
Feminismus für alle!
Im Ostschweizer Kulturmagazin Saiten vom März 2015 habe ich einen Text von Gastautor Christof Moser entdeckt. Er schreibt, was auch ich denke und woran ich zusammen mit vielen Frauen und Frauenorganisationen arbeite. Mit dem Einverständnis des Autors und des Magazins Saiten veröffentliche ich hier mit bestem Dank den Text.
“Ich frage mich, warum es der Feminismus heutzutage so schwer hat. Hier zwei Erklärungen:
Hyperindividualität
Eines der Probleme ist unsere Hyperindividualität, dieses allgegenwärtige «Ich interessiere mich nur für mich». Das Gesamtgefüge wird vergessen. Mir scheint, es liegt daran, dass wir als postideologische Generation Mühe haben, uns zu einer Ideologie zu bekennen. Daraus resultiert eine gewisse Sprachlosigkeit. Beim Feminismus ist diese besonders folgenreich, da sich eine gewisse Verhärtung in der politischen Diskussion einstellt: Wer sich zu Wort meldet, muss damit rechnen, platt gemacht zu werden. Viele lassen darum die Finger davon, egal ob Mann oder Frau.
Das zweite Problem liegt im eigenen Lager
Jung wettert gegen Alt, Frauen gegen Frauen und nicht etwa Frauen gegen Männer und umgekehrt. Viele haben Angst, eigene Positionen einzunehmen, diese zu hinterfragen und weiterzuentwickeln.
Gigantischer Backlash im Gang
Doch machen wir uns nichts vor: Derzeit ist ein gigantischer Backlash im Gang. In Europa haben wir keine gleichberechtigte Gesellschaft hinbekommen, und rundherum ist es noch viel dramatischer: Fundamentalisten unterdrücken Frauen im Namen der Religion, in der Türkei sagt Erdogan, dass Gleichberechtigung «unnatürlich» sei, und aus Russland kommt eine Staatsdoktrin, die alles, was von der Norm abweicht, als krank deklariert und verfolgt.
Wie verhalten gegenüber der Welt?
Für mich ist entscheidende Frage, wie wir uns der Welt gegenüber verhalten wollen, diesem männergeprägten System aus Politik, Wirtschaft und Medien. Ich stelle fest, dass sich vor allem Frauen bewusst davon abwenden, sich dem Guten im Kleinen zuwenden und das auch feministisch oder zumindest mit betont weiblichen Argumenten begründen: Das System ist krank und tut uns nicht gut.
Feminismus wird untergraben
Dieser Ansatz ist lobenswert, untergräbt aber den Feminismus, da er gerade in der heutigen Zeit auch im grossen Ganzen, in der gesellschaftlichen Auseinandersetzung präsent sein sollte und sich ganz grundsätzlich für eine bessere Welt einsetzen sollte.”
Christof Moser, 1979, ist freier Journalist unter anderem bei der «Schweiz am Sonntag» und Redaktionsleiter von
infosperber.ch.
www.saiten.ch
Zu diesem Thema ganz aktuell das Buch von
Anne Wizorek (33)
“Weil ein #AUFSCHREI nicht reicht – Für einen Feminismus von heute”