
Fünf lesenswerte Bücher über weibliche Lebenswelten – Teil 1
Frauen, Mütter, Töchter und feministische Anliegen – diese Themen durchziehen die zeitgenössische Literatur wie ein roter Faden. Auch Fragen zu Gendergerechtigkeit, Frauenmedizin, Generationen, Sichtbarkeit und den vielfältigen Lebenswelten von Frauen sind heute lebendiger und präsenter denn je. Katrin Schumacher, Literaturredakteurin bei MDR KULTUR, empfiehlt fünf feministische Sachbücher und Belletristik, die tief in das Leben von Frauen eintauchen.
Caroline Kraft und Elisabeth Wellershaus: «Politisch, poetisch, polemisch»
Dieser Sammelband präsentiert eine Auswahl feministischer Gegenwartsgeschichtsschreibung der vergangenen zehn Jahre – so lange existierte die Kolumne “10 nach 8” bei Zeit Online. In diesen Jahren sind 1.500 Texte von 600 Autorinnen entstanden, die sich mit Themen wie Flucht und Familie, Krieg, Rassismus und Sexismus beschäftigen, mit dem Blick auf das “migrantische Ich” oder der Sicht auf den eigenen Körper.
Radikal persönlich und mit klarem Blick auf gesellschaftliche (Un-)Möglichkeiten schreiben Autorinnen wie Annett Gröschner, Lin Hierse, Tanja Raich oder Karosh Taha. Und es sind nicht nur Texte von deutschsprachigen Autorinnen in dem Band, sondern ganz bewusst auch übersetze Texte versammelt, die Frauen in Krisengebieten und Diktaturen zu Wort kommen lassen, teils unter geändertem Namen, um die Frauen zu schützen. Auch Exilautorinnen sind in dem Band zu hören.
Eine Vielstimmigkeit, die wir bei Zeit Online vermissen werden und die schlussendlich die Frage aufwirft, ob gerade zu viele Räume für feministisches Schreiben wieder geschlossen werden?
«Politisch, poetisch, polemisch: Texte zur feministischen Gegenwart»
von Caroline Kraft und Elisabeth Wellershaus (Hrsg.)
Leykam Verlag, Feburar 2025
256 Seiten, 25,50 Euro
ISBN: 978-3-7011-8370-8
Maren Wurster und Franziska Hauser: «Ost*West*Frau: Wie wir wurden, wer wir sind»
Vom 27. bis 29. April 1990 fand in Berlin der erste organisierte Austausch der Ost- und Westfrauenbewegung statt. Man wollte eine gemeinsame feministische Strategie zum Einigungsprozess ausdiskutieren – doch zunächst einmal musste festgestellt werden, wie unterschiedlich der Feminismus in Ost und West “tickte”.
Was ist in nun in den vergangenen dreieinhalb Jahrzehnten geschehen? Diese Frage stellen sich die beiden Herausgeberinnen, die ostdeutsche Autorin Franziska Hauser und ihre westdeutsche Kollegin Maren Wurster und geben sie weiter an Antwortgeber*innen aus unterschiedlichsten Generationen. Neben Charlotte Gneuß und Kenah Cusanit kommen etwa Daniela Dahn und Thomas Brussig zu Wort, Katja Kullmann und Asal Dardan schreiben aus diversen Perspektiven.
Die Blickwinkel sind denkbar verschieden, wenn Florian Werber darüber schreibt, wie ihm drei ostdeutsche Frauen das Schreiben beibrachten oder Charlotte Gneuß bemerkt, dass ihr im “deutsch-deutschen Identitätenkarussel irgendwie immer so schlecht ist”. Ein Kaleidoskop der Beobachtungen und Erfahrungen, das auch davon erzählt, dass Differenz ungemein produktiv ist.
«Ost*West*frau*: Wie wir wurden, wer wir sind»
von Franziska Hauser und Maren Wurster (Hrsg.)
Frankfurter Verlagsanstalt, Februar 2025
256 Seiten, 22 Euro
ISBN: 978-3-627-00329-6