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Bei den Mosuo in China wird das Matriarchat gepflegt – Regieren geht ohne Gewalt und ohne Strafe

Bei den Mosuo in China wird das Matriarchat gepflegt – Regieren geht ohne Gewalt und ohne Strafe

Ein Mann wollte wissen, wie es sich lebt, wenn Frauen das Sagen haben. Darum machte er sich auf die Reise zu den Mosuo in Südchina. «Männer haben dort keine Autorität. Es gibt keine Gewalt. Frauen dominieren auf ihre eigene Art», so sein Fazit.

Er habe wissen wollen, wie Frauen ticken, wenn sie schon von Geburt an die Gesellschaft bestimmen können, erzählte der argentinische Arzt und Journalist Ricardo Coler den Medien. Er selber stammt aus einem Partiarchat. «Ich weiss, was ein Mann ist, aber ich wusste nicht, was eine Frau ausmacht», sagte er, der erwartete auf ein «Paradies der Feministinnen» zu stossen – ein «umgekehrtes Partriarchat». Doch dies alles habe mit dem Leben der Mosuo gar nichts zu tun. Frauen dominierten in einer anderen Art und Weise. «Wenn sie herrschen, ist es immer Teil ihrer Arbeit». Die Idee, Güter anzusammeln, kennen sie nicht. Dies scheine eine männliche Gewohnheit zu sein.

Auch den Männern geht es gut

Eine neue Erkenntnis Colers ist ebenfalls, dass es, da wo Frauen herrschen, auch den Männern besser geht. Man sei für weniger verantwortlich, arbeite weniger und verbringe den Tag gemeinsam. Die Frau werde jede Nacht getauscht und der Mann werde sein Leben lang von seiner Mutter versorgt, die ihn bedient – und dies in einer Welt, in der ja sie das Sagen und das Geld habe. In einer reinen Form des Matriarchats dürfe der Mann nicht einmal im Haushalt oder bei der Kindererziehung mithelfen. Dies sei ein reines Privileg der Frauen. Offenbar hätten solch archaische Rollenmuster keine «herrschaftsbezeugende» Bedeutung im Matriarchat.

Obwohl es keine Gewalt gibt, haben auch die Mosuo ihre Probleme. Doch ihnen leuchte es nicht ein, warum diese mit Gewalt gelöst werden sollten. Niemand streite darum. Schuld- oder Rachegefühle seien ihnen unbekannt. Sich zu streiten, sei eine Schande und bewirke den Verlust des Ansehens. «Es sind starke Frauen, die klare Anweisungen geben», erklärt Coler. Wer versagt, wird nicht ausgeschimpft oder bestraft, sondern in seiner Aufgabe unterstützt.

Frauen als verlässlichere Partner(innen)

Für die Mosuo-Frauen seien Frauen die effektiveren und verlässlicheren Partner(innen). Doch die Entscheidungen, zum Beispiel eine Kuh oder eine Maschine zu kaufen, treffen die Männer, da diese sich mit Entscheidungsfindungen leichter täten. Auch der Bürgermeister und damit Höchste des Dorfes ist ein Mann, doch hat dies nur mit der körperlichen Stärke zu tun. Er geniesst kein besonderes Ansehen.

Liebe und Erotik sind allgegenwärtig bei den Mosuo. Wenn es ums Verführen geht, dann werden die Frauen schüchtern, schauen auf den Boden und singen leise vor sich hin. Sie lassen die Männer glauben, dass sie es seien, die sich eine Frau wählen, doch am nächsten Morgen geht der Mann wieder und die Frau sagt wieder, wo es lang gehen soll. Das Anwesen hat ein Haupttor und jede Frau wohnt in einem kleinen Haus, während die Männer zusammen in einem grossen Haus wohnen.

Hut am Haken heisst «besetzt»

An allen Haustüren ist ein Haken angebracht. Besucht ein Mann eine Frau, hängt er den Hut an diesen Haken. Verliebt sich eine Frau, wählt sie immer nur den einen Mann und er besucht nur noch sie. «Der einzige Grund, mit einem Mann zusammen zu sein, ist die Liebe», erzählt Ricardo Coler. Und sollte die Liebe schwinden, ist es vorbei – ganz unkompliziert, denn es gibt keine Fragen um die Kinder oder um Geld.

Verheiratet-Sein wird den Kindern als Horrorszenario gedroht, wenn sie nicht brav sind. Die Kinder gehören alleine der Frau. Obwohl im Rest von China – man denke an die chinesische Einkind-Politik – Söhne einen viel höheren Stellenwert haben, ist es bei den Mosuo anders. Hier ist es eine Katastrophe, keine Mädchen zu haben. Diesen Familien geht es wirtschaftlich schlechter, denn die Töchter bringen und verwalten das Geld. Da die Mosuo eine ethnische Minderheit sind, war es ihnen aber immer erlaubt, drei Kinder zu haben.

Die Familie ist der «Vater»

Für den «Vater» gibt es zwar einen Namen, doch dessen Aufgaben übernehmen die Frauen der Familie. Meist weiss eine Frau nicht, wer der Vater des Kindes ist, damit ist es auch sinnlos für die Kinder, einen Mann als Vater zu sehen. Die Frauen haben die materiellen Werte in der Hand. Die Familienbande sind eng. Mosuo-Familien trennen sich nie.

 

Bild: Stolze Mosuo-Frauen mit dem Bürgermeister, der kein Ansehen besitzt.

Der Artikel wurde im Oktober 2017 aufgeschaltet. Nach einem Kommentarbeitrag soll er nun wieder neu zum Lesen sichtbarer sein.

Erfahren Sie mehr über die Recherchen von Georg Klaar!

One thought on “Bei den Mosuo in China wird das Matriarchat gepflegt – Regieren geht ohne Gewalt und ohne Strafe

  1. Im ersten Moment dachte ich, ich lese ein Märchen. Das kann es aber wohl nicht sein, denn es wäre dann als solches beschrieben. Ich bin beeindruckt und es wäre bestimmt spannend, alle bestehenden Matriarchate unter die Lupe zu nehmen und den Lernbedarf für unserere Gesellschaft auszuloten 🙂 und natürlich umzusetzen. Vielen Dank für den tollen Artikel 🙂


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