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Das Theater St. Gallen hat einen neuen Operndirektor / Herstory oder die Zukunft ist weiblich

Das Theater St. Gallen hat einen neuen Operndirektor / Herstory oder die Zukunft ist weiblich

Ab September 2021 läutet das Theater St. Gallen seine neue Spielzeit 2021/2022 ein. 19 neue Produktionen und eine ganze Reihe von Wiederaufnahmen stehen auf dem Plan. Das Programm in der Sparte Musiktheater trägt erstmals die Handschrift des neuen Operndirektors Jan Henric Bogen. Sein Programm beinhaltet auch die Uraufführung der Neufassung des Musicals «Lady Bess» von Michael Kunze und Sylvester Levay.

 

Jan Henric Bogen freut sich auf das St. Galler Publikum und auf den Dialog mit ihm. Eine Gelegenheit dazu könnte sich schon am 18. September ergeben. Dann hat die Oper «Breaking the Waves» der amerikanischen Komponistin Missy Mazzoli, nach dem gleichnamigen Film von Lars von Trier im Um!Bau Premiere. Es handelt sich dabei um die europäische Erstaufführung. Neben einer weiteren Rarität, der Oper «María de Buenos Aires» von Astor Piazzolla stehen die beiden Opernklassiker «Die Zauberflöte» von Wolfgang Amadeus Mozart und «La traviata» von Giuseppe Verdi auf dem Programm.

Jan Henric Bogen ist Rheinländer, genauer gesagt Rheinland-Pfälzer. Er wurde 1983 in Ludwigshafen am Rhein (Rheinland-Pfalz) geboren. Nach dem Gymnasium und einem Auslandaufenthalt in Kanada studierte er in Heidelberg und Köln Rechts- und Musikwissenschaften und bildete sich in Hamburg in Kulturmanagement aus. Ausserdem kann er auf eine mehrjährige Ausbildung in Gesang, Klavier und Viola zurückblicken.

Im Laufe seines beruflichen Werdegangs bekleidete Jan Henric Bogen verschiedene Positionen, die sowohl künstlerische als auch administrative Kompetenzen verlangten, beispielsweise Marketingreferent und Musikdramaturg am Theater Hagen oder als Künstleragent in Wien, danach als Referent des Geschäftsführers und Chefdisponent am Staatstheater Nürnberg.

Während seiner beruflichen Tätigkeit absolvierte Jan Henric Bogen Fortbildungen zum Themenkreis Kultur. Kulturmanagement und Medien. Er lehrte Bühnenrecht an der Bayrischen Theaterakademie August Everding und Management, Recht und Organisation im Studiengang Musikwissenschaften an der Universität Bayreuth. Heute unterrichtet er an der International Opera Academy Gent.

Von 2016 bis 2021 war Jan Henric Bogen stellvertretender Intendant an der Opera Vlaanderen in Antwerpen und Gent. In den Jahren 2019 und 2020 war er zudem Intendant beim Kurt Weill Fest in Dessau, einem Festival mit Ausstellungen, Vorträgen und musikalischen Darbietungen im Bereich Oper, Klassik, zeitgenössische Musik, Musical und Jazz.

Elke Baliarda von ostschweizerinnen.ch stellte dem neuen Operndirektor einige Fragen:

ostschweizerinnen: Was hat Sie dazu bewogen, nach St. Gallen zu kommen?

Jan Henric Bogen: Ich bin jemand, der Gelegenheiten beim Schopfe packt. St. Gallen hat mir eine wunderbare geboten. Schon längere Zeit habe ich das Theater St. Gallen interessiert beobachtet. Als die Stelle des Operndirektors ausgeschrieben war, habe ich mich sofort beworben. Das Haus bietet eine vielfältige Mischung in den Sparten Oper, Musical, Schauspiel, Tanz. Und natürlich sagt mir auch die wunderschöne abwechslungsreiche Gegend zu, mit Bergen, Wäldern und Wasser.

Wie ist ihr Spielzeitmotto zu verstehen?

Das gesamte Programm des Musiktheaters 2012/22 steht unter dem Motto «Herstory». Dabei handelt es sich um ein Wortspiel zum Wort «history». Wörtlich übersetzt bedeutet «Herstory» «ihre Geschichte». Es geht also um Geschichten von und mit starken Frauen. Es gibt einen riesigen Nachholbedarf in der Oper.  Im Klassischen Repertoire sind Frauen nämlich nicht die Handelnden, sondern meist nur Objekte. Die Darstellung von Frauen auf der Bühne ist auch heute noch geprägt vom männlichen Blick der Komponisten, Librettisten, Regisseure, der sich widerspiegelt in typischen Schicksalen, wie Gesten und Geschichten. Es ist mir daher ein wichtiges Anliegen, um Repertoirestücke von Frauen musikalisch und szenisch deuten zu lassen. Daneben ist es aber auch wichtig, dass wir neue und andersartige Geschichten auf die Bühne bringen. Ich beginne mit der Oper «Breaking the Waves» komponiert von der Amerikanerin Missy Mazzoli. Sie ist die erste Frau überhaupt, die – erst im Jahr 2018  – einen Kompositionsauftrag durch die New Yorker Metropolitan Opera erhalten hat. «Breaking the Waves» basiert auf dem gleichnamigen Film von Lars von Trier, der die verstörende Geschichte der Bess McNeill erzählt, die gegen alle moralischen Gesetze verstösst, nur um eine gute Ehefrau zu sein und letztlich daran zerbricht. Die britische Regisseurin Melly Still inszeniert diese packende Oper über eine so ganz untypische Heldin. Als Partner am Pult hat sie Chefdirigent Modestas Pitrenas.

An welchen anderen Stellen spielen starke Frauen noch eine Rolle in Ihrem Programm?

Ich habe mich bemüht, bei allen Produktionen mit starken Frauen zusammen zu arbeiten. Von fünf Neuproduktionen in der Oper werden vier durch Regisseurinnen inszeniert. Zwei dieser Produktionen werden von Frauen dirigiert. Aber auch inhaltlich habe ich die Teams ermutigt, Stücke wie «Die Zauberflöte» und «La traviata» aus einer Frauenperspektive zu deuten. Und da hat man – gerade bei diesen beiden Stücken – schon ein grosse Aufgabe vor sich. Im Übrigen werde ich nicht nur in dieser Spielzeit darauf achten, dass wir mehr Frauen in Leitungspositionen haben werden. Hier gibt es noch viel Arbeit, bis hoffentlich einmal das Geschlecht einer Künstler*in gar keine Rolle mehr spielt.

In welche Richtung beabsichtigen Sie in Ihrem zukünftigen Programm zu gehen, supermodern oder gemässigt?

Musiktheater ist eine ephemere Kunstform. Das bedeutet, dass es sie nur im Hier und Jetzt gibt. Ich finde, wir müssen das immer berücksichtigen, wenn wir uns mit Stücken auseinandersetzen. Dabei kann es natürlich Sinn machen. Stücke bewusst in der Zeit Ihrer Entstehung zu erzählen, oder vielleicht in einem ästhetisierten zeitlosen Raum, oder eben in der Moderne. Da gibt es nicht den einen richtigen Weg. Als Operndirektor verstehe ich mich auch nicht als Sonnenkönig, der alles festlegt. Ich arbeite mit Teams, die spannend sind und ich freue mich, wenn diese Teams mich mit ihren Ideen überraschen und überzeugen. Es wird mit mir also durchaus üppige, historisierende Kostüme geben, als auch Abstraktion und Moderne, eben ganz so, wie es die Interpretation erfordert. Was mich aber schon seit jeher fasziniert, sind Perspektivenwechsel und ungewöhnliche Blickweisen. Um kurz und bündig auf Ihre Frage zu antworten: Die Mischung macht’s!

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