Römer. Alamannen. Christen

Römer. Alamannen. Christen

Im Frühmittelalter, der Zeit von Ende 3. bis 8. Jahrhundert, liessen sich germanische Völkerstämme rund um den Bodensee nieder, nachdem sich die Römer dort schrittweise gegen Süden zurückgezogen hatten. Die Barbaren, wie die Römer sie nannten, stammten aus dem Gebiet der Ostseeküste bis hin zum Thüringer Wald. Sie schlossen sich zu neuen Einheiten, den Alamannen, zusammen. Ihre Geschichte wird durch die aktuelle Ausstellung “Römer. Alamannen. Christen” eindrucksvoll nachgezeichnet. Diese ist bis zum 17. Januar 2016 im Historischen und Völkerkundemuseum St. Gallen im Untergeschoss zu sehen.

Elke Baliarda

Der obergermanisch-rätische Limes wird um 259/260 verlegt und erneut an Hochrhein, Bodenseeufer und Iller verschoben. Das Land nördlich des Bodensees steht damit für eine neue Besiedlung offen und kann auch Dank der verlassenen römischen Strukturen sinnvoll genutzt werden “Die Ausstellung geht den Fragen nach: Wer waren diese Menschen, die hierher zogen? Wie waren ihre Lebensumstände? Wie kleideten sie sich? Was haben sie gegessen? und, was haben sie geglaubt?” erläutert die Kuratorin Sarah Leib. Die archäologischen Funde wären wie viele tausende Puzzleteile, die zusammengesetzt ein buntes Bild des frühen Mittelalters ergeben.

Um 280 werden die Alamannen erstmals geschichtlich erwähnt

Der Name wird als “Menschen insgesamt” gedeutet. Der römische Autor Amminaus Marcellinus berichtet von ihnen und benennt alamannische Teilstämme nach ihrem jeweiligen Siedlungsort. So hiessen die Bewohnerinnen und Bewohner des Linzgaus Lentienser und die des Breisgaus Brisigavi. Anders als die Römer vor ihnen lebten die Alamannen auf dem Land als Selbstversorger, betrieben Landwirtschaft und Viehzucht. Dinge des täglichen Lebens stellten sie selbst her.

Die Alamanninen

waren zudem berühmt für ihre qualitätsvolle Textilkunst. Ihre Webstühle- von denen meist heute nur noch die grossen Webgewichte erhalten sind- standen in so genannten Grubenhäusern, das sind in den Boden eingetiefte Hütten. Dort war es kühl und feucht, optimal für die pflanzlichen Fasern. “Über die Stellung der Frauen wissen wir kaum etwas, sagt Sarah Leib. “Man geht davon aus, dass sie den Männern ebenbürtig waren, gleich auch in der Rechtssprechung. und sie, die Alamanninen beherrschten die Runenschrift”. Die Frauen schmückten sich mit Ringen, Halsketten, Ohrringen aus Bernstein und bunten Glasperlen. Sie trugen aparte Gewänder aus Wolle und Leinen, gestrickte Socken und Schuhe, die aus einem Stück Leder geschnitten und beutelähnlich oben zusammengezogen wurden.

Natürlich spielen auch Waffen eine Rolle

Schwerter und Wurfäxste sind zu sehen. Zahlreiche Schautafeln und Faksimile tragen zum besseren Verständnis der Besucherschaft bei. Viele Erkenntnisse zur Lebensweise, dem Aussehen und den Krankheiten der Menschen werden aus den Skeletten und den Grabbeigaben rekonstruiert. So weiss man, dass Frauen eine Durchschnittsgrösse von 162 cm erreichten, Männer zirka 172 cm. In der Ausstellung findet man interessanterweise auch ein Bruchband, das grosse Ähnlichkeit mit solchen hat, die man noch in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts bei Leistenbrüchen trug. Kämme, ein Accsessoires der Alamannen, ein besonderes Statussymbol. Galt doch die lange Haarpracht als sichtbares Zeichen der Freien, im Gegensatz zu den Unfreien und Sklaven.

Der zweite Teil der Ausstellung thematisiert den Übergang zum Christentum.

Zahlreiche Schautafeln und Modelle führen in die Zeit der ersten Christen, Kirchen und Klöster. Während sich im südlichen Teil unseres Kantons das Christentum früher verbreitete, setzte es sich im nördlichen Teil erst nach 600 durch. Das Anfang des 7. Jahrhunderts errichtete Bistum Konstanz und die Wandermönche, wie Kolumban und Gallus trugen massgeblich dazu bei. “In den Jahren 2009 bis 2012 gelang es der Kantonsarchäologie St. Gallen, neue Erkenntnisse zu den Anfängen der Eremitensiedlung an der Steinach und der späteren Stadt St. Gallen beizubringen. Der Bodenhorizont aus der ersten Rodungsphase, Siedlungsspuren und eine Latrine aus der ersten Hälfte des 7. Jahrhunderts, also noch zu Lebzeiten von Gallus, wurden entdeckt. Nach dem Tod des Eremiten um 640 stieg die Bedeutung der Siedlung als Wallfahrtsort rasch an. Immer mehr Menschen siedelten hier und liessen sich teilweise in der Nähe des Gallus-Grabs bestatten. So auch ein Adeliger des 7. Jahrhunderts, der in einem tonnenschweren Steinsarkophag seine letzte Ruhe fand. Dieser Sarg ist heute in der Dauerausstellung “Faszination Archäologie” im Historischen und Völkerkundemuseum ausgestellt”.

Erlebbare Geschichte

“Römer, Alamannen, Christen” ist eine Wanderausstellung, ein gemeinsames Projekt des Archäologischen Landesmuseum Baden Württemberg und des Amts für Archäologie Thurgau, in Zusammenarbeit mit der Landesarchäologie Fürstentum Liechtenstein, der Kantonarchäologie St. Gallen, der Kreisarchäologie Konstanz, dem vorarlberg museum und der Denkmalpflege im Regierungsbezirk Freiburg.

Und wie fühlt sich nun heute eine römische Sandale an?

Das kann man am Samstag, 22. August um 13 Uhr an einem Workshop im Historischen und Völkerkundemuseum St. Gallen selber ausprobieren. Unter dem Motto “Die Römer und ihre Sandalen – Schuhwerk selbst hergestellt” und unter der Anleitung von Sarah Leib und Jolanda Schärli entsteht das römisches Schuhwerk. Der Workshop kostet, inkl. Leder und Material CHF 45,-.

Eine Anmeldung ist erforderlich. sarah.leib@hvmsg.ch Telefon: 017 242 06 59

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