Die Farbe Lila» 1982 die Schwärmereien junger Schwarzer für eine Volkskultur, zu der sie keine Beziehung mehr haben, thematisierte, da bieten Wurzeln und Traditionen Collins Geschöpfen im Kampf für ihre Rechte sehr wohl noch Halt.

«Das Leben erzählen»

«Mein Leben ist eine lange Improvisation, bekennt ein namenloser Ich-Erzähler gleich zu Beginn des Stücks Innen». Gleiches muss für Kathleen Collins selbst gegolten haben, die als Dozentin für Filmgeschicht am New Yorker City College lehrte, wenn sie nicht am Schreibtisch sass und Storys schrieb, oder im Schneideraum Filme sichtete (wie für ihren Spielfilm «Losing Ground», der die Ehekrise einer Philosophie-Professorin beschreibt und 1983 unter dem Titel «Auf schwankendem Grund» im deutschen Fernsehen lief) oder für die Rechte der Schwarzen kämpft (1962 warb sie in Georgia für das Wahlrecht).

Lässt man das nicht eben lange, aber offenbar bis zuletzt höchst intensive Leben dieser afroamerikanischen Dichterin Revue passieren, so tritt einem daraus eine Person entgegen, die ihre diversen Talente stets improvisatorisch in Kunst überführte.

Darin erinnern ihre Arbeiten an die ihres Landsmannes John Cassavetes. Denn ähnlich wie der Vater des amerikanischen Independent-Films, der in Arbeiten wie “Shadows” (1959) oder “Faces” (1968) bewusst auf freie Improvisationen setzte statt strikten Drehbuchvorgaben zu folgen, um – wie er das nannte -, «das Leben zu erzählen», leben auch Collins Storys von ihrer bisweilen geradezu entwaffnenden Direktheit und Spontaneität. Das vor allem verleiht ihnen ihre nach wie vor bestechende Authentizität.

Bild Kathleen Collins

«Nur einmal», Storys aus dem amerikanischen Englisch, Brigitte Jakobeit und Volker Oldenburg, Kampa Verlag,

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