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Fünf lesenswerte Bücher über weibliche Lebenswelten – Teil 2

Fünf lesenswerte Bücher über weibliche Lebenswelten – Teil 2

Frauen, Mütter, Töchter und feministische Anliegen – diese Themen durchziehen die zeitgenössische Literatur wie ein roter Faden. Auch Fragen zu Gendergerechtigkeit, Frauenmedizin, Generationen, Sichtbarkeit und den vielfältigen Lebenswelten von Frauen sind heute lebendiger und präsenter denn je. Katrin Schumacher, Literaturredakteurin bei MDR KULTUR, empfiehlt fünf feministische Sachbücher und Belletristik, die tief in das Leben von Frauen eintauchen.

 

Eva Biringer: Unversehrt. Frauen und Schmerz

Ausgehend vom Mental Load und der Care-Arbeit ihrer Grossmutter nähert sich Eva Biringer dem weiblichen Schmerz: als unklares Empfinden, als monatliche Tortur, als Gewalterfahrung unter der Geburt, Auslöser von Polypharmazie und vielem mehr. Sie seziert die weibliche Strategie des “Schluckens und Schweigens”, fragt danach, wie sich ein spezifisch weiblicher Schmerz äußert und verschafft dem gender-pain-gap einen recherchierten Raum.

Ja, das ist ein wütendes Buch, dessen Affekt ihm nicht nur guttut. Trotzdem leistet dieses Buch von Eva Biringer (ihr zweites nach “Unabhängig: Vom Trinken und Loslassen”, das von ihrer Alkoholsucht ausgehend ein ähnlich brisantes Thema anfasst) einen längst fälligen Beitrag zur Sichtbarkeit der weiblichen Seite des Schmerzes – sowie dem Paradox der systematischen Instrumentalisierung und der Negierung durch das Patriarchat.

Alles in allem eine beeindruckende Naturkunde eines Zustands, dem eine oft verkannte Prämisse zugrunde liegt: Schmerz ist kein Empfinden, sondern eine Sinneswahrnehmung.

Unversehrt. Frauen und Schmerz

von Eva Biringer
Verlagsgruppe HarperCollins, Oktober 2024
256 Seiten, 20 Euro
ISBN: 978-3-365-00798-3

 

Franziska Schutzbach: Revolution der Verbundenheit

Dass Sisterhood trägt, ist keine neue Idee. Dass sie gesellschaftsverändernd wirkt, auch nicht. Aber es lohnt doch immer wieder zu betonen – und dies in so unaufgeregter Form, wie es die Autorin macht. Franziska Schutzbach erzählt aus der Geschichte, nimmt sich überzeugend einer Archäologie der Frauenfreundschaften an und verquickt sie mit eigenem Erleben, Gedanken über die Mutter, feministischen Theorien und Zukunftsentwürfen. Dabei dekliniert sie nicht eine These in mehreren Kapiteln durch, sondern spielt mit der Form: Sie schreibt Briefe an Frauen, mit denen sie selbst verbunden ist, zieht alle Schutzheiligen des postmodernen Feminismus hinzu – von Irigaray bis Cixous und Verena Stefan – und plädiert dafür, (Diskussions-)Räume zu besetzen.

Wie solche Räume jenseits des Internets geschaffen werden können, macht sie selbst vor, indem sie ein traditionelles Medium nutzt und dieses Buch schreibt. Und indem sie zeigt, wie es geht: diplomatisch und ruhig, argumentativ und en passant – es werden zum Beispiel im ganzen Buch nur weibliche Stimmen zitiert.

Revolution der Verbundenheit: Wie weibliche Solidarität die Gesellschaft verändert
von Franziska Schutzbach
Droemer HC, Oktober 2024
320 Seiten, 24 Euro
ISBN: 978-3-426-27904-5

 

Katharina Bendixen: Eine zeitgemässe Form der Liebe. Parentale Prosa

Und noch ein wenig ungewöhnliche Belletristik: In ihren teils kurzen, teils auch mal zehn Seiten langen Geschichten leuchtet Katharina Bendixen in den Gefühlshaushalt von Müttern kleinerer Kinder, von alten Müttern und Vätern – und das mit allen Mitteln der Literatur: Surreale Wendungen (die Mutter stellt etwa die Kinder vorm Supermarkt ab und sie sind verschwunden, die Mutter geht seelenruhig nach Hause und vergisst, dass da in ihrem Leben Kinder waren), Verknüpfungen von Geschichten durch Erzählerinnenwechsel, Ritornelle, Hausaufgabenblätter, Kindergartenberichte, Chatverläufe, Politikerrede und Thriller. All diese Erzählmöglichkeiten und Textsorten knüpft die Autorin zu einem hinreißenden Buch.

Man mag ein abgegriffenes Wort wie Kaleidoskop benutzen, das hier allerdings zum genauesten wird: Immer wieder ruckeln sich Steinchen zu einem neuen Bild, das sich aber sofort wieder verschieben kann – durch einen Autounfall, einen aggressiven Hund, ein renitentes Kind auf einem Barhocker.

Katharina Bendixen weiß, was sie tut. Sie ist Autorin zwischen den Altern (Kinderbuch, Jugendbuch, Erwachsenenlektüre) und engagiert im Verbund “other writers need to concentrate”, der sich für die Sichtbarkeit der Probleme schreibender Eltern einsetzt. Aber halt, dies ist kein Agenda-Buch! Dies sind teils elegante, teils verblüffende, immer trittsichere Texte, die von Gegenwart, Liebe und Weiblichkeit erzählen.

Eine zeitgemässe Form der Liebe. Parentale Prosa
von Katharina Bendixen
Edition Nautilus, März 2025
184 Seiten, 22 Euro
ISBN:978-3-96054-382-4

Quelle: MDR Kultur

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