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Der Ständerat lenkt bei der Lohngleichheit ein

Der Ständerat lenkt bei der Lohngleichheit ein

Für kurze Zeit stieg am Dienstagmorgen die Frauenquote in der kleinen Kammer sichtbar an: Ein Dutzend Nationalrätinnen der Grünen, der SP, der GLP, CVP und BDP setzte sich auf die hinteren Bänke im Ständeratssaal, um der Debatte zur Einführung obligatorischer Lohnanalysen zu folgen. Gerade so, als wollten sie der mächtigen Männermehrheit im Stöckli zurufen: Passt auf, wir behalten euch im Auge!

Die demonstrative Präsenz der Politikerinnen dürfte keinen Einfluss auf den Ausgang der Debatte gehabt haben – anders als der Zorn vieler Frauen, der sich noch im Februar über die Ständeräte entladen hatte.

Selbstdeklaration fällt durch 

Damals hatte der Luzerner CVP-Ständerat Konrad Graber dem Rat überraschend und erfolgreich beantragt, die Vorlage an die Kommission zurückzuweisen, damit diese Alternativen zu den vom Bundesrat vorgeschlagenen Lohnanalysen prüfe. Sie tat es – um mehrheitlich zur Ansicht zu gelangen, dass es doch keine bessere Alternative gebe. Und der Rat sah es am Dienstag nicht anders: Mit 27 zu 15 Stimmen bei drei Enthaltungen sprach er sich dafür aus, dass Unternehmen mit mehr als 100 Angestellten – das sind weniger als ein Prozent aller Unternehmen – künftig alle vier Jahre eine Lohnanalyse durchführen müssen. Sie sollen so einer allfälligen Lohndiskriminierung der Frauen im eigenen Betrieb auf die Spur kommen. Wobei diese neue Bestimmung im Gleichstellungsgesetz, sofern ihr später auch der Nationalrat zustimmt, auf zwölf Jahre befristet wäre. Einzige Neuerung gegenüber den Kommissionsanträgen im Februar: Arbeitgeber im öffentlichrechtlichen Sektor müssen nicht nur – analog zu börsenkotierten Unternehmen – die Ergebnisse ihrer Lohnanalyse veröffentlichen, sondern ebenso die Überprüfung dieser Ergebnisse.

Auch Konrad Graber, der im Februar von den CVP-Frauen in den Senkel gestellt worden war, stimmte der Vorlage letztlich zu. Nicht, ohne sich davor noch ein wenig Asche übers Haupt zu streuen. Das von ihm gewählte Vorgehen bei der Rückweisung, sagte er, gehöre nicht zu seinen «politischen Sternstunden». In der Sache aber sei es wichtig gewesen, dass sich die Kommission nochmals mit Alternativen habe auseinandersetzen können. Darin ging selbst die zuständige Bundesrätin Simonetta Sommaruga (sp.) mit Graber einig. Eine Minderheit der Kommission, bestehend aus SVP- und FDP-Vertretern, schlug in dieser zweiten Runde tatsächlich auch ein alternatives Modell vor. Demnach hätten Unternehmen mit über 100 Angestellten lediglich mittels Selbstdeklaration bestätigen müssen, dass sie die Lohngleichheit eingehalten haben. Zehn Prozent der Angestellten eines Unternehmens hätten indes eine Überprüfung durch unabhängige Dritte verlangen können. Bei der Wahl der Analysemethode wären die Unternehmen zudem explizit frei gewesen, während die Mehrheit gesetzlich verankern will, dass sie wissenschaftlichen Kriterien zu genügen habe.

Werner Luginbühl (Bern, bdp.) bezeichnete den Vorschlag der Minderheit «aus liberaler Sicht» zwar als begrüssenswert. Eine reine Selbstdeklaration hätte in der Öffentlichkeit allerdings ein Glaubwürdigkeitsproblem und damit einen Makel. Nachdem der Ständerat die Vorlage des Bundesrats von weiterem Ballast befreit habe, sei das Konzept der Mehrheit nun «so einfach und schlank wie möglich» – und der Aufwand für die Unternehmen vertretbar angesichts des gesellschaftlichen Ziels der Lohngleichheit, das es zu erreichen gelte. Andere waren weniger gnädig in ihrer Beurteilung der Selbstdeklaration. Anita Fetz (Basel, sp.) kritisierte den Vorschlag als «reines Placebo». Er sei letztlich eine «Tarnkappe», um zu verbergen, was die Minderheit tatsächlich wolle: gar nichts. Und Bundesrätin Sommaruga meinte, die Frauen verdienten «ein besseres Gesetz», eines, das wirke. Hans Wicki (Nidwalden, fdp.) wies die Vorwürfe zurück. Auch zur Selbstdeklaration wären die Unternehmen verpflichtet; der Vorschlag würde aber die Eigenverantwortung und Effizienz stärker gewichten.

Bemerkenswert war die Position von Isidor Baumann (Uri, cvp.). Er hatte während der Debatte gemeinsam mit der Ratslinken versucht, den Vorschlag der Kommissionsmehrheit zu verschärfen und so wieder der ursprünglichen Vorlage des Bundesrats anzunähern. Nachdem aber all diese Anträge gescheitert waren, erklärte Baumann den Mehrheits- wie den Minderheitsvorschlag für untauglich – und lehnte die Gesetzesrevision am Schluss kurzerhand ab.

Unerklärte Lohndifferenz

Das Recht von Mann und Frau auf «gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit» ist seit 1981 in der Bundesverfassung verankert. Darauf berufen sich denn auch die Befürworter obligatorischer Lohnanalysen. Es ist allerdings nicht so, dass der Verfassungsgrundsatz seit 37 Jahren toter Buchstabe geblieben wäre, wie in der Debatte immer wieder suggeriert wird. Vielmehr ist das Lohndiskriminierungsverbot seit 1995 im Gleichstellungsgesetz verankert und dort auch mit einem expliziten Klagerecht untermauert.

Einer Mehrheit des Bundesrats und nun auch des Ständerats genügt diese Möglichkeit jedoch nicht. Sie begründet die Notwendigkeit zusätzlicher regulatorischer Eingriffe damit, dass weiterhin rund sieben bis neun Prozent der Lohndifferenz zwischen Männern und Frauen nicht mit Faktoren wie Ausbildung oder beruflicher Stellung erklärt werden können; wobei sie vermutet, dass sich hinter dieser nicht erklärten Komponente eine systematische, wenn auch vielleicht unbewusste Lohndiskriminierung der Frauen versteckt.

 

Bild: Die Nationalrätinnen Flavia Wasserfallen (sp.), Kathrin Bertschy (glp.), Claudia Friedl (sp.), Martina Munz (sp.), und Min Li Marti (sp.), verfolgen die Debatte um das Gleichstellungsgesetz im Ständerat.(Bild: Peter Klaunzer / Keystone)

Text: NZZ

Guten Tag

Eben erst in die Sommersession gestartet, gibts bereits Neuigkeiten aus dem Parlament:
Lohngleichheit: Die CVP-Herren im Ständerat haben die Kurve gekriegt
Der Ständerat hat am Dienstag 29. Mai wenigstens eine abgeschwächte Vorlage zur Lohngleichheit verabschiedet. Zugestimmt wurde einem Gesetz, …

  • das gerade einmal 0.85% der Unternehmen betrifft, immerhin aber beschäftigen diese 45% der Mitarbeitenden in der Schweiz.
  • das für Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber ausser Kraft tritt, wenn sie durch eine einmalige Lohngleichheitsanalyse die Lohngleichheit belegen.
  • dessen Massnahmen nach 12 Jahren ausser Kraft gesetzt werden sollen – unabhängig davon, ob die Lohngleichheit dann eingehalten wird oder nicht.

Doch selbst dies ist erst ein kleiner Schritt. Die Vorlage wird als nächstes im Nationalrat diskutiert und benötigt auch dort noch viel mehr Überzeugungsarbeit und weiterhin öffentlichen Druck.

allianceF

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