Scheinproblem Frau in christlichen Religionen – ein Dogmenwahn

Scheinproblem Frau in christlichen Religionen – ein Dogmenwahn

Ab und zu liest man tatsächlich, dass Jesus nicht nur im Alleingang die Nächstenliebe erfunden habe, sondern gleich dazu noch die Menschenrechte, und dass das Christentum quasi nebenbei auch die Frauen befreit habe. Ob bei den so Argumentierenden Dreistheit oder Dummheit am Werk ist, bleibt oft unklar.

Dass Frauen und Männer gleichwertig sind, das ist im christlichen Europa erst seit wenigen Jahrzehnten überhaupt ein Thema. Bis vor ein oder zwei Generationen galt, dass in einer Ehe der Mann automatisch „Haushaltsvorstand“ war, und dass in der Gesellschaft allgemein ganz selbstverständlich die Männer das Sagen hatten – die Älteren werden sich erinnern. Dieses Geschlechterverhältnis ergab sich schließlich direkt aus der Bibel: In der Schöpfungsgeschichte wird die Frau erst nach dem Mann, und dann auch noch nicht eigenständig, sondern aus dessen Rippe geschaffen. Später ist die Frau dann dafür verantwortlich, dass die Menschheit aus dem Paradies geworfen wurde und – je nachdem, welche Christen man fragt – mit der Erbsünde auch dafür verantwortlich, dass unsere Leben endlich sind, dass alle Menschen sterben müssen und dann vom Gott ewig in der Hölle gefoltert werden. Kein Wunder, dass man solchen Menschen die Autoschlüssel und die Hausratsversicherung lieber nicht anvertraut.

Auch im Neuen Testament hält sich der angebliche „Frauenbefreier“ Jesus mit belastbaren Aussagen zum Thema zurück – offenbar war diese Sache für ihn dann doch nicht allzu wichtig. Das würde gut passen, denn für Rabbi Jeschua, falls es ihn denn gab, war gar nichts Weltliches wichtig. Seine an seine jüdischen Glaubensgenossen gerichtete Botschaft, da sind sich wissenschaftlich arbeitende Neutestamentler einig, war „Das Ende der Welt steht unmittelbar bevor, und dann wird Gott Jahwe kommen und auf der Erde herrschen! Folgt mir, denn in dieses Reich Gottes kommt ihr nur durch mich!“

Paulus von Tarsus, der eigentliche Erfinder des Christentums, war mit seinen Anweisungen an die christlichen Gemeinden allerdings sehr deutlich (1 Kor 11):

Ich lasse euch aber wissen, dass Christus das Haupt eines jeden Mannes ist; der Mann aber ist das Haupt der Frau; Gott aber ist das Haupt Christi.

Der Mann aber soll das Haupt nicht bedecken, denn er ist Gottes Bild und Abglanz; die Frau aber ist des Mannes Abglanz. Denn der Mann stammt nicht von der Frau, sondern die Frau von dem Mann. Und der Mann ist nicht geschaffen um der Frau willen, sondern die Frau um des Mannes willen.

Im Paulus zugeschriebenen Brief an die Epheser (Eph 5):

Ihr Frauen, ordnet euch euren Männern unter wie dem Herrn. Denn der Mann ist das Haupt der Frau, wie auch Christus das Haupt der Gemeinde ist, die er als seinen Leib erlöst hat. Aber wie nun die Gemeinde sich Christus unterordnet, so sollen sich auch die Frauen ihren Männern unterordnen in allen Dingen.

Und weiter (1 Tim 2):

Eine Frau lerne in der Stille mit aller Unterordnung. Einer Frau gestatte ich nicht, dass sie lehre, auch nicht, dass sie über den Mann Herr sei, sondern sie sei still. Denn Adam wurde zuerst gemacht, danach Eva. Und Adam wurde nicht verführt, die Frau aber hat sich zur Übertretung verführen lassen.

Dass im Mittelalter, als das Christentum Europa für flockige 1.000 Jahre im eisernen Griff hatte, die Frauen den Männern gleichberechtigt waren, möchte wohl niemand behaupten. Obwohl es doch damals, als das Christentum sich über lange Zeit ohne Wenn und Aber durchsetzen konnte, eigentlich ideale Zustände hätten herrschen müssen. Inbesondere auch hinsichtlich der Menschen- und Frauenrechte. Merkwürdig, oder?

Wie dem auch sei, auf das Mittelalter folgte die Renaissance, abgewürgt von der Reformation und den daraufhin ausbrechenden Dreissigjährigen Krieg. Und, hat die Reformation der feministischen Sache weiter geholfen? Nun, zumindest der deutsche Chefreformator Martin Luther war in mittlerweile bester christlicher Tradition ein ausgewiesener Frauenfeind:

Der Tod im Kindbett ist nichts weiter als ein Sterben im edlen Werk und Gehorsam Gottes. Ob die Frauen sich aber auch müde und zuletzt tot tragen, das schadet nichts. Lass sie nur tot tragen, sie sind darum da.

Es ist ein arm Ding um ein Weib. Die größte Ehre, die das Weib hat, ist, dass wir allzumal durch die Weiber geboren werden.

Die Ordnung fordert Zucht und eher, dass Weiber schweigen, wenn die Männer reden.

Wenn also weder die Autoren des Alten Testaments (a.k.a. „Gott“), noch Jesus, noch Paulus, noch Luther die Abwertung der Frauen beendet haben, wer hat denn dann die Frauen befreit? Das ist erst passiert, als die Frauen Schleier und Kopftuch ab-, die Bibel weggelegt, und dafür das Heft selbst in die Hand genommen haben, und zwar im Rahmen der Aufklärung. Zwei Jahre nach der zuerst nur auf Männer zugeschnittenen Deklaration der Menschenrechte (nicht durch Jesus, sondern durch die französische Nationalversammlung) forderte Olympe de Gouges mit ihrer Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin im Jahr 1791 dieselben Rechte und Pflichten für Frauen ein. Der Weg war weit, fast zweihundert Jahre lang bremsten die in der christlichen Tradition verhafteten europäischen Gesellschaften den Fortschritt so gut wie es ging aus.

In der Schweiz wurde das Frauenwahlrecht sogar erst 1971 eingeführt. Mittlerweile sieht es langsam, ganz langsam so aus, als würde die Religion in dieser Sache aufgeben: Viele Protestanten erkennen mittlerweile Männer und Frauen als gleichwertig an. Der aktuelle Streit um die Nicht-Zulassung weiblicher Diakoninnen zeigt zusammen mit der Noch-Nicht-Einmal-Diskussion um das rein männlich besetzte Priesteramt, dass es in der römisch-katholischen Kirche mit Gleichberechtigung noch nicht allzu weit her ist.

Kein im Geiste der Aufklärung denkender, humanistischer Mensch würde Frauen den Männern als nachrangig betrachten. Viele Religiöse tun das auf Basis ihrer Heiligen Schriften aber heute noch.

 

Text: Die beschriebenen Bibelstellen wurden zusammengetragen von Heinz-Werner Kubitza für sein sehr schönes Buch „Der Dogmenwahn – Scheinprobleme der Theologie“.

Bild: Plattform  Man(n) glaubt es nicht 

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