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Not macht erfinderisch, aber mit welchem Ausgang?

Not macht erfinderisch, aber mit welchem Ausgang?

Sie war wohl die erste Fotografin St. Gallens, Mathilde Bühlmeier. Ihre Geschichte, haarsträubend. Denn sie stand unter dem dringenden Verdacht der Fälschung von Banknoten und diese dann in verschiedenen Läden in St. Gallen und Umgebung in Umlauf gebracht zu haben.

«Was Bürgermeister, Birnen und Banknoten wohl gemeinsam haben? Wenig, ausser den Bildern, die Vater und Tochter Bühlmeier davon schufen: Bürgermeister würdevoll, die Birnen zum Anbeissen frisch und die Banknoten falsch», schreibt Markus Kaiser (Quelle).

Samuel Bühlmeier (1814-1876), aufgewachsen in Trogen und auf dem Rosenberg in St. Gallen, war akademisch ausgebildeter Maler und Radierer. Seine Frau, Therese Bühlmeier-Tanner (1812-1896), wuchs auf dem Rosenberg auf. Die gemeinsame Tochter, Mathilde Bühlmeier (1846-1916), hatte die Talente ihres Vaters geerbt. Ein Kunststudium kam mangels finanziellem Hintergrund für sie nicht in Frage. Als 21-jährige entschloss sie sich zu einer Lehre bei Fotograf Lüthis im Feldli. Nach sechs Wochen hatte sie sich die Grundkenntnisse des Fotografierens angeeignet. Sie bildete sich weiter und eröffnete 1867 auf dem Rosenberg ein Atelier. Neben der Arbeit in ihrem Geschäft, half sie den Eltern, schnitt Stickereien aus und kolorierte die Obstbilder des Vaters. Er wiederum half ihr beim Retuschieren der Fotos.

1880 kauften Mutter und Tochter ein Haus an der belebten Langgasse, Nummer36, an das sie ein Atelier anbauen liessen. Mathilde stellte die damals modischen Kleinportraits her, die man im Halbdutzend kaufte und grosszügig verschenkte. Mathilde hatte jedoch durch Lüthi Konkurrenz, die  zum selben Preis, mit neun bis zehn Fotos zu kaufen war. Er konnte sich das leisten, weil er als Kollekteur einer illegalen ausländischen Lotteriegesellschaft seine Kunden um grössere Gewinne betrog. Das trieb Mathilde in den Konkurs. Das Haus musste verkauft werden. Auch die Arbeit der Mutter, das Ausscheiden von Spitzen, half nicht. Da hatte die Tochter eine Idee. Beide Frauen meinten, «es sei in dieser Verlegenheit das Beste, auf photographischem Wege Banknoten zu machen.»

Banknoten, die damals von den Kantonalbanken herausgegeben wurden, waren nur einseitig bedruckt. Mathilde besorgte sich eine Bündner 20-Franken-Note, reproduzierte sie und stellte 17 Kopien her, retuschierte die Nummern und verrieb Glaspulver auf den Fotos, um den Glanz zu mildern. Daraufhin kaufte die Mutter Kleinigkeiten in anderen Quartieren, bevorzugt in Läden, «die von Frauenzimmern bedient wurden», zahlte mit zehn Blüten und erhielt Hartgeld zurück. Der Erlös deckte die dringendsten Schulden. Therese Bühlmann gab später zu Protokoll: «Ich fand nun selbst, dass ich auf diesem Wege den Zins bald beisammen hätte.»

Mitlerweile warnte die Polizei vor falschen Bündner Noten. Nun besorgten sich die Frauen eine Note der St. Galler Kantonalbank. Sie hatten bereits fünf Kopien hergestellt, als beide am 1. August 1883 verhaftet wurden. Tochter Mathilde verbüsste zwölf Monate Zuchthaus in St. Leonard, die Mutter sechs Monate in St. Jakob. Das Gericht führte den guten Leumund und die offensichtliche Not der beiden Frauen als mildernde Umstände an. Danach blieb nur noch das Ausschneiden von Stickereien. 1890 heiratete Mathilde den Bauern Josef Martin Künzle aus Untereggen. Ihre Spuren verlieren sich danach. Die Kriminalakten überliefern lediglich ihre Geschichte als erste Fotografin St. Gallens, die auch die erste Notenfälscherin war.

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