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Halide Edip Adivar – eine Galionsfigur für Frieden, Frauen- und Menschenrechte

Beschäftigt man sich mit Frauenrechten in der Türkei, taucht bald der Name von Halide Edip Adivar auf. Sie war die Galionsfigur des Feminismus in diesem Land. Die Schriftstellerin kämpfte besonders mit Publikationen und öffentlichen Reden für Menschen- und Frauenrechte. Halide Edip Adivar war auch eine Kämpferin gegen die Besatzung, wirkte als Professorin, Übersetzerin und Politikerin.

Cornelia Forrer

Halide Edip stammte aus einer angesehenen Istanbuler Familie, die zum Umfeld des Hofes des Sultans gehörte. Ihr Vater war Erster Sekretär der kaiserlichen Privatschatulle, die früh verlorene Mutter war Tochter einer Kaffeemacherdynastie. Erzogen wurde Halide darum von ihrer Grossmutter und der Halbschwester Mahmure. Von den Dienstmädchen in die traditionelle Lebensweise einer muslimischen, türkischen Frau eingeführt, lernte sie von einem Imam lesen und schreiben. Der Vater schickte das kluge Mädchen mit elf Jahren an das American College for Girls, wo es Englisch lernte und sich auch in die Bibel einlas, ganz zum Schrecken der Familie.

Halide Edip bekam bald Privatunterricht bei einer englischen Hauslehrerin und verschiedenen türkischen Gelehrten . Sie schloss ihr Studium 1901 ab und heiratete im gleichen Jahr Salih Zeki, dem sie zwei Söhne gebar. Als eine der ersten türkischen Frauen, wurde sie Lehrerin und bildete auch Lehrkräfte aus. Ihre Reden an öffentlichen Kundgebungen waren für konservative Muslime eine Provokation. 1908 wurde sie Schriftstellerin und mahnte zu Bildungs- und Sozialreformen. Aus Angst um ihr Leben flüchtete sie während der Revolution nach Ägypten und dann nach Grossbritannien, kehrte aber wieder in die Türkei zurück, im Rucksack hatte sie ihr Buch «Seviyye ṭālib» dabei, eine Novelle, in der sie die Konstitutionelle Revolution, die Modernisierung der Frauen und die Gegenrevolution beschrieb.

Im Lehrerinnen-Ausbildungscollege reformierte Halide Edip den Ausbildungsplan und die Verwaltung. Nach der Heirat ihres Ehemannes einer Zweitfrau, liess sich die moderne Frau scheiden und verliess sofort die gemeinsame Wohnung. In den folgenden Jahren wirkte sie als Autorin mehrerer Romane, wurde im nationalistischen Verein aktiv und umgab sich mit bekannten Persönlichkeiten jener Zeit. Einer davon übersetzte ihren Roman «Yeni Turan» ins Deutsche. Er wurde unter dem Titel «Das neue Turan – ein türkisches Frauenschicksal» veröffentlicht. Halide Edip war während der Ersten Weltkriegs-Jahre Prototyp einer emanzipierten türkischen Frau und wurde im Westen als «bewährte Führerin der türkischen Frauenwelt» beschrieben.

Halide Edip kritisierte öffentlich die türkischen Machthaber, mit denen sie auch privaten Umgang pflegte. Sie stellte sich gegen die Deportation der Armenier und deren «Völkermord», bei dem auch 12‘000 armenische Kinder und Waisen zwangstürkisiert wurden. Ihre Eindrücke verwertete sie in Novellen und Romanen. Halide Edip lehnte die Zwangsislamisierung ab, liess ich aber trotzdem überreden, die Leitung eines Waisenhauses im heute libanesichen Ayntura zu übernehmen. Durch diese Aufgabe, war es ihr möglich, das Leid der Kinder zu lindern und nötige Reformen durchzubringen. Ihre Inspektionsberichte gab sie in Istanbul ab und kehrte nach Syrien zurück, wo sie Schulen verwaltete.

1917 heiratete Halide Edip den Wissenschaftler Adnan Adivar. Nach Beendigung des Krieges im März 1918 begannen die Widerstandskriege der Armenier gegen die türkische Herrschaft. Halide Edip hielt bei der grossen Demonstration im Mai 1919 eine bewegende Rede, an jener Stelle, exakt an der heute noch eine Büste an sie erinnert. Bald deportierten die Briten 55 Intellektuelle. Halide Edip vertrat die Meinung, ein bewaffneter Widerstandskampf sei unnötig, denn die Siegermächte würden die Türkei nicht aufteilen wollen. Ihr Antrag an den Herrscher Mustafa Kemal Pascha wurde aber abgelehnt. Dennoch kämpfte die mutige Frau weiter für die Rechte des Volkes, doch leider erfolglos. Halide Edip verliess mit ihrem Ehemann die Hauptstadt, um ihrer Festnahme seitens der Briten und der Deportation zu entgehen.

Gemeinsam schloss sich das Ehepaar Adivar der Armee des Generals Kemal Paschas an und half mit, die Fluchtrouten von Istanbul nach Ankara zu organisieren. Halide Edip begann schliesslich im Hauptquartier zu arbeiten und verfolgte die ausländische Presse, übersetzte englische und französische Nachrichten und schrieb für das Organ der Nationalbewegung. Sie gehörte bald zu den wichtigsten Führungspersonen der Bewegung in Ankara und wurde von der Sultansregierung in Istanbul mit sechs weiteren Führungskräften zum Tod verurteilt.

Halide Edip schreckte dies allerdings nicht ab. Vielmehr begann sie nun die Mobilisierung der Frauen in Ankara mit der Reorganisation des Roten Halbmonds in Angriff zu nehmen. Im Juli 1921 war sie als Krankenschwester beim Roten Halbmond tätig und arbeitete später an der Westfront im Hauptquartier, wo sie zum Korporal (Onbasi) ernannt wurde. Ihr neuer Name Halide Onbasi wurde nun zum Symbol für alle Frauen, die sich am Befreiungskrieg beteiligten. Bei der Schlacht von Dumlupinar im August 1922 kämpfte sie an der Front. Die griechische Armee zog sich nach der Niederlage am 30. August zurück, verbrannte dabei Städte und richtete Massaker an der Zivilbevölkerung an.

Halide Edip, nun ein Sergeant Major, führte nachfolgend mit einer Gruppe Journalisten eine Untersuchung der von griechischen Truppen angerichteten Schäden von Iszmir bis Bursa durch und schrieb den Bericht dazu. Der Waffenstillstand von Mudanya besiegelte den Triumph der Nationalbewegung. Das osmanische Sultanat wurde abgeschafft und Halide Edip kehrte mit ihrem Mann nach Ankara zurück. Nach der Gründung der Republik als zukünftige Staatsform wurde Mustafa Kemal Pascha erster Ministerpräsident und entpuppte sich bald als kompromissloser Führer, sodass eine Kluft zwischen den früheren Verbündeten entstand. Halide Edip und ihr Ehemann gründeten darum die erste Oppositionspartei der Republik, die bald verboten wurde, sodass Halide Edip  die Türkei noch vor dem versuchten Attentat auf Mustafa Kemal verliess.

Ihr Ehemann wurde in Abwesenheit verurteilt und Halide Edip zog nach Grossbritannien, wo sie ihr Erinnerungswerk «Memoirs of Halidé Edib» und weitere Novellen, die in türkischen Tageszeitungen erschienen, verfasste. Ihr Mann arbeitete als Türkisch-Dozent in Paris, sodass sie mit Unterbrüchen ebenfalls dort lebte. In den USA hielt sie Vorlesungen an verschiedenen amerikanischen Universitäten, unter anderem an der Columbia University. Persönlich eingeladen, besuchte sie 1935 Mahatma Gandhi in Indien und lehrte an der Universität in Delhi die politische und kulturelle Geschichte der Türkei und ihre aktuellen Probleme.

Die Novelle «The Clown and his daughter», die sie in Paris schrieb, übersetzte sie später ins Türkische. Als Halide Edip Adivar – sie hatte nun den Namen ihres Mannes angenommen – kehrte sie in die Türkei zurück, vier Monate nach Atatürks Tod, dessen Einstellungen sie weiterhin unversöhnlich gegenüberstand. In der Türkei wurde das Ehepaar als Veteranen der Revolutionen von 1908 und 1923 hoch dekoriert. Adnan Adivar wurde rehabilitiert und Halide Edip Adivar wurde Professorin für Englische Literatur und Vorsitzende der neu gegründeten Englisch-Fakultät an der Universität Istanbul. Innert zehn Jahren übersetzte sie  Shakespeare. Bei den türkischen Wahlen im Mai 1950 zog sie als unabhängige Kandidatin ins Parlament für Izmir ein. Vier Jahre später zog sie sich von der Politik zurück. Ihr Mann verstarb 1955. Halide Edip Adivar folgte ihm am 9. Januar 1964 im Alter von 80 Jahren nach.

Halide Edip Adivar ist die Galionsfigur des Feminismus in der Türkei. Keine Frau hat die türkische Geschichte auch nur ähnlich geprägt. Mit unermüdlichem Mut kämpfte die kluge Frau für Menschenrechte, wirkte als Politikerin, Journalistin, Schriftstellerin und setze sich auch als Krankenschwester und Leiterin armenischer Schulen für die Rechte der Menschen  in ihrer Heimat ein. 

War ihrer Zeit weit voraus und erkämpfte sich, den Frauen und Verfolgten die Rechte: Halide Edip Adivar.

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