ABENTEUER RE:SONANZ – AUFBRÜCHE

ABENTEUER RE:SONANZ – AUFBRÜCHE

Datum/Zeit
15. September 2018
17:00

Veranstaltungsort
Frauenmuseum Hittisau
Platz 501, Hittisau

Kategorien


Pforte im Frauenmuseum

Joseph Haydn (1732–1809) Streichquartett op. 9 N°4 d-Moll Hob III:22
Arnold Schönberg (1874–1951) Verklärte Nacht op. 4 Streichsextett
Anton Webern (1883–1945) Bagatellen op. 9

Epos:Quartett
Christine Busch und Verena Sommer Violine
Klaus Christa Viola
Francois Poly Violoncello

mit Guy Speyers Viola & Mathias Johansen Violoncello
Gespräch mit Natalie Knapp Philosophin und Autorin

Zeiten des Übergangs sind so verführerisch wie bedrohlich: Einerseits spüren wir, dass sich neue Räume öffnen, dass tiefgreifende Veränderungen geschehen, andererseits fühlen wir uns verunsichert und verloren: Das Alte ist verloren und das Neue noch nicht geboren.

Die deutsche Philosophin Natalie Knapp hat in ihrem mitreißenden Buch „Der unendliche Augenblick“ über diese Zeiten des Übergangs geschrieben und dabei faszinierend dargelegt, welche besonderen Schönheiten und Geschenke in unsicheren Zeiten verborgen sind.

Das Gespräch mit Natalie Knapp werden wir musikalisch durch eine der faszinierendsten Veränderungen der Musikgeschichte bereichern:
Das ausgehende 19.Jahrhundert gipfelte musikalisch in der Fülle der „Verklärten Nacht“ für Streichsextett von Arnold Schönberg – die spätherbstliche Süße dieser bezaubernden Musik konnte nicht mehr weiter gesteigert werden. An diesem Punkt vollzog sich eine Verwandlung von großer Faszination: Anton Weberns setzte in seinen Bagatellen op. 9 einen ungeheuren Schritt in die Reduktion- ausladende Weiten verwandelten sich in konzentrierte, berührende winzige Gesten….

Kartenreservierung

Tourismusbüro Hittisau
Platz 370
6952 Hittisau
T +43 5513 620950
tourismus@hittisau.at
und an der Abendkasse

Eintritt: € 19,- (Studierende: € 8,- )
Abendkasse ab 16.30 Uhr

Der Besuch der Ausstellung im Frauenmuseum vor dem Konzert ist im Kartenpreis inkludiert.
Kostenloser Eintritt für Kinder und Jugendliche bis 15 Jahre bei allen Pforte-Veranstaltungen, um Anmeldung wird gebeten.

«ALS HÖRENDE ERWECKEN WIR DIE MUSIK ERST ZUM LEBEN.»
INTERVIEW MIT NATALIE KNAPP – NATALIE KNAPP PHILOSOPHIN UND AUTORIN

Alles wirkliche Leben ist Begegnung, sagt Martin Buber.
Können Sie uns seinen Gedanken etwas genauer ausführen?
Die Schweizer Psychoonkologin Sabine Lenz wurde einmal von einer todkranken Patientin gebeten, ihr einen guten Grund zu nennen, warum sie auf den Tod warten solle anstatt die Sache abzukürzen und sich unmittelbar das Leben zu nehmen. Sabine Lenz antwortete, es gebe keinen tieferen Grund lebendig zu bleiben als den, dass man mit anderem Lebendigem noch etwas Wesentliches zu teilen habe. Eine Berührung, ein Lächeln, einen Gedanken, eine Angst. In dieser Antwort liegt für mich eine der schönsten Erklärungen für den Grundgedanken Martin Bubers: Leben heißt Teilen und Mitteilen von Lebendigkeit. Und das Teilen von Lebendigkeit nennen wir eben Begegnung. Deshalb haben viele Sterbende den Wunsch zu gehen, wenn ihr Körper oder ihre Seele keine Kraft mehr hat zu antworten, wenn sie angesprochen werden. Aber solange eine Melodie ihr Herz erreicht oder das freudige Schwanzwedeln eines Hundes ihnen ein Lächeln entlockt, gibt es einen Grund zu leben.

Was brauchen Beziehungen, damit Sie uns durch unsichere Zeiten tragen können?
Stabile Beziehungen entstehen meist durch einen möglichst zweckfreien und lebendigen Austausch von Gaben. Wir beschenken uns gegenseitig mit Zuneigung, Zuhören, Zeit, Interesse, Wertschätzung und Lebendigkeit. Wir teilen Essen, Interessen, Werte und Witze. Dadurch entstehen soziale Netzwerke, die von Vertrauen und Liebe getragen sind. Solche Beziehungsnetze gehören zu den wichtigsten Säulen unseres psychologischen Immunsystems. Sie stellen sicher, dass wir uns in Krisenzeiten auf die Kraft der Gemeinschaft verlassen können.

Können die Kunst allgemein und die Musik im Besonderen diese Funktion erfüllen?
Wenn wir die Musik durch unsere Sinne und unsere Gefühle lebendig werden lassen, erlöst sie uns von unserer begrenzten Alltagsperspektive. Wir erleben, dass sich jenseits unserer Probleme etwas Schönes ereignet, an dem wir aktiv beteiligt sind. Denn als Hörende sind wir ein Teil des musikalischen Ereignisses, wir sind Melodie und Harmonie, Stille und kreative Überraschung und damit sehr viel mehr als Kummer und Sorgen. Als Hörende erwecken wir die Musik erst zum Leben und wie zum Dank erweckt sie dann uns zum Leben. Deshalb hat die Kunst in Krisenzeiten eine besondere Bedeutung.

Es scheint, dass sich Phasen der zivilisatorischen Unsicherheit zyklisch wiederholen, woran liegt das?
Jede Zivilisation ist auf Phasen der Unsicherheit angewiesen, um sich entwickeln zu können. Vermutlich dauern die Zeiten des Wandels ebenso lang wie die Zeiten der Stabilität. Ganz ähnlich wie in der menschlichen Entwicklung. Wir tun immer so als gäbe es da sehr viel Stabilität, aber wir sind zehn oder zwölf Jahre Kind, dann kommt der erste große Bruch. Die Pubertät und Jugendzeit dauert dann im Grunde genommen bis Ende zwanzig. Dann hat man fünfzehn Jahre Ruhe und dann beginnt schon der nächste große Wandel, der uns wiederum verunsichert. Mit der Entwicklung der Menschheit verhält es sich ähnlich. Nur dass die einzelnen Phasen sehr viel länger dauern. Zeiten der Unsicherheit und Instabilität scheinen von der Evolution vorgesehen zu sein, um Wandel und Entwicklung zu ermöglichen.

Lernen wir daraus oder machen wir immer wieder dieselben Fehler?
Albert Schweitzer sagte einmal: «Ich bin Leben, das leben will inmitten von Leben, das leben will.» Wenn wir das Leben als Wert anerkennen und davon ausgehen, dass eine Kultur die Lebendigkeit möglichst vieler Lebewesen stärken sollte, dann machen wir im Augenblick viele Fehler. Aber ich spreche eigentlich nicht so gerne von Fehlern, weil dadurch die Vorstellung entsteht, dass es irgendwo eine Kontrollinstanz gibt, die unser Leben nach festgelegten Kriterien bewertet. So?als gäbe es eine richtige und eine falsche Version vom Leben. Das Problem ist aber, dass es für das Leben keine Anleitung gibt. Es gibt nur Erfahrungen, die von verschiedenen Menschen und Kulturen unterschiedlich bewertet werden. Und unsere westliche Kultur stellt derzeit kollektiv den Wert des materiellen Wohlstandes weit über den Wert des geteilten Lebens. Daher reagiert der Markt auch nicht auf die Umweltzerstörung, den Klimawandel oder das massenhafte Artensterben. Albert Schweitzer hätte das für einen Fehler gehalten, aber viele Menschen halten es immer noch für Glück.

Haben Sie ganz praktische Ratschläge, wie wir mit der Unsicherheit in Zeiten des Übergangs fertig werden können?
Es ist von zentraler Bedeutung, das Gefühl der Unsicherheit neu zu bewerten. Denn die Unsicherheit sagt uns nicht, dass wir etwas falsch machen, sondern nur, dass sich in unserer Kultur etwas entwickelt, das wir noch nicht kennen. Da entsteht gerade etwas Neues, das wir nicht mit Routine bewältigen können. Wenn wir uns unsicher fühlen, sind wir aufgefordert, einen Weg zu einer neuen Stabilität zu bahnen. Der inzwischen verstorbene Quantenphysiker Hans-Peter Dürr hat einmal zu mir gesagt: Nicht zu wissen wie es geht, ist die Voraussetzung dafür, dass ich mich überhaupt mit etwas beschäftige. Nur so kann etwas Neues entstehen.

Lade Karte ...

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*