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Lektionen in Feminismus und nigerianischer Geschichte: Chimamanda Ngozi Adichie *1977, Schriftstellerin

Lektionen in Feminismus und nigerianischer Geschichte: Chimamanda Ngozi Adichie *1977, Schriftstellerin

Im November 2020 wählte die Jury des renommierten Women’s Prize of Fiction das Buch «Die Hälfte der Sonne» von Chimamanda Ngozi Adichie zum besten Roman in der 25-jährigen Geschichte des britischen Literaturpreises. Darin erzählt die nigerianische Autorin Biafvon den Bestrebungen der Igbo im Süden Nigerias, Ende der 1960er Jahre die unabhängige Republik Biafra zu errichten. Dies führte zum verheerenden Nigeria-Biafra-Krieg.

Die Bilder der hungernden Biafra-Kinder prägen bis heute unser Afrikabild. Es ist ein verzerrtes Afrikabild voller Stereotype und Klischees, das fast nur negative Seiten zeigt. Dem setzt Chimamanda Ngozi Adichie ein differenziertes, feministisch geprägtes und weltoffenes Afrikabild entgegen. Durch die Geschichte ihrer Romanfiguren erzählt sie von Klasse, Geschlecht, Rasse, Kolonialismus und Zugehörigkeit.

«Ich wollte eine starke politische Aussage darüber machen, wer die Geschichten über Afrika schreiben sollte», sagt Adichie über ihren Roman. Auch die Romane «Blauer Hibiskus» (2003) und «Americanah» (2013) befassen sich mit der zeitgenössischen nigerianischen Kultur, ihren politischen Turbulenzen und der nigerianischen Sicht auf die westliche Welt. Sie erzählt von den verschiedenen Kulturen ihres Landes, von persönlichen Geschichten, von Sprachen und Ethnien, von Zukunftsvorstellungen.

«Geschichten sind wichtig. Viele Geschichten sind wichtig. Geschichten wurden benutzt, um zu enteignen und zu verleumden, aber Geschichten können auch zur Stärkung und Vermenschlichung genutzt werden. Geschichten können die Würde eines Volkes brechen, aber Geschichten können diese gebrochene Würde auch reparieren.» (Chimamanda Ngozi Adichie)

 

Chimamanda Ngozi Adichie wurde 1977 im nigerianischen Enugu in eine gebildete Igbo-Familie der Mittelklasse hineingeboren. Weibliche Selbstbestimmung kannte sie schon früh, war doch ihre Mutter die erste weibliche Standesbeamtin an der Universität von Nigeria. Ihr Vater war dort Professor für Statistik. Als fünftes von sechs Kindern lebte sie eine – so beschreibt sie es selbst –«sehr glückliche Kindheit, voller Lachen und Liebe, in einer sehr eng verbundenen Familie».

Von Nigeria in die USA

Der Weg zur Schriftstellerin und feministischen Aktivistin führte zunächst über ein zweijähriges Medizinstudium an der Universität von Nigeria. Als sie allerdings erkannte, dass sie Schriftstellerin werden wollte, entschloss sie sich, ihren Ambitionen nachzugehen und ging in die USA, um Kommunikations- und Politikwissenschaften in Princeton und Yale zu studieren. Erst hier wurde sie sich rassistischer Verallgemeinerungen so richtig bewusst:

«Als ich Nigeria verliess, wurde mir viel bewusster, dass ich Nigerianerin bin und was das bedeutet. Es machte mir auch das Konzept der ‘Rasse’ bewusst, weil ich mich selbst nicht als Schwarze betrachtete, bis ich Nigeria verliess.» (Chimamanda Ngozi Adichie)

 

In Amerika traf sie auf ein einseitiges Afrikabild, das lediglich von Katastrophen, Armut, Hunger, Machtlosigkeit und Machtmissbrauch geprägt war. Dem setzt sie seither ein differenziertes, buntes, feministisch geprägtes und weltoffenes Bild entgegen.

Bedeutend und ausgezeichnet

Chimamanda Ngozi Adichie ist auf vielen Ebenen eine bedeutende Frau. Als sie 2018 Michelle Obama in London zu deren Autobiographie «Becoming» interviewt, sagt die ehemalige US-amerikanische First Lady zum stürmisch applaudierenden Saal: «Ich bin ganz schön aufgeregt, ich bin ein Fan dieser Frau, mit der ich auf der Bühne sitze.» (BBC mit Michelle Obama, Becoming, London 2018.)

Chimamanda Ngozi Adichie ist auch eine vielfach ausgezeichnete Frau. 2017 wurde sie in die American Academy of Arts and Sciences und als auswärtiges Ehrenmitglied in die American Academy of Arts and Letters gewählt. Sie hat mehrere Ehrendoktortitel erworben, etwa von der John Hopkins University, von der Universität Edinburgh oder der Universität Freiburg.

Eine starke feministische Stimme Afrikas

Chimamanda Ngozi Adichie ist eine starke Stimme Afrikas. Eine starke feministische Stimme Afrikas. Berühmt wurde die nigerianische Autorin nicht nur mit ihren TED Talks und Romanen. Sie hat auch einen äusserst lesenswerten feministischen Erziehungsratgeber geschrieben: «Liebe Ijeawele. Wie unsere Töchter selbstbestimmte Frauen werden» (Fischer TB, Frankfurt 2017). Es ist ein Brief, formuliert an ihre schwangere Freundin. Darin formuliert Adichie klar und verständlich die fünfzehn wichtigsten Fragen des Feminismus’.

«Wir lehren Mädchen, sich selbst zu verkleinern, sich selbst kleiner zu machen. Wir sagen den Mädchen: ‚Ihr könnt Ehrgeiz haben, aber nicht zu viel. Du solltest danach streben, erfolgreich zu sein, aber nicht zu erfolgreich, sonst würdest du den Mann bedrohen‘.» Chimamanda Ngozi Adichie (Dear Ijeawele, or A Feminist Manifesto in Fifteen Suggestions. 2017)

 

Chimamanda Ngozi Adichie spricht sich für eine «Partei voller verschiedener Feminismen» aus. Und als Schriftstellerin leistet sie ihren Beitrag, indem sie Geschichten starker Frauen aus Afrika erzählt. Und das ist wichtig, weil Feminismus mehr sein muss als eine Bewegung weisser Frauen. Es ist wichtig, Europas koloniale Vergangenheit zu reflektieren, die spezifischen Probleme und Stimmen afrikanischer Frauen zu kennen und zu beachten, sich die Mehrfachdiskriminierung vor Augen zu führen, der Frauen ausgesetzt sich, die nicht weiss, nicht reich, nicht privilegiert sind.

Ganz im Sinne des Popstars Beyoncé, die für ihren Track ***Flawless folgenden Satz von Adichie sampelt: «Feminist: A person who believes in the social, political and economic equality of the sexes [Feminist*in: eine Person, die an die politische, soziale und wirtschaftliche Gleichheit der Geschlechter glaubt]» bringt sie auf den Punkt, worum letztlich es in allen Feminismen geht: um eine gerechtere Welt für alle.

Text: Stefania Pitscheider Soraperra, Bild: Frauenmuseum Hittisau

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