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Kommt bald schon die Wehrpflicht für die Frau? Ein Interview.

Kommt bald schon die Wehrpflicht für die Frau? Ein Interview.

Die Armee soll aus den Besten auswählen können – und dazu zählen laut Brigadier Denis Froidevaux auch Frauen. Zukünftig sollen Soldatinnen mindestens 30 Prozent der Truppe stellen. Doch wie stellt sich der Brigadier dies vor? Und warum sollen Frauen ebenfalls die Wehrpflicht erfüllen, während der Bestand ständig heruntergedrückt wird?

Herr Froidevaux, Sie propagieren das norwegische Modell einer Wehrpflicht für Frauen auch in der Schweiz. Warum?

Eine Studiengruppe aus Bund, Kantonen und Verbänden will noch in diesem Jahr aufzeigen, wie es mit der Wehrpflicht weitergehen soll. In diesem Zusammenhang stellt sich unter anderem die Frage, auf wen wir die Wehrpflicht überhaupt anwenden wollen. Denkbar wäre, sie auf Ausländer auszuweiten, was jedoch aus politischen und rechtlichen Gründen schwierig ist. Oder eben auf die Schweizer Frauen. In diesem grösseren Kontext ist das norwegische Modell interessant. Die Frauen haben in den letzten Jahren in Sachen Gleichberechtigung Terrain gutgemacht. Deshalb sollten sie auch dieselben Pflichten haben wie die Männer.

Ihre Forderung steht angesichts eines geplanten Abbaus der Armee auf maximal 100’000 Personen ziemlich quer in der Landschaft.

Die Armee soll die besten Personen für sich beanspruchen können, die anderen leisten ihren Dienst im Zivilschutz und zahlen eine Militärersatzsteuer. Unser grösstes Problem in zehn, zwanzig Jahren wird es sein, die Qualität der Kader sicherzustellen. Je grösser die Auswahl ist, umso einfacher wird diese Aufgabe zu bewältigen sein. Eine Wehrpflicht für Frauen weitet den Pool stark aus.

In der Wirtschaft werden oft die Vorteile von gemischten Teams mit Frauen und Männern betont – was wären die Vorteile für die Armee, wenn sie mehr Offizierinnen hätte?

Wer nicht einsieht, dass Frauen auch der Armee einen Mehrwert bringen können, lebt auf dem Mars.

Was können denn Frauen besser als Männer?

In den Einheiten, in denen heute schon Frauen Dienst leisten, herrscht eine ganz andere, positive Dynamik. Ich bin überzeugt, dass die Effizienz höher ist – und dieser Effekt würde sich noch verstärken, wenn mehr Frauen Dienst leisten würden.

Können Frauen jeden Job in der Armee machen – oder gibt es physische Grenzen?

Es ist klar, dass es solche Grenzen gibt. Aber es sind die Frauen, die gebären – sie wissen also, wie man Schmerzen erträgt. Und was die psychische Widerstandskraft betrifft, sind sie sowieso auf Augenhöhe mit den Männern. In immer mehr ausländischen Armeen sind Frauen deshalb auch in den Spezialeinheiten vertreten. In den Atom-U-Booten der französischen Armee gibt es Offizierinnen.

Die Armee ist sozusagen von Natur eine machistische Organisation, in der die Männlichkeit zelebriert wird. Haben Frauen da nicht einen schweren Stand?

Das ist ein veraltetes Bild. Die Milizarmee von heute kann Frauen problemlos integrieren. Im Gegensatz zu einer Berufsarmee hat sie den Vorteil, dass sie aus Menschen besteht, die in ihrem zivilen Leben die Frauen bereits als voll gleichberechtigt erleben. Das trifft im Speziellen auf die Offiziere zu. Ich sehe nicht, warum sich diese im Militär anders verhalten sollten als im Berufsleben.

Welchen Frauenanteil in der Armee halten Sie für wünschenswert?

Wenn eine Organisation von den Vorteilen einer Durchmischung der Geschlechter profitieren will, sollte der Frauenanteil nicht weniger als 30 Prozent betragen.

Sehen Sie Frauen eher in einem Durchdiener- oder in einem WK-Modell? Bei einem WK-Modell ergibt sich das Problem, dass Frauen irgendwann Mütter werden.

Das kann man sich noch überlegen. Aber die Frauen kriegen statistisch gesehen viel später Kinder als in der Vergangenheit, im Schnitt mit fast 30 Jahren. Den Armeedienst kann man heute bis 27 hinter sich bringen. Aber natürlich muss man auch Lösungen finden für jene Frauen, die schon vorher Kinder haben.

Was heisst das konkret? Will die Armee einen Kinderhütedienst einrichten?

(lacht). Nein, bestimmt nicht. Bei Polizeikorps gibt es zwar Kinderhorte für Mütter, die in 24-Stunden-Einsätzen stehen. Aber das wäre für die Armee nicht praktikabel.

Die wenigsten Frauen haben wohl Lust auf militärischen Drill, sondern würden eher eine Art Zivildienst leisten wollen – und die Armee könnte auch nicht alle aufnehmen. Läuft Ihre Forderung also faktisch auf eine allgemeine Dienstpflicht hinaus?

Nein. Laut dem ETH-Bericht Sicherheit 2014 stehen mehr als 80 Prozent der Bevölkerung hinter der Milizarmee. Ich glaube deshalb nicht, dass das Volk bereit wäre für eine Verfassungsänderung, die eine allgemeine Dienstpflicht vorsähe. Der Zivildienst muss deshalb wieder zu dem werden, was er einst war: Ein Ersatzdienst für die wenigen, die aus Gewissensgründen keinen Militärdienst leisten wollen. Es gibt heute viel zu viele Junge, die aus reiner Bequemlichkeit Zivildienst machen.

Da ergibt sich aber ein Widerspruch: Wenn Sie den Pool der Wehrpflichtigen mit den Frauen erweitern, gleichzeitig aber die Armee kleiner wird, landen zwangläufig mehr Personen im Zivildienst – und das nicht nur aus Gewissensgründen.

Diese Diskrepanz muss man in Kauf nehmen, wenn wir das Ziel haben, die besten Leute für unsere Sicherheitsinstrumente gewinnen zu können. Zudem wird nicht nur die Armee, sondern mit dem Zivilschutz auch das zweite wichtige sicherheitspolitische Instrument der Schweiz von Wehrpflichtigen alimentiert.

Wenn die Anzahl Zivildienstleistender anstiege, könnte es schwierig werden, alle mit einer sinnvollen Aufgabe zu betrauen. Wäre es eine Möglichkeit, die Dauer des Zivildienstes auf das Niveau des Militärdienstes zu senken?

Nein, auf keinen Fall. Der Zivildienst muss weiterhin mindestens eineinhalbmal so lange dauern wie der Militärdienst. Ich würde sogar noch einen Schritt weiter gehen: Wer während oder nach der Rekrutenschule die Armee verlässt, um Zivildienst zu leisten, dem sollte die RS nicht mehr angerechnet werden. Ich kann Ihnen garantieren, so gäbe es viele weniger Kandidaten für den Zivildienst.

Frauen leisten heute mehr Freiwilligenarbeit als Männer – etwa indem sie sich um kranke Angehörige kümmern. Wäre es nicht ungerecht, wenn sie zusätzlich auch noch Militärdienst leisten müssten?

Die Wehrpflicht ist eben nicht freiwillig, sondern eine Pflicht. Sie kann deshalb auch nicht mit der Freiwilligenarbeit, die ein wichtiger Pfeiler der Schweizer Gesellschaft ist, aufgerechnet werden.

Warum nicht? Es geht doch um die Grundsatzfrage, was der einzelne Bürger für die Gemeinschaft leistet, egal in welchem Bereich.

In unserem Milizsystem sorgt der wehrpflichtige Bürger als Soldat oder Zivilschützer eigenhändig für die Sicherheit seines Staates. Auf der anderen Seite engagiert sich eben dieser Bürger aber auch freiwillig und ehrenamtlich in der Politik, in der Feuerwehr, im Kirchenrat im Sozialwesen oder im Kulturbereich. Diese Vielfalt und Vielschichtigkeit ist der grosse Trumpf der Schweiz, den es zu bewahren und zu pflegen gilt.

Interview zVg NZZ, Bild zVg Schweizer Armee

2 thoughts on “Kommt bald schon die Wehrpflicht für die Frau? Ein Interview.

  1. Mit Verlaub: Angehörige zu pflegen zählt nicht zur “Freiwilligenarbeit”, welche in unserer Gesellschaft nur 7% der geleisteten Abeit ausmacht, sondern zur Care-Arbeit, welche in ihrem Ausmass und Umfang die bezahlte Arbeit bei Weitem übersteigt, jedoch im BIP nicht einmal erfasst wird. Unter diesen Umständen eine Wehrpflicht für Frauen zu fordern ist unsinnig!


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