Alt Ständerätin Christine Egerszegi: «Du hast Gerechtigkeit verdient, liebe Elisabeth!»
Alt Aargauer Ständerätin Christine Egerszegi schrieb Elisabeth Kopp (1936–2023) zum 80. Geburtstag einen Text, den sie der AZ anlässlich des Todes der ersten Frau im Bundesrat zur Verfügung stellte. Kaum jemand kann die Leistungen der ersten Bundesrätin besser würdigen.
Am 2. Oktober 1984, dreizehn Jahre nach der Einführung des Frauenstimmrechts, wurdest du zur ersten Bundesrätin der Schweiz gewählt. Du hast es bereits im ersten Wahlgang mit 124 Stimmen geschafft. Deine Wahl war für uns alle eine Anerkennung der Leistung aller Frauen auf politischem Gebiet, auf den verschiedenen Stufen unseres Staatswesens, und wir waren tief berührt, als du bei Deiner Antrittsrede versprachst, dass du zwar nicht deinen Mann im Bundesrat stellen könnest, aber dass du als Frau und Mensch alle Kräfte in Dir aufbieten wirst…
Und das hast du getan: Du hast gekämpft für das neuen Ehe- und Erbrecht, den Geldwäschereiartikel, das Datenschutzgesetz, hast das neue Scheidungsrecht initiiert, und man könnte vieles Weitere anfügen. Tatsächlich hast du alle deine Kräfte aufgeboten, wurdest fast vier Jahre lang von der Presse in alle Himmel gelobt, warst an erster Stelle aller Beliebtheitsskalen – und trotzdem kam es zum Rücktritt als Bundesrätin. Wir konnten das kaum glauben. Es war wie ein schlechter Traum.
Die Erwartungen an dich als erste Frau im Bundesrat waren gross. Du warst angetreten, um diese zu erfüllen. Du wolltest 150 Prozent pflichtbewusste Bundesrätin sein und gleichzeitig nahm man dich bewusst als Ehefrau eines erfolgreichen Mannes wahr. Nur, im früheren Eherecht stand nur einer der Ehepartner im Vordergrund: der – nein, die andere, stellte sich diskret dahinter. Du hast mit Hans diese Gewohnheit gerade zweifach durchbrochen. Ihr beide seid prominent in der Öffentlichkeit gestanden; und erst noch du, als Frau an vorderster Stelle. In manchen Bereichen berührten sich eure Interessen, überlappten sich sogar. So war deine offizielle Stellung als Frau ungewohnt, ebenso die deines Ehemannes, der seine erfolgreichen Aktivitäten weiterführte.
Das führte regelrecht ins Schaufenster der Öffentlichkeit. Ihr wurdet bewundert, beneidet, gelobt, kritisiert, beobachtet, verglichen – und vielleicht gar ein wenig in die Einsamkeit der Zweisamkeit abgedrängt. Und dies mit Enthusiasmus, Gier und Unbarmherzigkeit. Erst das neue Eherecht, das ausgerechnet du als erste Bundesrätin durchgesetzt hast, machte dann langsam die gelebte Partnerschaft in der Ehe zur Normalität. So ist es heute selbstverständlich, dass beide Partner verschiedene erfolgreiche Wege gehen können. Ihr seid der Zeit einfach vorangegangen.
Liebe Elisabeth, du wurdest 1984 im ersten Wahlgang von der Vereinigten Bundesversammlung zur Bundesrätin gewählt. Am 7. Dezember 1988 wurdest du glanzvoll mit 165 Stimmen zur Vizepräsidentin des Bundesrates gewählt. Damit hat das Parlament ganz klar zum Ausdruck gebracht, dass die erste Bundesrätin ihre Arbeit im Bundesrat als Justizministerin gut und kompetent gemacht hat, und es ist mir ein Anliegen, dass man dieser Tatsache auch Rechnung trägt. Du bist eine aussergewöhnliche Frau, die für uns nachfolgende Politikerinnen ganz wichtige Spuren gelegt hat. Deshalb habe ich mich unglaublich gefreut, dass du damals meine Einladung an meine Nationalratspräsidentenfeier angenommen hast. Es war mir wichtig zu zeigen, dass du die Gerechtigkeit verdient hast, dass wir deine ganze Arbeit für unser Land überblicken und bewerten: Ja, du warst eine gute Bundesrätin. Ich danke dir für alles.
Deine Christine Egerszegi
Quelle: Aargauer Zeitung (Christine Egerszegi)
Bilder: SW-Bild Keystone Urs Flüeler / Farbbild: Vereidigung der ersten Frau zur Bundesrätin: In Begleitung von zwei Weibeln hebt Elisabeth Kopp am 2. Oktober 1984 in Bern bei ihrer Vereidigung im Nationalratssaal die rechte Hand zum Schwur. (Keystone)