«We have a voice. We have a choice», erklärt die Pussy Riot-Aktivistin Maria Alyokhina auf ihrer Tour durch europäische Länder
Russland hat gewählt – und natürlich wiederum Präsident Putin. Doch nicht alle Landsleute stehen hinter ihm. Besonders die Aktivistinnen von Pussy Riot machen weiterhin gegen ihn Stimmung. Kürzlich sprach in Zürich Maria Alyokhina zum Thema. Sie tourt mit ihrem Polit-Theater im Moment in Teilen Europas.
Es sei klar, dass die sieben Herausforderer Putins keine Chance für eine Wahl gehabt hätten, sagt Maria Alyokhina, die Aktivistin von „Pussy Riot“ und der Theatercrew ist. Boykott sei immerhin eine Möglichkeit, seinen Unmut zu demonstrieren, auch wenn dieser kaum sehr nützlich sei. Dies sei durch lautes Protestieren auf der Strasse, durch politisches Theater, durch Texte und Bücher schreiben und über die Musik möglich. Pussy Riot wählte schon früh die Musik.
Die im Jahr 2011 gegründete feministische, regierungs- und kirchenkritische Punkrock-Band aus Moskau fiel durch spontane Auftritte an öffentlichen Orten auf. Die jungen Aktivistinnen traten zum Beispiel in Metro-Stationen oder auf Busdächern auf, stürmten den Roten Platz in Moskau und trugen dabei Sturmhauben und leichte, grelle Kleider und Strümpfe. Im März 2012 brachte die Aufführung eines Punk-Gebetes in der orthodoxen Christ-Erlöser-Kirche in Moskau einigen eine Festnahme und eine international beobachtete Haftzeit ein.
Und gleichzeitig wurde weltweit diskutiert, was Kunst, Politik und Religion dürfen, müssen und können. Auch jetzt sind wieder zahlreiche Teenager auf den Strassen Russlands unterwegs. Sie sind mit der politischen Situation des Landes nicht zufrieden, begehren auf und machen auch nicht vor der Polizei oder irgendwelchen Schulbehörden Halt. Die Pussy Riot-Aktivistin zeigt sich deshalb optimistisch. „Protest muss aktiv sein“, findet sie. Der russische Geheimdienst greife bei Versuchen, die Menschen zum Schweigen zu bringen, regelmässig daneben. Was in den 1930er-Jahren funktionierte, das gilt nicht mehr für jetzt. Viele der aktivsten Menschen seien damals emigriert, heute aber ist das Ausland direkt vor die Tür gerückt.
Die Hauptwaffe des russischen Geheimdienstes ist die Angst der Bürgerinnen und Bürger. Doch ganz so einfach, wie damals, als die Pussy Riot-Aktivistinnen in einem Arbeitslager versorgt wurden, ist es heute nicht. Dennoch ist es schwierig, als unabhängiges Theaterhaus – Pussy Riot besitzt eine politische und höchst erfolgreiche Theatercrew – zu überleben. Alyokhina findet es wichtig, dass die Öffentlichkeit die Menschen mit Mut unterstützt und deren Projekte weiterverfolgt. „Es geht mir nicht nur um Pussy Riot“, sagt sie.
Während Russland kämpft, stört sich Maria Alyokhina manchmal daran, dass in der Schweiz die Teenager oft motivationslos (Beispiel Bülach) wirkten. Das wirke seltsam auf jemanden, der für seine Rechte kämpfte und dafür ins Arbeitslager ging. Auch, dass die Frauen in der Schweiz erst seit 1971 wählen dürfen, findet sie seltsam. Für sie bedeute dies, die Schweizer hätten wohl vorher kaum eine Notwendigkeit gesehen, eine Veränderung herbeizuführen. Dabei sei, “die Notwendigkeit zu fühlen”, für einen Wechsel, der erste wichtige Schritt.
Das politische Theater hat die aktive und stolze Russin im Jahr 2015 für sich entdeckt. Sie lebte damals in Calais in einem Flüchtlingscamp mit 5000 Flüchtlingen. Es war in Europa zu jener Zeit das grösste seiner Art. Natürlich hätte es viele europäische Studenten vor Ort gehabt, welche die Menschen dort unterstützten. „Für mich waren solche Erfahrungen immer wichtiger als jede Universität“, so Aloykhina. Wie auch sollte man die Politik verstehen, ohne jegliche Erfahrungen gesammelt zu haben?
In Russland macht sie die mangelnde Bildung und die Sehnsucht nach Sicherheit für den Erfolg von Menschen wie Putin verantwortlich. Es sei ein vermeintliches Sicherheitsdenken, eine Hoffnung auf eine starke Schulter und feste Hand. Doch mit den Jahren werde deswegen längerfristig die Persönlichkeit der Menschen aus dem Volk korrumpiert.