Silberschätze, Antikes und die Austernsucherinnen
Giovanni Züst (1887 – 1976), Tessiner Speditionsunternehmer mit Basler und Appenzeller Wurzeln, verschenkte gegen Ende seines Lebens seine grosse Kunstsammlung nach Basel, Rancate TI und St. Gallen, an drei Orte bzw. Regionen, die ihm „Heimat“ bedeuteten. St. Gallen deshalb, weil er in Appenzell Ausserrhoden kein für ihn passendes Museum gefunden hatte. Das Ausstellungprojekt führt die Sammlung nun erstmals wieder zusammen. Zu sehen ist diese Ausstellung im HVM, Historischen und Völkerkundemuseum, St. Gallen noch bis 7. Januar 2018.
Obwohl ein Teil der Exponate, vor allem die Silberobjekte prunkvoll wirken und für eine gehobene Gesellschaft gedacht waren, präsentiert sich die Giovanni Züst–Ausstellung nicht überladen. Sie kommt geschmackvoll und übersichtlich in den Räumen des Historischen und Völkerkunde Museums St. Gallen daher. Beim Gang durch die Ausstellung eröffnet sich den Besucherinnen und Besuchern ein faszinierender Horizont. Er reicht von etruskischer Kunst über Silberschätze aus den damaligen Goldschmiede- Metropolen Augsburg und Nürnberg bis hin zu den Gemälden bedeutender Tessiner Künstler des 17. bis 19. Jahrhunderts.
Silberzauber
1961 wurde Giovanni Züst mit seiner Antikensammlung zum Mitbegründer des Basler Antikenmuseums, das 1966 eröffnet wurde. Für seine Gemäldesammlung wurde 1967 in Rancate ein eigenes ein Museum eröffnet. Die Silbersammlung ging im gleichen Jahr an die Ortsbürgergemeinde St. Gallen für die in ihrem Besitz befindlichen Museen. Ab 1969 stand der Silberprunk im Kirchhoferhaus offen zur Besichtigung. Die umfangreiche Kollektion von über 130 Silbergegenständen in der Ausstellung zeigen verschiedene Schwerpunkte. Bei den wichtigsten handelt es sich um profane Gefässe des späten 16. bis späten 18. Jahrhunderts aus dem deutschen Sprachraum, den Goldschmiede-Metropolen Augsburg und Nürnberg. Pokale, Schaustücke, Humpen und Becher sind im 16. und 17. Jahrhundert angesiedelt. Das 18. Jahrhundert brachte mit seiner Tee-, Kaffee- und Schokoladenkultur neue Gefässformen wie Kannen, Dosen und henkellose Gefässe (Kummen). Von den ungefähr zwanzig Objekten, die aus der Schweiz stammen, kommen die meisten aus Züsts Heimatstadt Basel. Zeitlich aus dem Rahmen fällt das monumentale Objekt von 1912 aus St. Petersburg, eine prunkvolle Bowlenschüssel mit Schöpflöffel. Das Publikum kann nur staunend davor stehen.
Recht übersichtlich fügen sich die Objekte der etruskischen und griechischen Antike in die St. Galler Präsentation ein. Die Objekte: Keramiken, Terrakotten und Bronzearbeiten stammen aus Italien und präsentieren verschiedene Kulturen und Epochen. Die meisten kommen aus dem Etrurien der Villanova Zeit (9. – 8. Jahrhundert v.Chr.). Die griechischen Vasen mit mythologischen Szenen, hergestellt in den Keramik-Zentren Korinth und Athen, können aus etruskischen Gräbern stammen. Weitere Werke kommen aus den verschiedensten Regionen Italiens. Rom ist nur mit wenigen Stücken vertreten.
Die Austernsuchrinnen
Ins Auge des Betrachters fallen besonders die schönen Gemälde, die unter anderem auch Frauen in den Mittelpunkt rücken. Sehr eindrücklich präsentierten sich „Die Austernsucherinnen“ von Luigi Rossi. Das Bild widerspiegelt die Atmosphäre an der Atlantikküste, den Himmel mit seinen Wolken, das Meer in seiner ruhigeren Phase, den Sandstrand in warmen Farben. Und auf dem Strand zahlreiche Austernsucherinnen in weissen Kopftüchern, die ihrer mühevollen Arbeit nachgehen und den Windböen standhalten, die heftig an ihren Gewändern reissen. „ Die Austernsucherinnen“, ein anziehendes Bild, das mehr und mehr zum Publikumsliebling wird. Ein anderes reizvolles Bild ist das „Portrait mit zerrissenem Papier“, von Antonio Rinaldi um 1840/50 gemalt, eher kleinformatig , das man nicht ohne weiteres auf den ersten Blick entdeckt . “Feine Chiaroscuro-Effekte geben dem zerrissenen Papier ein dreidimensionales Aussehen und suggerieren, dass es am Rahmen befestigt ist.“ Aus dem Riss blickt das Gesicht einer schönen, jungen Frau, mit feinen Zügen, blauen Augen, einem halbgeöffneten Mund und langen blonden Haaren.
Erinnerung an eine kurzes Leben
In der Ausstellung wird auch ein Döschen aus Silber gezeigt: ein Taufandenken von 1763, für die kleine Juliana Sophia Schwartz aus Rudolfstadt/Thüringen. Abklärungen ergaben: Das Mädchen starb bereits 1765. Was war wohl die Todesursache? Die Familie bot der kleinen Julia jedenfalls privilegierte Lebensbedingungen. Der Vater war Jurist und Geheimrat, die Mutter stammte aus einer bekannten Theologenfamilie, und der Taufpate war Kaufmann in Venedig. Er schenkte der kleinen Juliana Sophia dieses Taufandenken.