Rosa Luxemburg stirbt in der Schweiz eigentlich ein zweites Mal
Die Linkssozialistin, Antimilitaristin und Vordenkerin Rosa Luxemburg wurde am 15. Januar 1919 durch Offiziere unter dem Kommando de Freikorpsführers Waldemar Pabst ermordet und ihre Leiche in den Berliner Landwehrkanal geworfen. Hundert Jahre später sind sie und ihr Erbe auch in der Schweiz wieder viel im Gespräch, allerdings nur bei jenen, die hinter die Kulissen schauen.
Es wurde in Schweizer Medien unter anderem beschrieben, wie Rosa Luxemburg den Deutschen Gustav Lübeck heiratete, um die Staatsbürgerschaft zu erhalten, oder wie der Nazi-Verbrecher Waldemar Pabst sich in die Schweiz absetzte und ich der Festnahme der Allierten entzog. Und ein fiktives Interview mit Luxemburg, das kürzlich veröffentlicht wurde, trug den Titel «Die Revolution ist grossartig, alles andere ist Quark».
Als das herrschende Regime nach der Niederlage Deutschlands unter Druck geriet, kam es zu Auseinandersetzungen, die immer gewalttätiger waren. Der deutsche Historiker Hans U. Wehler beschrieb es so: «Abseits der Haager Landkriegsordnung folgten sie ihren eigenen brutalen Regeln und einem verstiegenen Macho-Ehrenkodex, der sie vor Mord, Gefangenerschiessung und Folter nicht zurückschrecken liess.» Wer sich damals gegen den roten Terror habe, sei Teil einer verschworenen Bruderschaft geworden, deren Treue die politische Grundlage für das kommende Dritte Reich gebildet habe.
Die Ereignisse um die Ermordung der Rosa Luxemburg hätten die Schatten auch auf die Schweiz geworfen, obwohl davon nichts in den Schweizer Medien zu lesen war. Es wurde zwar einige Unterstützer Pabsts erwähnt, nicht aber weitere Verantwortliche in Freikorps oder jener, der sich an der brutalen Niederwerfung des Arbeiteraufstandes beteiligte und später zum reichsten Schweizer wurde: Emil G. Bührle, Gründer der Werkzeugmaschinenfabrik Oerlikon und grösster Waffenproduzent der Schweiz. Das Verhalten seiner Einheit gegen die Linken spielte eine grosse Rolle, weshalb Pabst keine Konsequenzen zu fürchten hatte.
Luxemburg-Mörder Pabst gilt zwar heute als «faschistischer Verbrecher, Waffenschieber und Putschist», er taucht aber in Zusammenhang mit Emil G. Bührle in zeitgenössischen Beprechungen nicht auf. Die Kulturredaktion des Tagesanzeigers meint im Zusammenhang mit dem Neubau des Kunsthauses dazu: «Bührle gehört mittlerweile zur Stadt». Wenn der Flankenschützer des Mörders zum Ehrenmann wird, stirbt Rosa Luxemburg in der Schweiz eigentlich ein zweites Mal – wie unendlich traurig!