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Julie von May von Rueds Forderung nach Gleichstellung – mit Ausnahme der politischen Rechte

Julie von May von Rueds Forderung nach Gleichstellung – mit Ausnahme der politischen Rechte

Julie von May von Rued war eine der ersten Frauenrechtlerinnen der Schweiz. Schon im Jahr 1871 forderte sie vom Bundesrat die Gleichstellung in rechtlichen Belangen. In Schöftland, in der Nähe ihres Lebensbereiches, wird sie zurzeit als Freilichttheater-Heldin geehrt.

Es ist der Gemeinnützige Frauenverein Schöftland, der im Jahr 2016 den 111. Geburtstag feiert. Deshalb will man auch Frauen gedenken, die wegweisende Ideen verkörpern. Julie von May von Rued bietet sich dafür deshalb schon an, weil sie im Ruedertal und im Ort Schöftland selbst lebte. Unter Frauenrechtlerinnen ist die streitbare Lady natürlich bekannt. Sie spielte als eine der einzigen Frauen eine wichtige Rolle in der Geschichte des Kantons zu jener Zeit – oder besser gesagt, sie liess sich von Männern nicht beirren und verfolgte lautstark und dennoch klug ihren Weg.

Ein Stück, das von der Persönlichkeit lebt

In 11 Aufführungen mit rund 300 Gästen pro Austragung lebt Julie von May von Rued wieder auf. Die letzten Vorstellungen sind am Freitag, 9. September und Samstag, 10. September, geplant. Die Kulisse des Schauspiels ist perfekt, hat man doch dafür den Schlosshof von Schöftland auserkoren. Das Theaterstück wurde diesem Raum zugeschrieben und unter professioneller Regie mit Profi- und Laienschauspieler/innen realisiert.

“Herzblut und begeisterte Mitwirkende”, suchte Regisseurin Antonia Riz vor einem Jahr. Diese hat sie gefunden. Es fanden sich auch Sponsoren, welche die rund 140’000 budgetierten Ausgaben übernahmen. Damit wurde das Leben von Julie von May von Rued für alle Interessierten bezahlbar gemacht. Die Hauptrolle wird von Profischauspielerin Anouk Plattner gespielt. Sie stellt Julie im Alter von 30 bis 65 Jahren dar.

Peter Weingartner ist Autor des Stücks. Er brachte die Bilder der Zeit zwischen 1835 und 1870 zu Papier. Das Umfeld, in dem Julie von May von Rued im Ruedertal lebte, war arm. Doch trotzdem wird im Stück auch viel gelacht, denn Julie verstand es ebenfalls bestens, gute Stimmung zu verbreiten. Nebst der adeligen Julie, trifft man im Stück auch auf Schelme, Tratschweiber und kleine Diebereien.

Mit über 60 in den Gleichstellungskampf

Julie heiratete ihren Cousin, Friedrich Amadeus Sigmund von May von Rued und hatte mit ihm die einzige Tochter Esther, die 1840 geboren wurde. Diese schrieb später eine Biographie über Julies Mann, der keinerlei Rücksicht auf seine Frau genommen habe, obwohl sie ihm als Sekretärin seiner eigenen theologischen und juristischen Essays stets zu Diensten war.

Mehr als 60 Jahre alt, stiess Julie von May von Rued zur Association International des Femmes AIF und wurde bald zur wichtigsten Persönlichkeit, neben Marie Goegg-Pouchoulin. An der Generalversammlung im März 1870 machte sie sich in ihrem Vortrag für die zivilrechtliche Gleichstellung der Frauen stark: “Nous considérons l’admission de la femme au niveau de l’homme devant la loi comme l’une des plus essentielles et des plus urgentes”, verkündigte sie.

1872 veröffentlichte die Bernerin eine Broschüre mit dem Titel “Die Frauenfrage in der Schweiz zur Bundesrevision am 12. Mai 1872”, welches im Vereinsorgan der AIF erschien. Sie berief sich darin auf den Gleichheitsartikel der Bundesverfassung “Alle Schweizer sind vor dem Gesetze gleich. Es gibt in der Schweiz keine Untertanenverhältnisse, keine Vorrechte des Orts, der Geburt, der Familien oder Personen” (BV 1848. Art. 4). Julie von May von Rued appellierte an den Stolz der Schweiz als Wiege der Demokratie. Frauen würden hier behandelt als unmündigstes Kind, seien aber in Pflichten, wie Steuerrecht, Strafrecht etc. den Männern gleichgestellt. Julie von May von Rued sah im “Elend der sozialen Stellung” den Frauen die Hände gebunden, für sich selber zu sorgen.

Der Zeit um Jahrhunderte voraus

Julie von May von Rued stellte einen Katalog an Forderungen auf, der mit Ausnahme der politischen Gleichstellung (“dass wir keine politischen Rechte verlangen, solange wir unsere Abhülfe von der Gerechtigkeit der Männer gewärtigen können”), sämtliche Punkte enthielt, für welche die Frauen bis im Jahr 1981 kämpften: Gleicher Lohn, gleiche Besteuerung, gleiche Ausbildung, Gleichstellung im Ehe- und Scheidungsrecht.

Julie von May war sich bewusst, dass die gesetzgebenden Männer erst reagieren würden, wenn massiver Druck von Seiten der Frauen entstünde, was wiederum nicht möglich war, solange Frauen wegen schlechterer Bildung nicht selbst für ihre Rechte eintraten. Sie schlug darum die Bildung von Frauen in verschiedenen Städten vor, verlangte Rechts- und Staatskundeunterricht an den Mädchenschulen – und die Zusammenfassung der Frauenvereine in einem gesamtschweizerischen Dachverband, der bei der Bundesgesetzgebung mit grösserem Gewicht intervenieren könnte.

Die pragmatischen Forderungen von Julie von May von Rued entsprachen – im Gegensatz zu den Maximalforderungen der Mitstreiterin Goegg-Poucholins – den realen Möglichkeiten jener Zeit. Die Forderung nach mehr Autonomie für die Frauen widersprach nämlich auch dem dualistischen Geschlechterbild nicht.

Julie von May (von Rued) (1808 – 1875) wurde als Julie von May von Belletruche geboren. Sie war Vorsitzende der Solidarité, mit dem Hauptanliegen der Rechtsgleichheit der Schweizerinnen.

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