Die Schweizer Frauenrechtlerin Marthe Gosteli ist für immer verstummt – es bleibt uns ihr Wirken
1982 gründete Marthe Gosteli auf dem elterlichen Bauerngut in Worblaufen bei Bern (heute Ittigen) ein Archiv der Schweizer Frauenbewegung – die wichtigste und grösste Sammlung zur Frauengeschichte der letzten beiden Jahrhunderte in der Schweiz. Bis vor kurzem arbeitete die Frauenrechtlerin noch selber in ihrem Archiv. Nun hat sich die fast 100 Jahre alte Grande Dame für immer verabschiedet.
Die Stimme der bekannten Schweizer Frauenstimmrechtlerin ist zwar verstummt, doch ihre Erscheinung und ihr Werk werden niemals verblassen. Mit der Gosteli-Stiftung verleiht Martha Gosteli all jenen vergessenen Frauen nämlich auch weiterhin ein Gesicht, die für Frauenrechte und Gleichstellung kämpften und dies auch weiterhin tun.
«Sie hält die Erinnerungen an deren Tun lebendig und verankert dieses Bewusstsein in der Öffentlichkeit», vermeldete die Burgergemeinde Bern, als sie sich im Februar entschloss, die Stifterin und ihre Stiftung mit einem der grössten Kulturpreise der Schweiz auszuzeichnen. Doch auch Gostelis Wohngemeinde Ittigen hat nach ihr eine wichtige Verbindungstreppe benannt. Und 1995 wurden ihr von der Universität Bern die Ehrendoktorwürden verliehen. Im Jahr 2011 erhielt sie zudem den Preis der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM).
Was aber hat Marthe Gosteli uns Frauen und Männern in der Schweiz vererbt? Wie war ihr Leben? Und was hat sie angetrieben? Der Ittiger Gemeindepräsident Marco Rupp würdigte Gosteli als «beeindruckende Persönlichkeit». Bis zuletzt habe sie am gesellschaftlichen Leben teilgenommen. Nur von einem Sturz habe sie sich nicht mehr erholt und sei nur ein paar Wochen später an den Folgen verschieden. Die Frauenrechtsbewegung in den 1960er-Jahren wurden stark von Marthe Gosteli geprägt. «Sie hat damals Pionierarbeit geleistet», anerkannte Rupp.
Ihre Themen waren klar: Gleiche Recht für Frau und Mann. Noch am letzten Frauentag am 8. März 2017 meldete sich Marthe Gosteli im Interview auf Radio SRF zu Wort und wünschte sich «keinen Frauentag, sondern eher einen Tag der Gleichstellung für alle». Geprägt von einer ebenso starken Mutter, hat Marthe Gosteli ihr Leben der Gleichstellung gewidmet und dafür auf eine Heirat und Kinder bewusst verzichtet. An einer Demonstration sah man die Grande Dame der Frauenbewegung aber nie. «Wir müssen handeln und nicht demonstrieren». Es gelte zu kämpfen, Widerstände zu beheben und vorallem zu «verhandeln». Damit komme man klar am ehesten ans Ziel.
Das Bild von einer Gazelle, das in ihrem Büro hing, nahm sie sich zum Leitbild für ihre Arbeit. Es passe gut als Symbol, was zu erreichen sei. «Frauen haben eine Geschichte – auch in unserem Land». Dies sei lange nicht berücksichtigt worden. Grosse Leistungen seien damit nicht gewürdigt worden. Darum habe Gosteli ihr Frauenarchiv und ihre Stiftung auf die Beine gestellt – ihr ganz persönliches Erbe an alle Frauen und Männer in der Schweiz.
Die Geschichte ist nun weitgehend gesichert, vieles ist im Sinne einer Gleichstellung von Mann und Frau bereits erreicht. Der Kampf ist aber auch in Zukunft nötig, gerade weil sich viele jüngere Frauen im Erreichten sonnen. «Nun muss die Gleichstellung endlich in den Köpfen verankert werden», sagte Gosteli noch kurz vor ihrem Tod.
Ein Buch über Marthe Gosteli und ihr Werk, das sich zu lesen lohnt!
Bild: Marthe Gosteli stand gern durch ihre Aufgabe im Zentrum und hielt sich sonst lieber zurück (zVg Bund)