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Umwelt, Gleichstellung, Transparenz: Sessionsbrief von Nationalrätin Claudia Friedl

Umwelt, Gleichstellung, Transparenz: Sessionsbrief von Nationalrätin Claudia Friedl

Auch diese Session stand voll und ganz unter dem Thema Corona. Alle waren eingeladen, sich 2x wöchentlich auf Covid-19 testen zu lassen. Nur 2/3 taten es. Kann es sein, dass die, die am lautesten nach Öffnung rufen, die sind, die das Testen überflüssig finden?

Der Einstieg in die Session war gehässig. Das Hauptthema war die Pandemie. Die Wirtschaftskommission WAK des Nationalrats und die SVP forderten vom Bundesrat, Restaurant, Kultur-, Freizeit- und Sportbetriebe am 22. März zu öffnen und zwar ohne Rücksicht auf die pandemische Entwicklung. Geht es noch absurder? Schlussendlich fand sich dann doch keine Mehrheit für diesen Antrag. In gleicher Weise lief es mit dem Maulkorb für die Taskforce, den die WAK forderte, aber immerhin 78 Personen aus SVP, FDP und Mitte sagten dazu ja. Auch eine Erhöhung der Anzahl Sonntagsverkäufe auf 12 pro Jahr erhielt nur ganz knapp keine Mehrheit, die Zustimmung dafür lief quer durch das bürgerliche Lager bis in die GLP hinein. Für das Verkaufspersonal hätte es eine starke Mehrbelastung bedeutet.

Die SVP verhielt sich wüst und schoss immer wieder direkt auf den Bundesrat, insbesondere auf Alain Berset und die Kaderfrauen im BAG. Einen Eindruck der Debatte vermittelte ein Foto von Roger Nordman auf Twitter, auf dem acht «mutige» SVPlerInnen sich getrauten, dem Diktator (Alain Berset) eine Frage zu stellen.

Nachts um 00.40 Uhr beendeten wir die 1. Debatte zum Covidgesetz, nachdem Ueli Maurer widerwillig das Portemonnaie öffnete und der Nationalrat den Nachtragskredit von 14.7 Milliarden abgesegnet hatte. Nachdem letztes Jahr 15 Mia. für die Covidabfederungen ausgegeben wurden, werden es dieses Jahr wohl etwa 20 Milliarden werden.

Unsere Schlusswürdigung zur Covidgesetzänderung fiel halb/halb aus. Immerhin konnte man die Härtefallmassnahmen installieren, wenn auch nicht unter den Bedingungen, die wir vorgeschlagen hatten. Wir erreichten aber Verlängerungen und Verbesserungen bei der Kurzarbeitsentschädigung sowie der EO-Entschädigung für Selbständige und Kulturschaffende oder den Schutzschirm für Kulturveranstaltungen. Keine Verbesserungen konnten wir beim Mietzinserlass und der Verlängerung von Fristen bei Mietkündigungen erzielen. Und was wir ändern wollten, dass man nicht in der Härtefall-Logik bleibt sondern in eine Entschädigungslogik wechselt. Wer wegen den Massnahmen Ausfälle hat, sollte Entschädigung erhalten, das Geld muss einfach rasch bei den Menschen ankommen. Das Gesetz ist aber ein Bürokratiemonster geworden, da sind wir nicht zufrieden. In der Schlussabstimmung stimmte die grosse Mehrheit für das Gesetz, ausser vereinzelte aus der SVP stimmten dagegen, darunter die St. Galler Roland Büchel und Lukas Reimann.

International & Asyl

Das Thema Flüchtlinge wurde in verschiedenen Vorstössen behandelt. Einen wichtigen Sieg erreichten wir dabei, dass Flüchtlinge auch zukünftig ihre Familie nachziehen dürfen und nicht erst nach drei Jahren, wie dies als Vorschlag aus dem Ständerat gekommen war.

Der Bundesrat wiederholt immer wieder, dass die Schweiz in einem Menschenrechtsdialog mit China steht, auch in der neuen China-Strategie, die gestern veröffentlicht wurde. Das ist gut, aber es braucht auch Rechenschaft darüber. Der Nationalrat hat einen entsprechenden Vorstoss der Aussenpolitischen Kommission angenommen, welcher – animiert durch eine Petition der Gesellschaft für bedrohte Völker – eine Berichterstattung zur Situation der Tibeterinnen und Tibeter verlangt. Auch die Situation der Tibeterinnen und Tibeter in Bezug einer Überwachung durch China in der Schweiz soll abgeklärt werden.

In der 2. Woche besuchte die belarussische Oppositionsführerin Svetlana Tichanowskaja das Parlament. Leider reichte es nur für einen kurzen Gruss, weil ich gleichzeitig als Kommissionssprecherin für den Aussenpolitischen Bericht zuständig war. Die Demokratiebewegung in Belarus geht weiter, es ist wichtig, dass darüber berichtet wird. Auf meine Frage bestätigte Bundesrat Cassis, dass die offizielle Schweiz die Einhaltung der internationalen Menschenrechtsverpflichtungen bei der Regierung in Belarus einfordert und über den Botschafter in Minsk mit der der Zivilgesellschaft und den Menschenrechtsverteidigern in Kontakt steht, auch im Falle der inhaftierten Doppelbürgerin Natallia Hersche.

Umwelt und Klimaschutz

Der illegale Handel mit international geschützten Tieren und Pflanzen soll härter bestraft werden. Das hat nach dem Ständerat nun auch der Nationalrat entschieden. Neu sollen besonders schwere Fälle als Verbrechen gelten und mit bis zu fünf Jahren Gefängnis bestraft werden. Der Beschluss kam ohne Gegenstimme zu standen, 18 Nationalrät*innen aus der Reihe der SVP enthielten sich.

Der Wolf ist auch nach der Ablehnung des Jagdgesetzes ein Thema. Unbestritten war, dass es gewisse Anpassungen an der heutigen Praxis braucht. Diese sollen nun innerhalb des bestehenden Gesetzes auf Verordnungsstufe angebracht werden. So soll die Hürde für einen Abschuss durch die Reduktion der Anzahl gerissener Nutztiere gesenkt werden. Allerdings soll auch der Herdenschutz verbessert werden. Dies ist eine klare Forderung aus dem Abstimmungskampf, so wie auch die Unterschutzstellung weiterer gefährdeter Arten, was aber jetzt zu unserem Unmut nicht umgesetzt wird. Die Vorlage wurde trotzdem mit deutlichem Mehr angenommen.

Ein Trauerspiel ist die Agrarpolitik 2022+. Der Ständerat und jetzt auch der Nationalrat haben sie nach starkem Lobbying des Bauernverbands auf Eis gelegt. Ihr Präsident, Markus Ritter, spricht immer davon, die Bauern zu vertreten. Aber Fakt ist, rund 50% der Bauern sind nicht im Bauernverband organisiert. Mit der Sistierung wird eine ökologische Landwirtschaft um Jahre hinausgezögert und auch die Bäuerinnen bekommen die schon längst überfällige soziale Absicherung nicht. Die Vorlage verteidigten nur noch wir aus der SP, die Grünen, GLP und einige aus der FDP. Der Rahmenkredit nach bisherigem Muster von 13.9 Milliarden wurde trotzdem für die nächsten 4 Jahre gesprochen. Ich hatte beantrag, den Kredit nur für 2 Jahre zu sprechen, damit der Druck besteht, die neue Landwirtschaft bald zu verabschieden und dann neu zu finanzieren.

Nach einem langen hin und her zwischen den beiden Räten hat sich das Parlament geeinigt, die Risiken beim Einsatz von Pestiziden zu reduzieren. Es ist eine Art Gegenvorschlag zur Trinkwasserinitiative und zur Pestizidinitiative, die zwei populären Initiativen, die im Juni 2021 zur Abstimmung kommen. Ich setze mich für die Initiativen ein, denn der Vorschlag aus dem Parlament taugt einfach viel zu wenig. Solange das so ist, braucht es mutige Volksentscheide.

Gleichstellung

Der Nationalrat hat als Zweitrat eine Motion von SP-Ständerätin Eva Herzog angenommen, welche die Aufschlüsslung von wichtigen Statistiken des Bundes nach Geschlecht fordert. Das tönt unspektakulär. Eine umfassende Datenbasis ist aber ein wichtiger Schritt hin zur Gleichstellung.

Eine Mehrheit des Nationalrats will leider nichts davon wissen, dass Parlamentsdelegationen bei der Geschlechtsvertretung ausgeglichener sein sollen. Sie hat meine parlamentarische Initiative mit 83 zu 105 abgelehnt. Unterstützung fand ich bei SP, Grünen, GLP und drei Mitgliedern des FDP.

Ein Erfolg kann beim indirekten Gegenvorschlag zur Pflegeinitiative verzeichnet werden. Durch intensiven Einsatz unserer Gesundheitsdelegation, allen voran Barbara Gysi, werden echte Verbesserungen für das Pflegepersonal eingeführt. Die Kantone werden verpflichtet, die Ausbildung in der Pflege stärker zu fördern. Neu gilt zudem eine Ausbildungspflicht für Spitäler, Pflegeheime und Spitexorganisationen, wobei ungedeckte Kosten vom jeweiligen Kanton gedeckt werden. Eine wichtige Neuerung ist, dass Pflegende gewisse Leistungen selber zulasten der Krankenkassen abrechnen dürfen. Das anerkennt die Pflegefachkräfte endlich als vollwertige Fachleute und nicht nur als ErbringerInnen von Hilfsleistungen. Der Nationalrat hat in der Schlussabstimmung mit 194 zu 1 Stimme zugestimmt. Das spricht Bände.

Transparenz

Das Parlament will das Geldwäschereigesetz verschärfen. Dazu braucht es schärfere Regeln für Anwälte, Notare und andere Berater, die sie verpflichten, Geldwäschereivorgängen aktiv zu melden. Genau diesen Artikel strichen die Mitglieder von SVP, FDP und „die Mitte“ aus dem Gesetz. Sogar Bundesrat Ueli Maurer sprach sich gegen diesen Entscheid aus, auch das half nichts. In der Gesamtabstimmung stimmten 120 Bürgerliche für das flaue Gesetz, wir stimmten dagegen.

Die Transparenzinitiative will die Politik- und Kampagnenfinanzierung transparenter machen. Das Parlament ist darauf eingegangen und schlägt in einem indirekten Gegenvorschlag nun eine Offenlegungsgrenze von Spenden ab 15’000 CHF vor (die Initiative fordert 10’000 CHF). Das ist ein wichtiger Schritt, den aber noch lange nicht alle gehen wollen. Die SVP und ein Grossteil der Mittefraktion stimmten nämlich dagegen, blieben aber in der Minderheit.

Keine Transparenz will der Nationalrat hingegen bei der Crypto Affäre. Er hat eine Parlamentarische Untersuchungskommission (PUK) abgelehnt.

Varia

Eine Volksinitiative will die Bundesrichter per Losverfahren wählen. Der Nationalrat empfiehlt die Initiative ohne Gegenvorschlag zur Ablehnung.

Oppositionslos abgelehnt wurde auch die Volksinitiative «Ja zum Tier- und Menschenversuchsverbot». Die Initiative geht allen Fraktionen zu weit.

Hingegen hat das Parlament einige wichtige Grundsätze der Initiative «Stopp der Hochpreisinsel Schweiz» in einem indirekten Gegenvorschlag umgesetzt. So sollen die ungerechtfertigten Preisdifferenzen gegenüber dem Ausland fallen. Diese kosten die Privaten und die öffentliche Hand jedes Jahr Milliarden.

Nicht ganz überraschend in der Schlussabstimmung abgelehnt hat der Nationalrat die 99%-Initiative der JUSO. 128 waren dagegen, 66 dafür, alles Stimmen der SP und Grünen. Jetzt müssen wir voll auf die Volksabstimmung zählen.

Eine Mehrheit des Nationalrats lehnt die Initiative «Jugendliche vor Tabakwerbung schützen» ab. Ich habe mich für eine Ja-Empfehlung ausgesprochen, weil die Gesundheit unserer Jugendlichen wichtiger ist als die unternehmerische Freiheit der Tabaklobby. Zudem wird derzeit das Tabakgesetz revidiert. Dort haben die Bürgerlichen einen griffigen Jugendschutz abgelehnt. Der Ständerat kann dies noch korrigieren. Dabei kann auch die Initiative helfen.

Ein weiteres Geschäft im Jugendschutz betrifft die Bereiche Film und Videospiele. Das Bundesgesetz bringt da Verbesserungen und wurde in der Schlussabstimmung doch «nur» mit 115 zu 69 Stimmen angenommen.

Ein langer Bericht – und doch umfasst er nur einen kleinen Teil der Verhandlungen. Ich wünsche euch allen einen schönen Winterausklang und Frühlingsstart. Und hoffentlich auch bald wieder einmal an einer Versammlung.

Claudia Friedl

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