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Das erste Jahr des neuen St. Galler Opernchefs: Eine Saison der starken Frauen

Das erste Jahr des neuen St. Galler Opernchefs: Eine Saison der starken Frauen

Jan Henric Bogen hat sein erstes Jahr als St. Galler Operndirektor hinter sich. Mit dem Motto «Herstory» konnte er neue Akzente setzen. Regisseurinnen und Dirigentinnen haben in der vergangenen Saison am Theater St. Gallen auch dazu beigetragen, den traditionellen Inszenierungen Neues und Frisches hinzuzufügen.

 

In Verdis «La Traviata» stellte die Regisseurin der Protagonistin ein kleines Mädchen zur Seite. Und voller Kinderwagen war die St. Galler Festspielbühne auf dem Klosterplatz zu Beginn von Verdis «Giovanna d’Arco». Bilder, die Regie führenden Männern wahrscheinlich nicht oder nicht sofort eingefallen wären. Der St. Galler Operndirektor Jan Henric Bogen hat in seiner ersten Saison stark auf Frauen gesetzt. «Frauen können festgefahrene Frauenbilder auf der Bühne aufbrechen helfen», hatte er bereits 2019 nach seiner Wahl formuliert. Sein Motto für die erste Saison, «Herstory», konnte er mit spannenden, überraschenden Inszenierungen und mit manchmal etwas anderen Zugängen zu bekannten Opern einlösen. Bogens erstes Opernjahr war überschattet von den Diskussionen um die neue Führungsstruktur des Theaters ab 2023 und von Schlagzeilen über die von ihm ausgesprochenen Kündigungen von Konzertdirektor Florian Scheiber und Tanzchef Kinsun Chan. Künstlerisch darf Bogens Startjahr aber als durchaus interessanter Auftakt wahrgenommen werden.

Mozarts Zauberflöte fest in Frauenhand

Wie misogyn ist die Oper «Breaking the Waves» der Komponistin Missy Mazzoli? Darüber konnte man zum Einstieg in die «Herstory»-Saison durchaus diskutieren. Frei von Ironie und Brechung habe die britische Regisseurin Melly Still den Stoff auf die Bühne gebracht, schrieb diese Zeitung damals über die Premiere. Fest in Frauenhand war auch Mozarts «Zauberflöte». Am Pult des Sinfonieorchesters stand die junge österreichische Dirigentin Katharina Müllner. Inszeniert hat diesen Mozart die Regisseurin Guta Rau, die sich für den Opernklassiker auch eine comichafte Erzählform erlaubt hat. Festgefahrene Frauenbilder aufbrechen helfen, diesen Wunsch von Jan Henric Bogen hat die junge Zürcher Regisseurin Nina Russi mit ihrer «Traviata»-Inszenierung erfüllt. Und ihre Chance beim Début in St. Gallen mit viel Frauenpower genutzt, um die Hauptfigur Violetta deutlich selbstbewusster und unabhängiger zu zeigen. Der sonst opernübliche Blick von Männern auf Frauen in der Oper war in dieser «Traviata» deutlich zu Gunsten der weiblichen Präsenz aufgebrochen. Frauenpower gab es auch in der (männlichen) Inszenierung von Ástor Piazzollas «María de Buenos Aires». Da machte vor allem die argentinische Dirigentin Natalia Salinas straff und selbstbewusst klar, wie Tango musikalisch packen und begeistern kann.

Neue Zugänge zur Oper sind gefragt

Eine Saison deutlich mehr und überzeugende Frauenhandschriften, das sind wichtige Schritte auf einem Pfad, weg von (jedenfalls in regionalen Operninszenierungen) oft immer noch zu verstaubten und festgefahrenen Inszenierungen. Saisonmottos wie «Herstory», die dann auch wirklich umgesetzt werden, sind nötige Schritte, einem jüngeren Publikum die Faszination Oper näherzubringen. Fantasievolle und farbige Präsenz von Dirigentinnen, Regisseurinnen und Bühnenbildnerinnen trägt dazu bei. So freute sich das Theater St. Gallen letzte Woche über fast zweihundert Besucher unter dreissig, welche die U30-Special der Festspiele für einen preiswerten Besuch von «Giovanna d’Arco» nutzten. Auch um zu sehen, wie die Regisseurin Barbora Horáková Joly in einer nichts beschönigenden Kriegsoper den Blick auf die starke weibliche Hauptfigur wirft und mehrmals erfolgreich die Verbindung zur Aktualität herstellt. Und es waren Frauen, die am Schluss dieser Oper mit hochgehaltenen persönlichen Statements zeigten, wie sie das Thema Frieden bereits im Alltag konkret umsetzen und sich so für ein friedliches Zusammenleben auch im Kleinen engagieren wollen.

 

Bild (Severin Bigler): Die Regisseurin der St. Galler «Traviata», Nina Russi.
Text: St. Galler Tagblatt

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