
Lernen wir aus der Krise, wieder menschlicher zu werden
Menschenleere Städte, «unpersönliche» menschliche Kontakte und leere Regale im Lebensmittelgeschäft… Das Coronavirus sagt uns momentan, wo es lang geht. Doch nebst allem Ermüdenden, allem Leidvollen sind auch immer wieder Zeichen von Hoffnung und Freude zu sehen.
Es ist wunderbar, wie sich die Menschen plötzlich umeinander kümmern. Es bieten sich bisher Unbekannte Nachbarschaftshilfe an. Im Alltag ist das Händereichen nicht mehr erlaubt und man hält Abstand, doch winkt man sich von einiger Entfernung fröhlich zu. «Nöchschts Mol nimm ich dich denn in Arm», sagt eine alte Dame, es sei eigentlich komisch, dass es ein Kontaktverbot brauche, um sich am Ende näher zu kommen, fügt sie an.
Die Schulen sind leer, doch die Spielplätze sind mit kleineren Gruppierungen von Kindern sehr belebt. Und überall ist Kinderlachen zu vernehmen, während die Jüngsten sich austoben, denn die Betrete-Verbotstafeln vom Sportplatz gehören nun auch der Geschichte an.
Kinder werden abwechslungsweise in kleinen Gruppen fremdbetreut, während die Eltern, die noch arbeiten können, bei der Arbeit sind. Und während des Home-Offices haben auch Eltern hin und wieder Zeit, dem Nachwuchs eine Geschichte zu erzählen oder mit ihm fernzusehen. Das Programm wurde ja auch schon längst auf das neue Publikum abgestimmt. In Bibliotheken können Bücher vorbestellt und problemlos an der Pforte abgeholt werden. Und Bäckereien, Blumengeschäfte und Boutiquen bieten Online-Services an.
Wer die Tageszeitungen liest, der findet grossenteils Meldungen über das Coronavirus. Immer noch ist das Interesse daran gross. Doch man organisiert sich, findet sich mit den Gegebenheiten vorderhand ab, selbst wenn die Zukunftsängste uns nicht ganz in Ruhe lassen können. Wie lange wohl sind wir noch so blockiert? Und wird meine Firma die Lage längerfristig meistern?
Mir wurde gestern von einem jungen Mann eine bezaubernde Geschichte erzählt: Vom Rheintal Richtung Rorschach fahrend, ist ihm eine junge Frau direkt vors Auto gerannt. Sie bat ihn, sie doch bitte nach St. Gallen hoch zu fahren. In einer halben Stunde habe sie dort einen wichtigen Termin. Sie habe länger in der Schweiz im medizinischen Bereich gearbeitet, sei dann entlassen worden und deshalb halt nach Deutschland zurückgereist. Jetzt habe ihr vorheriger Chef sie wieder anstellen wollen und sie habe glücklich zugesagt.
Doch die Grenzen sind zu und es gab, trotz allem Bitten, keine Chance, in die Schweiz einzureisen. Über die grüne Grenzen schaffte die junge Fussgängerin es schliesslich doch. Nur die Zeit wurde halt dabei knapp. Der junge Mann fuhr sie und sie kam rechtzeitig zu ihrem Vorstellungsgespräch und wurde letztlich angestellt. In ein paar Tagen wird die neue Arbeit aufgenommen. «Weisch, ich bin extra de gross Umweg gfahre, han denkt, do z helfe, das ich eifach mini Pflicht», erzählte mir der junge Mann.
Meine Moral von der Geschichte: Unterstützen wir uns, wo wir nur können! Kommen wir uns menschlich näher und lassen wir auch nicht einen Menschen irgendwo im Regen stehen! Ergreifen wir Chancen, entschleunigen wir und sehen wir das Virus als unseren Freund! Es wäre nämlich schade, wenn wir aus solch einer Ausnahmesituation nicht gestärkt und menschlicher hervorgehen könnten.
Bild: Ich brauche mal ein Herz, kannst du mir deines schicken? (Facebook-Gruppe)