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«Die Frauen waren die ersten am Grab»

«Die Frauen waren die ersten am Grab»

Mit Blut und Opfer kann Priorin Irene Gassmann wenig anfangen. «Ich vertrete eine Liebesmystik», sagt die Priorin vom Kloster Fahr. Wenn sie das Osterevangelium liest, steht für sie fest: «Niemand soll den Frauen in der Kirche mehr sagen, sie sollen sich mit den hinteren Plätzen begnügen.»

 

kath.ch: Fühlen Sie sich an den Kartagen manchmal verlassen?

Priorin Irene Gassmann*: Nein, ich fühle mich Jesus ganz nah. Das habe ich schon als Jugendliche gefühlt. Ich bin oft zu einem Kreuz auf einem Hügel spaziert. Auf dem Kreuzweg kann ich meinen Schmerz mit Jesus teilen. Diese Nähe gibt mir Kraft. Es tröstet mich, dass es jemanden gibt, der versteht, wie es ist, wenn ich mich von Gott verlassen fühle.

Wie haben Sie Ostern als Kind gefeiert?

Wir haben «genestet»: Wir haben dem Osterhasen ein schönes Nest gebaut und mit Blumen verziert. Das machen wir auch heute noch im Kloster. Ein paar Schwestern verstecken die Eier und Schokoladehasen, die wir geschenkt bekommen. Alle Schwestern haben Freude am Suchen.

Und dann gibt es das grosse Schlemmen?

Nein, wir stellen die Hasen auf und ab und zu schlachten wir einen zum Kaffee. Das grosse Schlemmen haben wir am Ostersonntag. Dann gibt es Hefetauben mit Butter und Honig zum Frühstück. Am Mittag gibt es eine Bouillon mit leckeren Zutaten, die wir segnen. Dazu gehört auch ein Osterkuchen mit Quark und Feigen. Das gönnen wir uns nach der Fastenzeit.

Was denken Sie über Opfer und Blut an diesen österlichen Tagen?

Für mich geht es am Karfreitag um das Kreuz und nicht um Blut. Ich sehe den Schmerz von Jesus am Kreuz und denke mir: Das hat Jesus für uns durchlitten. Aber vor allem sehe ich die Liebe von Jesus zu seinem Vater und die Liebe zu uns Menschen.

Sie halten nicht viel von einer Opfermystik?

Nein, ich vertrete eine Liebesmystik.

Das merkt man der Karfreitagsliturgie an, die Sie im Kloster Fahr feiern…

Seit acht Jahren feiern wir im Fahr die Liturgie mit der Meditation von unserer verstorbenen Mitschwester Silja Walter: «Komm, meine Rose, ich liebe dich.» Die Liebe von Jesus zu seinem Vater und zu uns Menschen steht für mich im Zentrum an Ostern.

«Je älter ich werde, desto seltsamer kommt mir der Unterschied vor, den die Kirche zwischen Frauen und Männer macht.»

An der Karfreitagsliturgie war kein Priester anwesend.

Wir feiern seit zehn Jahren ohne einen Priester. Den braucht es für diese Liturgie nicht, es ist eine Wortgottesfeier. Je älter ich werde, desto seltsamer kommt mir der Unterschied vor, den die Kirche zwischen Frauen und Männern macht.

Was bedeutet Ihnen die Erzählung der Frauen, die am Ostermorgen als erste zum Grab von Jesus kommen?

Das ist Ostern für mich! Die Frauen bereiten das Öl vor und machen sich auf den Weg zum Grab. Sie machen sich allerdings Sorgen, weil sie wissen, dass sie den schweren Stein vor dem Grab nicht allein wegwälzen können.

«Diese Kraft, diese Hoffnung in einer hoffnungslosen Situation bewegen mich.»

Was gefällt Ihnen an dieser Geschichte?

Dass die Frauen hoffnungsvoll aufbrechen, auch wenn sie wissen, dass sie es alleine nicht schaffen. Das finde ich stark. Diese Kraft, diese Hoffnung in einer hoffnungslosen Situation bewegen mich.

Welches ist die Rolle der Frauen an Ostern?

Die Frauen waren da. Sie standen unter dem Kreuz. Sie waren die ersten am Grab. Die Liebe zu ihrem Meister hat sie dazu gedrängt. Auch heute sind die Frauen da.

Wie meinen Sie das?

Ich meine, niemand soll den Frauen in der Kirche mehr sagen, sie sollen sich mit den hinteren Plätzen begnügen.

Sie haben ein spezielles Osterfeuer im Klostergarten.

Das ganze Jahr über erreichen uns Gebetsanliegen. Wir sammeln die Mails, Karten und Notizen und hängen die Zettel auf. Wenn neue Anliegen kommen, legen wir die alten in einen Korb. In der Osternacht segnen wir das Feuer und übergeben ihm die Zettel noch bevor wir daran die Osterkerze entzünden.

Woher haben Sie dieses Ritual?

Als ich 2016 mit der Gruppe «Für eine Kirche mit den Frauen» nach Rom gepilgert bin, haben wir viele Zettel mit Anliegen mitgenommen und sie in St. Peter vor dem Altar ausgeleert. Am Ende haben wir die Zettel wieder eingepackt und ich habe sie ins Kloster mitgenommen. An Ostern haben wir die Zettel dann verbrannt. Seither haben wir diesen Brauch.

Ihr Garten spriesst. Die Natur ist im vollen Saft. Feiert die Natur gerade Ostern?

Wir leben hier mit den Jahreszeiten und dem Kirchenjahr. Auch das ist Ostern, der dürre Baum, der plötzlich wieder in Blüte steht. Ein Wunder. Der Frühling gibt mir Energie für meine vielen Projekte.

* Irene Gassmann (55) ist Priorin des Benediktinerinnen-Klosters Fahr. Als Doppelkloster ist Fahr mit dem Kloster Einsiedeln verbunden.

Interview: Eva Meienberg, kath.ch

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