Europarat rügt Schweiz wegen Frauenflüchtlingen
Im eben veröffentlichten Bericht des Europarats rügt der Europaratskommissar für Menschenrechte Nils Muižnieks die Schweiz für ihren Umgang mit asylsuchenden Frauen und Frauen mit einem befristeten Aufenthaltsrecht. TERRE DES FEMMES Schweiz sieht ihre eigne Kritik bestätigt.
Der Europaratskommissar für Menschenrechte Nils Muižnieks kommt in seinem Bericht zum Schluss, dass die Schweiz in Bezug auf asylsuchende Frauen und Frauen mit einem befristeten Aufenthalt ungenügend unterstützt und schützt, insbesondere, wenn die Frauen von geschlechtsspezifischer Gewalt betroffen sind. Wie auch der UNO-Menschenrechtsrat, kritisiert der Europaratskommissar, dass Frauen, die von häuslicher Gewalt betroffen sind, aufgrund des aktuellen Ausländerrechts die Behörden nach wie vor von einer ‚gewissen Intensität‘ und ‚Systematik‘ der Gewalt überzeugen müssen, um eine Aufenthaltsgenehmigung unabhängig von ihrem tätlichen Ehemann zu erwirken. Die Frau ist damit der Willkür der Migrationsbehörden ausgeliefert und riskiert ihren Aufenthaltsstatus, wenn sie sich vom Täter trennt.
Geschlechtersensible Asylverfahren und Unterbringung gefordert
Weiter kritisiert Muižnieks, dass asylsuchende Frauen in Bezug auf frauenspezifische Fluchtgründe von unzureichend geschultem Personal und unter zeitlichem Druck befragt werden (siehe dazu auch der Bericht «Frauen im Asylverfahren», TERRE DES FEMMES Schweiz, 2011). Dies bewirkt, dass die Behörden die frauenspezifischen Aspekte eines Asylgesuches nicht erkennen und es den Frauen zusätzlich erschwert wird, ihre Fluchtgründe vorzubringen.Was TERRE DES FEMMES Schweiz bereits 2014 in ihrem «Bericht zur Lage asylsuchender Frauen in Kollektivunterkünften» aufzeigte, wirft auch Muižnieks der Schweiz vor: Asylsuchende Frauen werden nicht bedürfnisgerecht untergebracht. So fehlt es mancherorts an geschlechtergetrennten sanitären Anlagen oder an Rückzugsmöglichkeiten. Weiter ist nicht überall der Zugang zu Verhütungsmitteln gewährleistet.Besorgt ist Muižnieks ebenfalls darüber, dass schwangere Frauen verhaftet, in Ausschaffungshaft gesetzt und zwangsweise ausgeschafft werden. Er betont die Wichtigkeit, frauenspezifische Bedürfnisse bei allen Entscheidungen und Massnahmen im Bereich von Asyl und Migration miteinzubeziehen. TERRE DES FEMMES Schweiz sieht sich durch den Bericht des Europarates in ihren Forderungen auf ganzer Linie bestätigt: Es braucht neben geschlechtersensiblen Asylverfahren frauenspezifische Unterbringung sowie adäquate Unterstützung von geflüchteten Frauen, insbesondere wenn sie traumatisiert sind.
Anknüpfungspunkte sind gegeben
Jetzt ist es am Bund wie auch den Kantonen, die Defizite zu beheben. Eine erste Gelegenheit bietet sich bereits bei der Umsetzung des revidierten Asylgesetzes, deren Verordnung aktuell in der Vernehmlassung ist. Grundlage dafür kann der Bericht des Bundes zur «Analyse der Situation von Frauenflüchtlingen» sein, welcher in Auftrag gegeben wurde. Ein weiterer wichtiger Schritt ist die Implementierung der Istanbul-Konvention zur Verhütung und Bekämpfung von geschlechtsspezifischer Gewalt und häuslicher Gewalt. Die Verpflichtungen der Konvention zu Unterstützung und Schutz gilt es vollumfänglich und ebenfalls zugunsten von gewaltbetroffenen Frauenflüchtlingen und Migrantinnen umzusetzen.
Bild Emma: Frauenflüchtlinge sind meist Opfer von Gewalt und übergriffen.