• Home
  • /Bildung und Kultur
  • /Der Film «Jackie» geht unter die Haut – und besonders auch die Schauspielkunst von Natalie Portmann
Der Film «Jackie» geht unter die Haut – und besonders auch die Schauspielkunst von Natalie Portmann

Der Film «Jackie» geht unter die Haut – und besonders auch die Schauspielkunst von Natalie Portmann

Der Chilene Pablo Larrain legt kein Biopic über Jacqueline «Jackie» Kennedy, die Gattin von John F. Kennedy und Stilikone der 1960er Jahre vor, sondern beschränkt sich auf wenige Tage nach der Ermordung ihres Ehemanns. Ein kühles, faszinierendes und facettenreiches Porträt mit einer elektrisierenden Performance von Natalie Portman ist dabei entstanden.

In Grossaufnahme erfasst die Kamera, begleitet von schwerer, Unheil ankündigender Musik von Mica Levi «Jackie» Kennedy auf ihrem Weg durch den Garten ihres Landhauses in Hyannis Port, Massachusetts. Bilder, die unter die Haut gehen.

Intensiv vermittelt Natalie Portman durch ihren Gesichtsausdruck, die tiefe Trauer und gleichzeitig den Kampf um Fassung, das Unterdrücken von Tränen. Sie ist die vom Mord an ihrem Mann schwer erschütterte Gattin ebenso wie die First Lady, die Haltung bewahren muss. Vom Glamour und Glanz, den sie mit Partys und Einladungen an Künstler und andere Promis ins Weisse Haus brachte, ist aber nichts mehr zu spüren.

In ihrem Landhaus besucht sie eine Woche nach den tödlichen Schüssen vom 22. November 1963 ein namenlos bleibender Journalist (Billy Crudup) von «Life». Das Interview, das er mit der Präsidentenwitwe führt, bildet den Rahmen des Films, gleichzeitig bringt es ein weiteres Thema ins Spiel, wenn Jackie von Anfang an betont, dass sie bestimmen wird, was letztlich gedruckt wird.

Immer wieder wird so die Frage nach der Wahrheit gestellt, wird die Subjektivität der Darstellung betont, stehen der Selbstinszenierung die wahren Empfindungen gegenüber. Gross- und Nahaufnahmen, wechselnd zwischen Frontal- und Profilansichten bestimmen diese Interviewszenen, von denen Larrain mit Jackies Erinnerungen zurückblickt.

Nicht chronologisch erzählt sie, sondern vielmehr assoziativ reihen sich Szenen aneinander. Die Biographie Jackies interessiert Larrain nicht. Er beschränkt sich auf die wenigen Tage nach dem Präsidentenmord und als Gegenpol auf die nachinszenierte Fernsehaufzeichnung einer Führung der Präsidentengattin durch das Weisse Haus im Februar 1962.

Im Gegenüber dieser ganz im Stil des Schwarz-Weiss-Fernsehens dieser Zeit gehaltenen Sendung, in der der neue Schwung und die Lebensfreude, die Jackie ins Weisse Haus brachte, zum Ausdruck kommen, steht die tiefe Trauer nach dem Tod ihres Mannes. Nur kurz währte das Glück des vom Broadway-Musical «Camelot» übernommenen gleichnamigen mythischen Königshofes von König Artus im Weissen Haus. Umso grösser war darum die Fallhöhe.

So nah Larrain dabei auch an Jackie dran ist, so kühl bleibt der Film, so undurchschaubar letztlich die Protagonistin. Er macht zwar viele Facetten sichtbar, verzichtet aber weitgehend aufs Psychologisieren und versucht nicht die Präsidentengattin zu erklären.

Meisterhaft trifft er – wie schon in «No!» nicht nur in Ausstattung und Kostümen, sondern auch in Farben und filmischer Gestaltung den Stil der Zeit, lässt untrennbar nachinszenierte Szenen und Archivmaterial ineinander fliessen. Die politischen Ereignisse interessieren ihn nicht, den Fokus richtet er ganz auf Jackie, die einerseits mit noch blutverschmiertem pinkem Chanel-Kleid Zeuge wird, wie Lyndon B. Johnson wenige Stunden nach dem Kennedy-Mord in der Air Force One als Präsident vereidigt wird.

Andererseits muss sie ihrer fünfjährigen Tochter und ihrem dreijährigen Sohn beibringen, dass ihr Vater ermordet wurde, und sich um das Begräbnis kümmern. Das Private trifft so auf das Öffentliche, bei dem die Inszenierung, für die sich Jackie am Begräbnis von Lincoln orientiert, wieder eine zentrale Rolle spielt. Erst spät wird bei diesem Strom von Erinnerungen, der immer übersichtlich bleibt, auch der Mord in Dallas nachgeliefert.

Nicht nur die Musik von Mica Levi und der herbstlich-nebelverhangene Friedhof von Arlington beschwören hier bedrückende Stimmung, sondern auch die Dominanz von Grossaufnahmen vermittelt das Gefühle von Enge und Beklemmung. Bei aller Fokussierung auf dieser Stilikone der 1960er Jahre wird «Jackie» aber nie zu einem hagiographischen Film. Unnahbar bleibt die von Natalie Portman oscarreif gespielte Titelfigur und gerade dadurch schillernd und faszinierend.

Läuft derzeit im Takino Schaan und im Kino Rex in St. Gallen (englisch oder deutsch mit Untertiteln)

«Jackie» ist eine Charakterstudie einer der berühmtesten Frauen der Welt. Aber die Frau im Zentrum des Films wird nie als dreidimensionale Person gezeigt und das verhindert, dass wir Mitgefühl für Kennedys Witwe entwickeln. Am Ende des Films sind wir so ratlos wie der Journalist, der aus Jackies selbst-zensurierten Antworten eine packende Geschichte schrieb.

Hier finden Sie einen Einblick!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*