“Dialog statt Zusammenprall der Kulturen – das Projekt Weltethos”

“Dialog statt Zusammenprall der Kulturen – das Projekt Weltethos”

Die Vortragsreihe der Fachhochschule St. Gallen in diesem Jahr beschäftigt sich mit dem Thema “miteinander leben”, ich verstehe es als “gut miteinander leben” – und dieses Thema interessiert mich, daher habe ich mich für die Reihe angemeldet. Auf den Vortrag von Prof. Dr. Riklin unter dem Titel “Dialog statt Zusammenprall der Kulturen” war ich besonders gespannt, weil mir das Konzept des “im Gespräch sein oder bleiben” besser gefällt als das des Kampfes, und ich finde es wichtig zumindest zu versuchen, auf diesem Weg etwas zu erreichen.

Anja Hansen

Prof. Dr. Riklin hat in seinem Vortrag mit seinem persönlichen Erleben begonnen, das gefällt mir immer sehr gut. Ich finde es einfach interessanter, wenn jemand von sich ausgeht und so ja auch nicht die allein selig machende Wahrheit für sich beansprucht. Er hat das Projekt Weltethos von seinem Freund, dem Schweizer Theologen Hans Küng vorgestellt und vertreten, in dem es verkürzt gesagt um den Dialog der Kulturen als Gegenentwurf zum Feindbild geht. Besonders gefallen hat mir der letzte Teil des Vortrags, als es um die Ziele des Dialogs ging.

Ziel der Gleichberechtigung

Herr Riklin hat hier sehr engagiert zu dem Ziel der Gleichberechtigung gesprochen. Mich hat er sehr schnell abgeholt mit der Eingangsfrage zu dem Thema: “Wussten Sie, dass die Frau ein defekter Mann ist? Haben Sie das gewusst?” Ich hoffe zumindest, dass er die Aufmerksamkeit des Publikums damit erreicht hat. Er bezieht sich da auf Thomas von Aquin, obwohl……. Es gibt ja schon bei den “alten Griechen” entsprechende Aussagen. Im antiken Griechenland war schliesslich der Mann der Mensch.

Jedenfalls, Prof. Dr. Riklin hat zu dem Thema Gleichberechtigung vor allen Dingen über die Gleichberechtigung der Frau gesprochen, die aus seiner Sicht bisher nirgendwo erreicht ist. Daher auch die Aussage, “etwa die Hälfte der Weltbevölkerung ist benachteiligt”. Er hat weit ausgeholt, um zu zeigen, dass die Herabsetzung der Frauen in allen grossen Weltreligionen zu finden ist – so wie auch, weniger bekannt, wertschätzende Aussagen in den Schriften zu finden sind. Leider konnte ich mir die verschiedenen Zitate nicht alle merken. Hängen geblieben ist allerdings das – wohl den meisten bekannte – “die Frau ist dem Manne untertan”. Frauenverachtung sieht Prof. Dr Riklin unter anderem in den Hexenprozessen, und er sieht die Diskriminierung der Frau als gesamtgesellschaftliches Problem nicht nur in den Kirchen.

Ich habe mich gefreut, dies von einem Mann, insbesondere einem Mann seiner Generation zu hören. Und aufgefallen ist mir, dass ein ebenfalls älterer Herr 2 Reihen hinter mir bei den Aussagen zu den Herabsetzungen, die Herr Riklin gegenüber der Frau sieht, zustimmend gebrummt hat, als wenn er es genauso sieht und ebenfalls nicht gut findet. Das ist jedenfalls so bei mir angekommen. Das zeigt mir, dass es ein Bewusstsein bei den, nein einigen, Männern gibt, was die Gleichberechtigung der Frau betrifft.

Vorsicht!

Ja, um zum Punkt von Prof. Dr. Riklin zu kommen, er hat eindringlich zur Vorsicht geboten, hier in der Schweiz die Stellung der Frau im Islam zu kritisieren. Auch wenn ich viele dieser Kritikpunkte berechtigt finde, stelle ich fest, er hat Recht! Es gibt vielfältige Gründe, um vor der eigenen Tür zu kehren und das Thema im eigenen Kulturkreis zu betrachten! Der Blick auf – echte oder vermeintliche – Missstände in anderen Kulturen verstellt sehr schnell den Blick auf die eigenen Missstände. Es kann sehr bequem sein, sich gegen das Kopftuch oder gar die Vollverschleierung bei Frauen in islamischen Kulturen zu stellen und sich damit auf die Fahne zu schreiben, man setze sich doch für die Rechte der Frauen ein oder engagiere sich gegen die Unterdrückung der Frauen. Es kann deshalb sehr bequem sein, weil es so weit weg ist von unserem Leben und Erleben und somit kein ureigenes Umdenken fordert, keine Änderungen in den Strukturen unseres Kulturkreises.

Von mir persönlich ausgehen

Ja, da bin ich wieder beim Ausgangspunkt unseres Gesprächs, ich finde es gut, von mir, von mir persönlich auszugehen und bei gesellschaftspolitischen Fragen von der Gesellschaft, in der ich mich bewege, von dem Kulturkreis, in dem ich mich befinde. Und nicht von irgendeinem anderen, von dem ich vielleicht gar nicht so viel weiss.

Fülle statt Mangel sehen

Was mich an dem Vortrag von Herrn Riklin nicht zuletzt angesprochen hat, war der Hinweis darauf, dass es immer auch wichtig ist, die Chancen zu betrachten, nicht nur die Probleme. Denn nur, wenn wir die Chancen sehen, können wir sie auch ergreifen! Das dürfen wir nie vergessen, wenn wir uns Probleme ansehen oder diskutieren! Wie Du es auch immer sagst, Erika, aus der Fülle schöpfen, nicht aus dem Mangel. Sonst verpassen wir vielleicht die Chancen, die sich uns Frauen bieten. Über unsere Chancen könnten wir doch mal im Rahmen des DenkSalons der DenkBar Genossenschaft diskutieren. Wäre das nicht eine Idee?

Vadian Lectures

Die Vorträge der FHS St. Gallen finden jeweilen im Kantonsratssaal St. Gallen statt.

Auch wenn der Mensch ein zur Selbstbestimmung fähiges Wesen ist, kann er nicht vollkommen autark leben. Als soziales Wesen ist er auf seine Mitmenschen angewiesen und muss sich mit den komplexen Fragen des Zusammenlebens auseinandersetzen. Brisant wird es immer dann, wenn unterschiedliche Lebensentwürfe aufeinander prallen, die sich nicht ohne weiteres miteinander vereinbaren lassen. Wie kann dann statt eines Nebeneinanders ein Miteinander gelingen und was bedingt es?

Die Vadian Lectures beschäftigen sich im 2015 mit unterschiedlichen Facetten und Herausforderungen des menschlichen Zusammenlebens und erörtern diese aus einer ethischen Perspektive.

5. März 2015 Toleranz und Koexistenz

7. Mai 2015 Projekt Weltethos – Dialog statt Zusammenprall der Kulturen

1. Oktober 2015 Vertrauen

19. November 2015 Lebenslügen

Hauptbild: Prof. Dr. iur. Alois Riklin

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