Komm mit nach Varasdin oder ins Theater St. Gallen – Gräfin Mariza erwartet Sie
Es ist 40 Jahre her seit die “Gräfin Mariza”, eine Operette von Emmerich Kalman, zum letzten Mal im Theater St. Gallen aufgeführt wurde. Nun ist die temperamentvolle Gräfin wieder zu Gast. Eine amouröse Verstrickungsgeschichte, umrahmt von schmissigen Csardasklängen und zärtlicher Wiener Walzermusik. Eine Produktion, so ganz nach dem Geschmack des Publikums, ein Aufheller in einer trüben Zeit. Stefan Huber führt das Publikum mit seiner fantasiereichen, mitreissenden Inszenierung in das Land der ungarischen Operette.
Die Operette (ital. kleine Oper) ist genauso ein anerkanntes Bühnenwerk wie ihre grosse Schwester, die Oper. Die Bezeichnung Operette kennt man seit dem 17. Jahrhundert. Ab dem 19. Jahrhundert ist sie eher mit einer leichteren, eingängigen Musik und einer heiteren oder sentimentalen Handlung verbunden und mit gesprochenen Dialogen zwischen den Musiknummern. “Unter der Regie des Schweizer Musical- und Unterhaltungsspezialisten Stefan Huber tritt eine ganze Riege von wunderbaren Sängerinnen und Sängern sowie Comedians an, um die jahrzehntedicke Patina wegzuspielen und den frivol überdrehten Charme dieses Stückes in opulenter Ausstattung zum Genuss werden zu lassen”, meint Operdirektor Peter Heilker.
Die Mariza-Melodien sind eingängig, ja regelrechte Ohrwürmer. Das Varasdin, das da besungen wird, liegt zwar in Kroatien, doch damals gehörte es noch zur Donau-Monarchie. Das Sinfonieorchester St. Gallen unter der beschwingten Leitung von Stéphan Fromageot spielte dermassen mitreisend, dass das Publikum den Takt ganz leise per Fuss mit schlug. Stephan Prattes hat ein funktionelles, drehbares Bühnenbild ohne grosse Schnörkel geschaffen, das durch die eindrucksvollen Lichteffekte von Pia Virolainen noch besser ins richtige Licht gerückt wurde. Heike Seidler hat die Kostüme entworfen, die sich harmonisch ins Geschehen einfügen. Eine Kleinigkeit wäre aber doch zu bemerken. Das weinrote Kostüm, das die Gräfin am Anfang trug, wirkte von den oberen Plätzen des Theaters nicht besonders dekorativ.
Zu einer Operette gehört neben Musik, Gesang und Schauspiel auch der Tanz. Von letzterem gab es eine ganze Reihe. Der Choreograf Danny Costellio hat dabei seinen Einfallreichtum spielen lassen. Fulminante Auftritte der Tanzkompanie, von akrobatischen Schweinchen, ungarischen Tänzen, bis zum Wiener Walzer und noch mehr, das Publikum war begeistert. Auch die Auftritte des Chors, Einstudierung Michael Vogel, fanden ebenfalls grossen Anklang.
Die Titelpartie gab die international gefragte Siphiwe Mckenzie, souverän und wunderbar wandlungsfähig. Tobias Born als Graf Tassilo hatte das Publikum ebenso auf seiner Seite wie seine Schwester Lisa, dargestellt von Simone Riksman mit ihrer glockenreinen Stimme und ihren humorvollen Dialogen, die sie mit dem Schweinezüchter Baron Koloman Zsupan aus Varasdin in der Person von Riccardo Botta führte. Botta, seines Zeichens Italiener, ist die Rolle des Barons so quasi auf den Leib geschrieben. Gesanglich wie schauspielerisch wunderbar, grosse Klasse. Walter Andreas Müller, kurz WAM, als Fürst Moritz Dragomir Populescu, ist auch in St. Gallen Publikumsliebling, herrlich in der Rolle des Pseudo-Weiberhelden, der nicht müde wird, der Gräfin den Hof zu machen. Christopf Marti, in Person der Fürstin Bozena Cuddenstein zu Chiumetz hat gesanglich wie darstellerisch einen hervorragenden Eindruck hinterlassen. Und nicht zuletzt gibt es noch fünf weitere Darsteller:: Max Gertsh, Theresa Holzhauser, Christian Hettkamp, Christian Joita und Wolfgang Auer, deren Auftritte ebenfalls gewürdigt werden müssen.
Das Fazit: Ein Besuch bei der Gräfin Mariza lohnt sich, ein leicht beschwingter vergnüglicher Abend ist angesagt, an dem die Alltagssorgen ein wenig in den Hintergrund treten.
Hauptbild: Siphiwe McKenzie (Gräfin Mariza) und Tobias Bonn (Graf Tassilo) | (c) Theater St.Gallen, Andreas J. Etter
Wenn plötzlich der Bräutigam auftaucht, den man nur erdichtet hat, um sich lästige Verehrer vom Leib zu halten, dann wird sogar die Gräfin Mariza verlegen. Zum Glück hat der Herr bald ein Auge auf Lisa geworfen, so dass sich die Gräfin ihrem charmanten Verwalter zuwenden kann, der niemand anderes ist als der verarmte Graf Tassilo. Dieser tragisch gefärbte biographische Hintergrund, der massgeblich zur Vertracktheit der amourösen Verlockungen beiträgt, ist für eine Operette einzigartig und gibt dem Werk eine unerwartete Tiefgründigkeit. Emmerich Kalman hat sich damit aber nicht der Oper angenähert, sondern auf geniale Weise die leidenschaftliche Seite der Handlung verstärkt. Musikalisch von einem ungarisch-zigeunerischen Klangmilieu umrahmt, bereichert Kalman die Szenerie in realistischer Manier durch Wiener-Walzer-Klänge sowie Tanzrhythmen aus Übersee. Dass im allerletzten Moment ausgerechnet eine reiche Tante erscheint und zu einer erquickenden Wendung verhilft, ist typisch Operette – zu schön um wahr zu sein.
Operetten von Emmerich Kalman sind wieder sehr im Kommen. Erst kürzlich hat die Semper Oper in Dresden die konzertante Aufführung der Csardasfürstin gebracht, in den Hauptpartien Anna Netrbko und Juan Diege Florez.