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Die Schmerzen von früher und die Frauen, die sorgen und helfen

Die Schmerzen von früher und die Frauen, die sorgen und helfen

Im Sommer 2014 wurde Esther Hindermann, langjährige Chefärztin für Psychosomatik der Klinik Barmelweid, pensioniert. Sie wirkte während 24 Jahren in dieser Institution und hat Pionierarbeit geleistet. Am Sonntag war sie als Gast von Pro Endiveld mit Anne Helfrich im Gespräch. Auch Samuel Sägesser war Interview-Gast. Er  hat das Hilfswerk “Tischlein deck dich” aufgebaut.

Ein Gesprächspartner der Runde “Gäste im Gespräch” war Samuel Sägesser, der das “Tischlein deck dich” auf die Beine gestellt hat. Sein Werk hilft besonders auch den Frauen, die für das tägliche Brot ihrer Familien Nutzen aus den – für den symbolischen Tarif von einem Franken erhaltenen – Lebensmitteln  ziehen. Es sind Freiwillige, Zivildienstleistende und Menschen in Beschäftigungsprogrammen, die für das Sortieren, den Transport und die Verteilung zuständig sind – auch hier wieder zu einem grossen Prozentsatz Frauen.

Das “Tischlein deck dich”, mit Sitz in Winterthur, gibt es heute an veschiedenen Orten in der Schweiz. Zu Beginn war es ein grosser Kampf, Grossverteiler davon zu überzeugen, dass man mit dem Verteilen von nicht mehr verkaufbarem Essen an Bedürftige, keine Kunden verliert. “Diese können sich nämlich die Lebensmittel meist gar nicht leisten, müssen sparen und rechnen, wie und wo es immer geht”, sagt Samuel Sägesser, ehemaliger Milchverarbeiter und “Tischlein deck dich”-Pionier.

Rund 12’500 Menschen profitieren wöchentlich vom “Tischlein deck dich”. Das Tischlein wird saisonal und immer überraschend gedeckt. Es hat, was es hat und solange es hat. Man rechnet, dass rund 2 Millionen Tonnen Lebensmittel im Jahr weggeworfen werden, ein Grossteil davon, kommt schon gar nicht ins Regal. Vielleicht hat der Apfel einen kleinen Fleck, oder die gewünschte Grösse stimmt nicht. Gerade die Frauen haben es in der Hand, einzukaufen, was die Familie wirklich braucht. “Ein Joghurt ist auch nach dem Ablaufdatum noch eine ganze Weile frisch”, so müsse gar nichts weggeworfen werden, erklärt der Mann hinter dem “Tischlein deck dich”.

Frauen können kaum nein sagen

Eigentlich sollten in “Gäste im Gespräch” zwei ganz verschiedene Menschen aufeinander treffen. Mit Esther Hindermann, langjährige Chefärztin der Klinik Barmelweid, und Samuel Sägesser,”Tischlein deck dich”-Aufbauer, schien dies der Fall zu sein. Doch falsch: Beide haben Pionierleistungen erbracht, solche, die besonders auch Frauen zugute kommen und beide stammen aus recht einfachen Verhältnissen.

Auf die Psychosomatik ist Esther Hindermann als junge Ärztin sowieso über die Frauen gekommen. Oft seien Krankenschwestern mit Schmerzen zu ihr in die Praxis gelangt, die man keiner Krankheit richtig zuordnen konnte. Sie fühlten sich müde, antriebslos, ausgelaugt, hatten Migräne, Angstzustände, Rückenschmerzen… Von Burnouts sprach damals noch niemand. Doch Esther Hindermann liebte den Austausch mit den Patienten und fragte nach, ging allem auf den Grund. Dabei traten meist Ursachen hervor, welche in der Kindheit, der Erziehung oder ähnlich lagen.

“Frauen können schlecht nein sagen, besonders jene über 40. Den jüngeren Semestern fällt dies heute leichter”. Man wurde als Frau dazu erzogen, immer lieb, dienstfertig und brav zu sein. Frauen fühlen sich auch immer für alles verantwortlich, können sich oft schlecht abgrenzen, helfen auch, wenn etwas nicht ihre Aufgabe ist.

Esther Hindermann baute in der Barmelweid die Psychosomatik auf und machte sie pionierhaft zum bestens angesehenen Projekt in der ganzen Schweiz. Sie ist aber auch die erste Frau überhaupt, die im Kanton Aargau einen Chefarztposten bekam. In einfachen Verhältnissen aufgewachsen, verriet die engagierte Frau ihr schönstes Kindheitserlebnis: Wenn sie mit Opa ins Restaurant gehen durfte und viel Fleisch zum Essen bekam. Zuhause hätte man dies nämlich kaum gekannt.

Mittlerweile pensioniert, ist Esther Hindermann als Grossmami aktiv, hilft ihrem Nachwuchs besonders auch mit dem kürzlich geborenen Doppelpack. Zu Velo, zu Fuss, auf kleinen Reisen in der Schweiz und manchmal im Ausland unterwegs, geniesst sie das umtriebige Leben als Pensionistin – und bleibt zu einem kleinen Prozentsatz auch weiterhin in der Barmelweid als Ärztin im Einsatz. Darüber freuen sich besonders auch psychosomatisch erkrankte Frauen.

 

Samuel Sägesser über das “Tischlein deck dich”

Die Klinik Barmelweid als Vorzeigeinstitution für Psychosomatik

 

Samuel Sägesser und Esther Hindermann (rechts) unterhalten sich mit Moderatorin Anne Helfrich (Bild: Cornelia Forrer)

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