Jacinda Ardern: Jung, modern und prinzipienfest
Die neuseeländische Premierministerin galt bei ihrer ersten Wahl vielen als Anti-Trump. In ihrer ersten Amtszeit hat sie das bestätigt. Krisen bewältigte sie mit Empathie und Entschlossenheit. Dafür haben sie die Wähler nun belohnt.
Als Jacinda Ardern vor drei Jahren ins Amt der Premierministerin Neuseelands katapultiert wurde, erschien sie vielen als das Gegenstück zu Donald Trump auf der anderen Seite der Erdkugel: jung, weiblich, ehrlich und mit starken Prinzipien und Werten, die sie für die Bewältigung grosser Zukunftsthemen wie Klimawandel, Digitalisierung und soziale Ungleichheit prädestinierten. Sie glänzte damals so, dass Ardern es sogar auf die Titelseiten der Modemagazine schaffte. Sie war nach der Pakistanerin Benazir Bhutto die zweite Regierungschefin weltweit, die während ihrer Amtszeit ein Kind zur Welt brachte, und die erste, die dafür offiziell eine Auszeit nahm.
Später in Arderns erster Amtszeit blickte die Welt wegen eines schrecklichen Ereignisses auf Neuseeland: Das Attentat auf zwei Moscheen in Christchurch im März 2019 mit 51 Toten erschütterte das Land zutiefst, das sich lange Zeit als weit weg von den Übeln dieser Welt wähnte. Und wieder reagierte Ardern auf ihre ganz eigene Weise. Sie demonstrierte nicht Stärke, sondern zeigte Mitgefühl. Dem rechtsextremen Attentäter verweigerte sie das Rampenlicht, in dem sie kein einziges Mal seinen Namen aussprach.
Dann kam das Corona-Virus, und Jacinda Ardern tat wieder etwas, das wie das Gegenteil der Reaktion Trumps aussah. Sie nahm die Bedrohung von Beginn an ernst, hörte auf den Rat der Fachleute, machte frühzeitig die Grenzen dicht und verhängte einen der schärfsten Lockdowns weltweit. Die wirtschaftlichen Folgen waren eklatant. Aber es gelang sogar zwei Mal in Folge, die Zahl der lokalen Neuinfektionen auf null zu drücken. Für diese Entschlusskraft haben die Neuseeländer sie nun mit überwältigender Mehrheit mit einer zweiten Amtszeit belohnt.
Ausser einem Job in einem Fischimbiss hatte die 40 Jahre alte Ardern nie einen anderen Beruf als Politik. Ihr starkes Wertesystem liegt auch in ihrer Herkunft als Tochter eines früheren Polizisten begründet, der im ländlichen Neuseeland für Fairness einstand. Von der durchaus prägenden Religion ihrer Eltern, die Mormonen sind, sagte sie sich aber los, weil sie nicht mit deren Haltung gegenüber Homosexuellen einverstanden war.
Schon mit 17 Jahren wurde sie Labour-Mitglied, arbeitete für die frühere neuseeländische Premierministerin Helen Clark und den für den früheren britischen Premier Tony Blair. In den vergangenen drei Jahren ist bei ihren sozialdemokratischen Kernthemen Kinderarmut, Wohnungsnot und Umweltschutz allerdings nicht viel passiert. Arderns Koalitionspartner hatte sie zu schweren Kompromissen gezwungen. Obwohl sie nach der Wahl nun allein regieren kann, will sie nach eigenem Bekunden Premierministerin für alle Neuseeländer sein: Viele hätten für sie gestimmt, die früher nicht sozialdemokratisch gewählt hatten.