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Mercia Andrews kämpft gegen das «Land Grabbing» in Südafrika

Mercia Andrews kämpft gegen das «Land Grabbing» in Südafrika

Weltweit bringen wirtschaftliche und poli­tische Eliten mehrere Millionen Hektaren Land unter ihre Kontrolle, um dieses als Anlageobjekt oder für gewinnbringende Grossprojekte zu nutzen. Häufig entzün­den sich dabei Konflikte um Landnutzungs­rechte. So auch in Südafrika. Eine Aktivis­tin, die sich in einer Partnerorganisation von Fastenopfer engagiert, erzählt.

Was wir hier erleben, ist eigentlich bereits die zweite Welle von Land Grabbing», sagt Mercia Andrews. Die Südafrikanerin setzt sich bei RWA, der Rural Women Assembly ein – einer Organisation, mit der auch Fastenopfer zusammenarbeitet. Dort koordiniert sie verschiedene Kampagnen zu Landrechten von Kleinbäuerinnen, Landlosen und Landarbeiterinnen. Sie ist eine der Expertinnen, wenn es um die Landrechte von Kleinbäuerinnen und -bauern geht. Im Gespräch mit ihr wird deutlich, wie viele unterschiedliche Ausprägungen Land Grabbing haben kann. Doch was hat es damit auf sich? Und weshalb spricht Andrews von einer zweiten Welle?

Der grösste Profit bestimmt den Anbau und die Förderung

Von Land Grabbing wird gesprochen, wenn sich Konzerne, Spekulanten, wirtschaftliche und politische Eliten oder ausländische Staaten die Macht über Land aneignen. Ihr Ziel ist es, Land sowie die damit verbundenen Ressourcen wie Wasser, Wälder und Mineralien zu kontrollieren und für sich zu nutzen. Sind diese Ressourcen einmal unter ihrer Kontrolle, machen sie diese für nationale und internationale Finanzmärkte zugänglich.

Im Fokus dieser Kontrollübernahme steht der grösstmögliche Gewinn. Täglich werden in Südafrika Unmengen an Diamanten, Kohle, Platin, Eisen, Mangan, Kupfer, Erdöl, Uran und Blei an die Oberfläche befördert. Die Landwirtschaft wird meist für die Produktion von Agrarrohstoffen genutzt wie Weizen, Mais, Zuckerrohr, in anderen Ländern auch für Palmöl, Soja oder Zellulose (Holz). Nur sehr selten gehen Investitionen tatsächlich in die Produktion von Nahrungsmitteln – und wenn, dann in jene, die für die Fleischproduktion bestimmt sind, oder in solche, die exportiert werden sollen. Besonders beliebte Produkte aus Südafrika, die auch wir in unseren lokalen Supermärkten wiederfinden, sind etwa Wein, Weinbeeren oder Zitrusfrüchte.

Vertrieben oder nur zu Bedingungen der Konzerne geduldet

Die Konsequenzen dieser Firmentätigkeiten sind für die lokale Bevölkerung oft negativ: Gemeinschaften, die keine rechtsverbindlichen Ansprüche auf ihr Land geltend machen können, verlieren den Zugang zum lebensnotwendigen Boden, zum Wasser und zum Weideland für ihre Tiere. Ihnen, die auf diesem Land wohnen – von seinen Früchten leben und hier ihre kulturellen Wurzeln haben –, wird buchstäblich der Boden unter den Füssen weggerissen. Die einen werden vertrieben. Andere dürfen auf diesem Land bleiben, unter der Voraussetzung, Exportprodukte, Mais zum Beispiel, anzubauen und dazu Saatgut, Herbizide und Pestizide von Agrarkonzernen zu verwenden.

Auch das Ausmass an dadurch entstandenem Waldschwund ist immens: Weltweit werden pro Minute etwa 35 Fussballfelder Wald gerodet. Damit verschwindet Lebensraum für Abertausende Pflanzen und Tiere. Unzählige Tierarten verlieren ihre Nahrungsquellen, Rückzugsmöglichkeiten und Wanderrouten. Wo einst ressourcenschonender, kleinbäuerlicher Anbau gepflegt wurde, herrschen nun grossflächige Monokulturen. Diese bieten nur wenigen Tieren und Pflanzen Lebensraum.

Rund 10 Mal die Fläche der Schweiz gegrabbt

Land Grabbing hat in den letzten Jahren ein gigantisches Ausmass angenommen: Mindestens 40 Millionen Hektaren sind seit 2000 weltweit an ausländische Investoren oder Staaten vergeben worden. Weitere 15 Millionen Hektaren sind derzeit in Verhandlung. Ganze Landstriche werden gerodet, um das Land einer anderen, lukrativeren Nutzung zuzuführen.

Aus einer Sicht, die primär auf Gewinnmaximierung abzielt, scheinen alle diese Verluste offenbar ein vernachlässigbarer Faktor. Das Recht auf Nahrung der lokalen Bevölkerung wird übergangen, und viele leben in Armut.

Die Landreform wurde mangelhaft umgesetzt

Die Gefahr für Land Grabbing besteht vielerorts – in Afrika – aber auch in anderen Erdteilen, vornehmlich in Ländern, in denen die demokratische Mitbestimmung der Bevölkerung schwach ist. In Indonesien beispielsweise verdrängen riesige Ölpalm- Monokulturen die Lebensgrundlage von lokalen Gemeinschaften. Mit der «zweiten Land- Grabbing-Welle» bezieht sich Mercia Andrews auf die Zeit während der Apartheid. Bereits damals haben weisse Grossgrundbesitzer unzählige schwarze Familien von ihrem Boden vertrieben. Als 1994 die Regierung Mandela die Apartheid beendete, versprach sie, mit einer Landreform 30 Prozent des Landwirtschaftslands an die schwarze Bevölkerung zurückzugeben. Doch nur knapp 10 Prozent wurden bislang umverteilt.

Auch heute noch tut die Regierung nichts und droht somit, die bestehende Ungerechtigkeit zu zementieren. Es werden immer noch Menschen von ihrem Land vertrieben, durch eben jene multinationalen Firmen oder Grossgrundbesitzer. «Land und Kontinent sind sehr verletzlich», sagt Andrews.

Allianzen zum Schutz von Saatgut eingehen

Ein grosses Anliegen der RWA ist es deshalb auch, dass die Kleinbauernfamilien die Kontrolle über das eigene Saatgut behalten. Die Organisation, die in Südafrika und mittlerweile weiteren sieben Ländern des südlichen Afrikas tätig ist, betreibt Lobbyarbeit und vernetzt die Regionen miteinander.

«Damit fordern wir die Grosskonzerne und ihre Praxis heraus», sagt Mercia Andrews. «Denn was wir brauchen, sind nicht noch mehr Minen und immer noch mehr Wein für den Export, sondern Landwirtschaft, die unsere Lebensgrundlagen schützt», sagt Andrews. Und sie fügt an: «Müssen wir nicht viel eher unsere Form des Wirtschaftens überdenken und unsere Landwirtschaft diversifizieren?»

Frauen müssen ihre eigene Kraft nützen

Seit Jahren engagiert sich Andrews in der Rural Women Assembly, die sich – wie ihr Name vermuten lässt – besonders auf die Rechte von Frauen auf dem Land konzentriert. Denn Landverlust oder Landlosigkeit betrifft diese in besonderer Weise.

Es gibt viele Bauernvereinigungen in Südafrika, und mehr als die Hälfte ihrer Mitglieder sind Frauen. «Doch Anliegen, die besonders Frauen betreffen, werden nicht priorisiert», erzählt Andrews. Frauen haben beispielsweise kein Recht, Land zu besitzen. Stirbt der Ehemann und ist weder ein Bruder oder männlicher Nachkomme vorhanden, der das Land beerben kann, verlieren die Frauen das Land. «Wir unterstützen sie dabei, für sich einzustehen und für ihre Rechte zu kämpfen», sagt die Aktivistin. In ihren Augen müsse auch in anderen Bereichen eine andere Priorisierung passieren. Wenn beispielsweise fehlender Strom in einem Dorf die Bevölkerung dazu zwinge, Holzkohle zu produzieren, wolle sie mit dieser für Elektrizität kämpfen.

Ein oft riskantes Engagement

Der Einsatz von Mercia Andrews und den betroffenen Frauen ist nicht ungefährlich. «Die Staaten und Grossgrundbesitzer reagieren empfindlich auf diese Bemühungen, manchmal mit Drohungen, manchmal mit juristischen Klagen.» 2013 sei sie deswegen verhaftet und ins Gefängnis gesteckt worden, erzählt Andrews.

In anderen umliegenden Ländern, Moçambique oder Zimbabwe zum Beispiel, sei die Meinungsfreiheit jedoch viel mehr bedroht. Die Aktivitäten der Organisation würden viel stärker kontrolliert und überwacht. «Doch auch dort lässt sich die Bevölkerung nicht mehr alles gefallen und leistet Widerstand – ungeachtet der Konsequenzen.»

Quellen: Schweizerische Kirchenzeitung / Bild: Mercia Andrews (Fastenopfer)

Mercia Andrews organisiert als Direktorin der Trust for Community Outreach and Education TCOE Fortbildung von Landarbeiterinnen und Bäuerinnen und fördert auch Saatbanken. TCOE ist vernetzt mit Bäuerinnennetzwerken in zehn Ländern des südlichen Afrikas.

Geld gewonnen, Land zerronnen

Auch Schweizer Banken helfen mit, wenn im Süden rücksichtslos Land zu Monokulturen umgewandelt wird. Als Folge fehlt der Bevölkerung das Land fürs Leben. Mit der Ökumenischen Kampagne 2017 fordern Brot für alle, Fastenopfer und Partner die Banken auf, solche Geschäfte aufzugeben und ihre Verantwortung wahrzunehmen.

Spenden sind auf Postkonto 60-19191-7 bzw. IBAN: CH16 0900 0000 6001 9191 7 sehr willkommen!

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