Equal Pension Day vom 31. August 2020 – 1/3 mehr Jahr als Rente für Frauen
Der 31. August 2020 markierte den Tag, an dem die Männer bereits so viel Rente erhalten haben, wie die Frauen im ganzen Jahr. Denn Frauen erhalten in der Schweiz mindestens einen Drittel weniger Rente als Männer. Der Schweizerische Gewerkschaftsbund rief deshalb den «Equal Pension Day» ins Leben, um auf diese Diskriminierung aufmerksam zu machen und den dringenden Handlungsbedarf aufzuzeigen.
Der Gender-Pension-Gap zeigt die ungleiche Verteilung der Erwerbschancen von gestern. Denn Frauen unterbrechen häufiger ihre Erwerbstätigkeit und arbeiten mehr Teilzeit, beides in erster Linie aus familiären Gründen um die Haus- und Familienarbeit übernehmen zu können. Auch der Lohnunterschied zwischen Frauen und Männern trägt zu den grossen Geschlechterdifferenzen bei den Rentenleistungen bei. Die Arbeit vieler Frauen führt heute deshalb zu unwürdig tiefen Renten.
Zwar können sich die Frauen auf die AHV verlassen. Denn nach dem ersten Frauenstreik 1991 sind die für Frauen entscheidenden Betreuungs – und Erziehungsgutschriften sowie das Rentensplitting eingeführt worden. Sie verringern den Lohn- und Rentenrückstand der Frauen und führen dazu, dass die AHV-Renten von Frauen und Männern ungefähr gleich hoch sind. Doch die AHV-Rente beträgt heute maximal 2370 Franken pro Monat. Anders als es die Verfassung seit fast 50 Jahren anordnet, kann in der Schweiz niemand im Alter seinen Lebensbedarf alleine mit der AHV decken.
Die berufliche Vorsorge dient Frauen – und ganz besonders jener Generation Frauen, die in den nächsten Jahren in Rente geht – kaum als Ergänzung. Denn noch immer erhält ein Drittel der Frauen keine Rente aus der 2. Säule. Sofern eine Pensionskassenrente vorhanden ist, ist die mittlere PK-Rente von Frauen nur etwa halb so hoch wie diejenige der Männer. Die Hälfte der Frauen, die 2018 pensioniert wurden, erhält eine PK-Rente unter 1165 Franken pro Monat In typischen Frauenbranchen sind PK-Renten zwischen 500 und 800 Franken pro Monat üblich.
Die drohende Altersarmut für Frauen
Es ist deshalb eine traurige Realität, dass fast 11 Prozent aller Frauen direkt beim Renteneintritt Ergänzungsleistungen beantragen müssen, um über die Runden zu kommen. Obwohl sie sich um Kinder und Angehörige kümmern, daneben erwerbstätig sind und unter einer weit höheren Unterbeschäftigung leiden als Männer – und im Rentenalter den Herkulesteil der Betreuung ihrer Grosskinder übernehmen. Gemäss neuester BfS-Publikation zur Kinderbetreuung wurden 2018 ein Drittel aller Kinder unter 13 Jahren durch die Grosseltern betreut – sie stehen damit an vorderster Stelle bei den Betreuungslösungen und leisten dabei jährlich 160 Mio. Stunden unbezahlte Arbeit.
2019 bezogen insgesamt über 140‘000 Frauen Ergänzungsleistungen zur AHV – bei den Männern sind es halb so viele. Besonders betroffen sind geschiedene und verwitwete Frauen. Vor einem Jahr forderte über eine halbe Million Frauen die Wende, insbesondere auch in Rentenfragen. Letzten Oktober wurde dann die Frauenwahl gefeiert. Die anstehende Reform der Altersvorsorge wird nun zur ersten Bewährungsprobe, ob das Bundesparlament den Ansprüchen der Frauen gerecht wird. Denn in wenigen Tagen wird das Parlament die Verhandlungen zu AHV 21 aufnehmen.
Der Bundesrat schlägt dem Parlament in der Vorlage die Erhöhung des Frauenrentenalters auf 65 Jahre vor. Damit die Frauen diese bittere Pille schlucken, soll diese Massnahme für jene Frauen, die bei Inkrafttreten der Reform kurz vor der Pensionierung stehen, mit zwei Ausgleichsmassnahmen «abgefedert» werden. Diese Kompensationsmassnahmen wirken aber nur für Frauen der Jahrgänge 1959 bis 1967 und bis ins Jahr 2031. Allein während dieser Zeit spart die AHV-Kasse insgesamt rund 10 Milliarden Franken durch die längere Arbeitszeit der Frauen.
Bestrebungen zur Erhöhung des Frauenrentenalters scheiterten bisher
Die Übergangsgeneration soll dafür mit schätzungsweise 3.25 Milliarden Franken kompensiert werden. Somit betragen die Kompensationsmassnahmen für die Übergangsgeneration bis 2031 rund 32 % der Einsparungen in dieser Zeit. Für die jüngeren Generationen von Frauen sind keine Kompensationsmassnahmen oder andere gesetzliche Verbesserungen vorgesehen. Die Einsparungen für die AHV bleiben aber natürlich auch danach bestehen. Bereits 5 Jahre später (2036) verlieren die Frauen weitere 7 Milliarden an Rentenleistungen.
Der Bundesrat scheint dabei zu vergessen, dass die Erhöhung des Frauenrentenalters an der Urne bisher nur ein einziges Mal erfolgreich war: in der 10. AHV-Revision (1997). Sie wurde mit grossen Kompensations- und Gleichstellungsmassnahmen begleitet, welche letztlich zur Gleichberechtigung in der 1. Säule führten. Alle weiteren Versuche, das Rentenalter der Frauen zu erhöhen, scheiterten. Ein Vergleich mit vergangenen Revisionsbemühungen zeigt ausserdem, dass die neue Vorlage des Bundesrates extrem knauserig ist bei der Entschädigung der Frauen für das höhere Rentenalter.
Nicht nur im historischen Vergleich schneidet die Vorlage mit Blick auf die Frauen schlecht ab. Auch den am direktesten betroffenen Frauen der Übergangsgeneration drohen spürbare Verschlechterungen. Diese Verschlechterungen betreffen zwei Punkte.
Flexibilisierung des Renteneintritts als versteckte Rentenkürzung
Erstens sieht die Vorlage bei einem AHV-Vorbezug eine neue Art der Rentenberechnung vor. Dabei sollen, anders als heute, neu die Einkommen zwischen der vorzeitigen Pensionierung und dem Erreichen des Referenzalters berücksichtigt werden. Die vorgeschlagene Änderung der Rentenberechnung kann für Personen, die nach der vorzeitigen Pensionierung kein Erwerbseinkommen mehr haben, zu deutlichen Rentenkürzungen führen. Für Personen die sich drei Jahre vorzeitig pensionieren lassen, bedeutet die Anpassung monatlich bis zu 70 Franken tiefere Renten. Personen mit höheren AHV-Renten sind von der Rentenkürzung stärker betroffen, aber auch Personen mit tiefen AHV-Renten bekämen monatlich knapp 30 Franken weniger aus der AHV, verglichen mit der heutigen Gesetzeslage und den vorgesehenen, versicherungsmathematisch korrekten Kürzungssätzen.
Durchschnittlich wären die Renten rund 2.6% bzw. ca. 46 Franken/Monat tiefer. Diese unter dem Deckmantel der Flexibilisierung versteckte Verschlechterung trifft insbesondere die Frauen der Übergangsgeneration. Beispielsweise hat eine Frau, die heute 62 ist, sich wie geplant mit 64 pensionieren lässt und ein tiefes Einkommen hat, dadurch eine bis zu 30 Franken tiefere AHV-Rente pro Monat. Obwohl die Botschaft des Bundesrats suggeriert, dass für diese Frauen dank Kompensationsmassnahme ein Rentenbezug mit 64 ohne Verlust möglich sei.
Verbesserte Rentenformel für Frauen der Übergangsgeneration, die bis 65 arbeiten
Wenn dieselbe Frau bis 65 weiterarbeitet, soll sie gemäss Vorlage von einer besseren Rentenformel profitieren. Doch auch hier zeigt ein Vergleich mit den Renten der Frauen, die unter dem heutigen AHV-Gesetz bis 65 arbeiten – beispielsweise, um sich so die AHV-Rente aufzubessern – dass sie trotz Anpassung der Rentenformel häufig mit weniger Rente als noch heute gedacht rechnen muss. Gemäss heutigem Gesetz wird die Altersrente von Frauen die bis 65 arbeiten, um 5.2 Prozent erhöht. Mit AHV 21 fällt dieser Aufschub weg und folglich sinken die Renten für alle Frauen, die bis 65 erwerbstätig bleiben, um diesen Prozentsatz. Die Frauen der Übergangsgeneration, die von den Gesetzesänderungen am direktesten betroffen wären, haben trotz der zu ihren Gunsten angepassten Rentenformel teilweise tiefere Renten.
Gemäss Berechnungen des SGB würden nur jene Frauen der Übergangsgeneration, die ein massgebendes durchschnittliches Einkommen (MDE) von jährlich rund 28’500 Franken bis 58’500 Franken aufweisen, im Vergleich zur heutigen Situation durch die Weiterarbeit eine höhere Rente erhalten als heute. Diese Einkommensklassen erhielten eine Rentenerhöhung von maximal 3.5 Prozent, respektive 68 Franken pro Monat. Es stellt sich aber die Frage, ob Frauen in diesen Einkommenskategorien nicht sowieso auf Ergänzungsleistungen angewiesen sein werden. Alle anderen Einkommensklassen der Übergangsgeneration müssten mit tieferen Renten durchkommen. Für Frauen mit tiefen Einkommen wären es bis zu 62 Franken weniger und jene mit höheren bis zu 123 Franken weniger für dasselbe Rentenalter 65.
Dass bürgerliche Politiker mit ihrem Vorschlag die bundesrätliche Vorlage noch unterbieten und den Frauen allenfalls ein paar Almosen verteilen wollen, ist aus Sicht des Gewerkschaftsbunds respektlos und ein gleichstellungspolitisches Armutszeugnis. Die Gewerkschaften werden der AHV-Abbauallianz entgegentreten und keine Verschlechterungen der heute bereits schlechten Rentensituation der Frauen zulassen. Doch das alleine reicht nicht. Es braucht dringend Massnahmen, um die Rentensituation der Frauen zu verbessern. Dazu braucht es neben der Gleichstellung im Erwerbssleben entschiedene Schritte in der Rentenreform. Der SGB setzt sich deshalb für eine Stärkung der AHV mit einer 13. AHV-Rente sowie eine Modernisierung des BVG mit dem Sozialpartnerkompromiss ein.