Frauen fordern Sicherheit – und endlich Frieden in der Ukraine
Im Osten der Ukraine herrscht seit 2014 Krieg; 2022 weitete Russland seinen Angriffskrieg auf weitere Teile des Landes aus. Bereits im Sommer 2021 lancierte man ein Pilotprogramm mit Frauen in konfliktbetroffenen Gemeinden in der Ostukraine, die seit Jahren von grassierender Armut, sozialer Unsicherheit und geschlechtsspezifischer Gewalt betroffen sind. Das Ukraine-Programm gab ihnen den nötigen Raum, um gemeinsam Strategien für einen sicheren Alltag und eine gleichberechtigte Teilhabe an der Friedensförderung zu erarbeiteten. Mit ihnen wird die Friedensarbeit auch während des Krieges weitergeführt.
Der Friedensprozess in der Ukraine war über Jahre immer wieder ins Stocken geraten. Die Stimmen von lokalen Frauen und Frauenorganisationen wurden auch vor dem 24. Februar 2022 kaum gehört. An den 12 FrauenFriedensTischen (FFTs), die wir 2021 mit der ukrainischen Projektpartnerin KRF Public Alternative in Gemeinden nahe der damaligen Kontaktlinie zwischen der Ukraine und den autonomen Volksrepubliken Donezk und Luhansk durchgeführt haben, standen die Themen im Vordergrund, die den Frauen in ihrem Alltag wichtig sind und die zu ihrer Sicherheit beitragen. Diese Themen bildeten auch den Kern des Ukraine-Pilotprogramms, das gleichzeitig Geschlechterstereotypen und einer kriegsbezogenen Maskulinität entgegenwirken sollte.
Nach Beginn des russischen Angriffskriegs standen die dringenden humanitären Bedürfnisse der Frauen im Vordergrund, die an den FFTs teilgenommen hatten. In enger Zusammenarbeit mit Public Alternative wurde ein Nothilfefonds geschaffen, insbesondere für Frauen, die aus unterschiedlichen Gründen die umkämpften Gebiete nicht verlassen konnten. Mit Geldern aus dem Fonds wurden Dinge des Alltags gekauft und von einem Netzwerk von freiwilligen Helfer:innen verteilt: Nahrungsmittel, medizinische Dienstleistungen und Medikamente, Decken, Brennstoff, SIM-Karten etc.
Die Friedensarbeit geht weiter
Der Krieg verunmöglichte den geplanten Beginn eines mehrjährigen Programms. Doch die Arbeit daran und die Friedensarbeit gehen trotz Krieg weiter. Gemeinsam mit Partnerinnen in der Schweiz und im Ausland wurden Anlässe organisiert, an denen sich Mitglieder von Women’s Initiatives for Peace in Donbas(s) (WIPD) in der Schweiz treffen konnten. WIPD ist eine Plattform von mehr als 50 Frauen aus Russland, der Ukraine und Deutschland, die 2015, im Zuge der russischen Annektierung der Krim, gegründet wurde. Gemeinsam suchen sie nach Wegen zum Frieden.
Aufbauend auf den Erfahrungen des Pilotprojektes 2021 und basierend auf feministischem Friedensverständnis, wurde das Länderprogramm Ukraine weiterentwickelt. Mit der Women’s Platform for Peace (WPP) knüpft man am Pilotprojekt an und baut auf den bisher geteilten Erfahrungen und Aktivitäten auf. Im Vordergrund stehen weiterhin die Themen, welche für die Frauen von zentraler Bedeutung sind: Erfahrungen mit Gewalt, wirtschaftliche Ausgrenzung, fehlende Arbeitsplätze, mangelnde Umschulungs- oder Weiterbildungsmöglichkeiten. Nun geht es darum, das in denen kleineren Projekten Erwirkte weiterzuentwickeln. Die WPP bietet den Frauen einen sicheren Raum für diese Arbeit. Im Herbst 2022 fanden erstmals virtuelle WPP-Workshops mit Dutzenden von Frauen statt.
Die Workshops werden während des Krieges weitergeführt. Die Frauen entscheiden, in welchen Bereichen sie sich neues Wissen aneignen wollen und wo sie selbst Wissen vermitteln können. Sobald es die Sicherheitslage erlaubt, werden die Treffen physisch stattfinden – und die Gespräche über tatsächliche Sicherheit und die Rolle der Frauen in der Friedensförderung weitergeführt.