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Diversität und Respekt – Filmfestivals in der Schweiz zu LGBTQAI+Filmschaffen

Diversität und Respekt – Filmfestivals in der Schweiz zu LGBTQAI+Filmschaffen

Mehrere Filmfestivals in der Schweiz widmen sich dem LGBTQAI+-Filmschaffen. Sie zeigen Filme, die Sehgewohnheiten erweitern und Geschlechterordnungen hinterfragen. Ein Gespräch mit den Festivalmacher*innen von Queersicht in Bern, Pink Apple in Zürich und Frauenfeld und Luststreifen in Basel über schwulen Mainstream, Heteros an Homoanlässen, Lesbenfilme aus Männerhand und das Ende von Kategorisierungen.

2019 ist ein besonderes Jahr für die LGBTQAI+-Community:  Vor 50 Jahren begann mit dem Stonewall-Aufstand gegen Polizeirepression in New York die LGBTQAI+-Bewegung, vor 25 Jahren fand in Zürich zum ersten Mal die Pride Parade statt. Die Stadt Zürich hat zu diesem Anlass heuer die Strassen in Regenbogenfarben dekoriert. Die Anliegen der Community scheinen angekommen zu sein. Wie werden eure Festivals wahrgenommen?

Pascale Thomann (Luststreifen, Basel): Tara Toffel und ich sind erst seit zwei Jahren dabei, aber man merkt, dass das Publikum wächst, auch wenn es sich immer noch vor allem um Leute aus der Szene handelt. Es gibt noch wenig Überraschungsmomente, in denen ich finden würde: «Ah, schön, dass so eine Person oder so eine Gruppe auch an unser Festival kommt.» Es wäre wünschenswert, dass das Publikum vielfältiger wird. Das ist jedenfalls unser Ziel.

Beat Scheidegger (Queersicht, Bern): Wir sind sehr gut in Bern verankert. Uns gibt es auch schon lang, und wir werden unterstützt von der Burgergemeinde und von der Stadt Bern. Bei uns kommen ganz unterschiedliche Leute. Ich habe aber den Eindruck, dass es ein zweischneidiges Schwert ist: Es ist uns wichtig, dass alle Leute kommen, dass wir die Offenheit ausstrahlen, denn es geht um Filme, um Kultur. Gleichzeitig gibt es Menschen, die das erste Mal an ein solches Festival kommen, die vielleicht ihr Coming-out haben und für die Filme Wegweiser im Leben sind. Für sie müssen wir auch da sein und einen geschützten Raum bieten. Es ist ein Festival für die Community, an dem wir uns und unsere Themen wiederfinden.

Habt ihr Angst vor einer Verwässerung?

Beat Scheidegger: Wir haben mal eine Party organisiert, an die alle gekommen sind. Es gab dann Leute, die sich nicht mehr wohlgefühlt haben, wenn etwa Männer Frauen angebaggert haben. Es ist wichtig, die Balance zu finden. Ich finde es nicht gut, wenn wir ein «Gärtli-Festival» veranstalten nur für uns. Wir wollen eine grosse Reichweite, gleichzeitig geht es darum, die Ziele und den Geist der Anfänge zu bewahren.

Doris Senn (Pink Apple, Zürich/Frauenfeld): Pink Apple ist klar ein Festival für die Community. Das hat sich in den 22 Jahren, in denen es das Filmfestival gibt, gezeigt. Wir mussten lange um Anerkennung kämpfen, vor allem im Bereich der finanziellen Unterstützung. Auch die Medien haben sich lange nicht für uns interessiert. Seit etwa fünf Jahren decken sie es aber vermehrt ab. Sogar kleine Landzeitungen berichten über das Festival. Ich habe keine Angst, dass es eine Verwässerung gibt, aber uns fällt auf, dass die Leute jene Filme sehen wollen, über die die Medien geschrieben haben. Sie kommen, um den Film zu sehen und nicht an ein schwullesbisches Filmfestival. Das ist uns auch wichtig, denn wir zeigen so viele tolle Filme, die für alle funktionieren. Da ist es wesentlich, dass es keine Schwellenangst gibt. Viele, die nicht schwul oder lesbisch sind, haben vielleicht Angst, dass sie dort nicht erwünscht sind oder auffallen oder die Filme nicht verstehen. Die Medien können hier eine Brücke bauen. Das finde ich sehr wichtig. Diese Durchmischung streben wir an, auch wenn wir in erster Linie von der Community besucht werden.

Pink Apple ist mit je einer Ausgabe in Zürich und in Frauenfeld, was sicher ein ganz unterschiedliches Pflaster ist.

Doris Senn: Genau, das Festival ist in Frauenfeld entstanden und hat vom Apfelkanton auch seinen Namen. Weltweit ist es wohl das einzige queere Festival, das in der Provinz entstanden und dann erst in die Grossstadt gezogen ist. Wir bleiben aber auch in Frauenfeld.  Wir geniessen dort die Unterstützung der Stadt und des Kantons. Und es sind auch politische Gründe: Der Thurgau ist einer der wenigen Kantone, die seinerzeit das Partnerschaftsgesetz abgelehnt haben. Wir erreichen mit unserem Programm etwa 600 Leute, unsere Präsenz ist wesentlich als Teil queerer Sichtbarkeit.

Pink Apple gibt es nun schon seit 22 Jahren, Queersicht sogar seit 23 Jahren: Was sind die grössten Veränderungen, die ihr in eurer Zeit beim Festival festgestellt habt?

Beat Scheidegger: Ich bin seit elf Jahren dabei. Zu Beginn war Queersicht ein sehr politisches Festival. Es ist aus der Berner Reitschule heraus gegründet worden, in der Homo AG, wie es damals hiess. Das waren bewegte Zeiten. Ein Thema ist das Engagement, das Kämpfen für Rechte oder politische Inhalte. Es ist immer wieder schwierig, Leute zu finden, die mitmachen wollen. Wir sind ein Verein und immer noch basisdemokratisch organisiert, wie es in der Reitschule gepflegt wird. Manchmal kann man nicht anders, als die Hände zu verwerfen: «So kann man kein Festival organisieren!» (lacht). Auf der anderen Seite stehe ich voll dahinter, denn aus den gemeinsamen Diskussionen entsteht etwas Wunderbares. Manchmal diskutieren wir nächtelang, und dann denkt man: «Nicht schon wieder!» Aber daraus resultiert ein Destillat, das wohl nicht entstehen würde, wenn wir eine Leitung hätten. Wir sind nicht unpolitischer geworden. Gerade die jüngere Generation engagiert sich wieder stark. Etwa die Milchjugend. Für mich alten Hasen ist es manchmal ein bisschen anstrengend (lacht).

Doris Senn: Was sich grundsätzlich verändert hat, ist die Anzahl Filme. Damit kämpfen viele Festivals. Die Zahl ist exponentiell angestiegen; bei den Männern etwas mehr als bei den Frauen, was der allgemeinen Filmszene entspricht. Am Anfang haben wir das Filmprogramm noch zu zweit zusammengestellt. Jetzt ist das Programmteam auf zehn Personen angewachsen. Es ist eine Riesenmenge an Filmen, gerade an Kurzfilmen, die eingereicht werden. Eine Flut, die allerdings nicht unbedingt bedeutet, dass es auch viel mehr gute Filme gibt. Was sich für uns noch verändert hat: Am Anfang standen nur die Filme im Zentrum, später stellten wir mit anderen Organisationen Rahmenveranstaltungen auf die Beine. Das hat sich etabliert. Es ist uns wichtig, dass wir inner- und ausserhalb der Community vernetzt sind und auch vernetzend wirken.

Beat Scheidegger: Das ist bei uns am Queersicht auch der Fall. Zudem haben sich die Filme thematisch verändert. Eine Zeit lang habe ich mich über die immer gleiche Art von Filmen gelangweilt.  Coming-out-Filme sind relevant, aber das queere Filmschaffen ist lange in diesem Thema hängengeblieben. Jetzt gibt es eine grosse Anzahl an sehr unterschiedlichen Themen. Es ist toll, wenn eine lesbische Frau auf den Mond fliegt oder ein schwuler Mann eine Bank überfällt, dass die Filme eine Geschichte erzählen und weniger immer nur die Themen Lesbisch, Schwul, Trans, Queer in den Mittelpunkt stellen. Die Selbstermächtigung ist wichtig, aber es muss weitergehen. Auf der anderen Seite besteht  die  Gefahr des Mainstreams. Es ist gut, dass die Filme das grosse Publikum erreichen. Auf der anderen Seite mussten wir die Perlen aus dem riesigen Teich fischen. Letztes Jahr hatten wir Filme aus Cannes, die wir früher nicht bekommen hätten. Aber wo sind die kleinen, frechen Perlen geblieben in unserem Programm? Wir dürfen auch wieder unangepasster werden und subversive Filme zeigen (wendet sich an Tara und Pascale von Luststreifen). Das hat mir bei euch letztes Jahr sehr gefallen, weil ihr den  Mut hattet,  weiter über die Grenze zu gehen als wir. Das war frech, feministisch, skurril.

Könnt ihr uns euer Programm und eure Ausrichtung etwas näherbringen?

Tara Toffol: Luststreifen gibt es schon im zwölften Jahr, und wir haben bereits eine grosse Entwicklung hinter uns. Ursprünglich war Luststreifen ein Filmwochenende, das von der HABS, der homosexuellen Arbeitsgruppe Basel, gegründet wurde. Die Auswahl war zwar bereits queer, aber kommuniziert wurde bloss, dass schwule – später ergänzt durch ein lesbisches Filmwochenende – Filme gezeigt werden. Es ging der Gruppe darum, für sich einen Raum zu schaffen für Repräsentation und Selbstidentifikation. Mensch merkt in Basel, dass das Festival an diese historische Entwicklung gebunden ist, die der Feminismus und die Queer-Community durchgemacht haben. Erst in den letzten fünf Jahren ist das Festival wirklich queer geworden, sodass mensch sich nicht mehr auf eine Art von Identität beschränkt, sondern versucht, all die verschiedenen Lebens- und Liebesrealitäten abzubilden. Um nicht wieder eine Kategorisierung vorzunehmen, wählen wir den Sammelbegriff «queer». Mensch findet sich schliesslich auch nicht immer in einer Kategorie. Jetzt ist es das Ziel, Diversität aufzuzeigen. Der Mainstream zeigt oft nur eine Perspektive oder deckt vieles schlicht nicht ab. Wir versuchen, die Tabus zu brechen und Klischees aufzudecken  und die  herrschen- de Geschlechterordnung zu hinterfragen. Da wir ein kleines, unabhängiges Festival sind, haben wir auch die Möglichkeit, provokativ zu sein.

Pascale Thomann: Wir von Luststreifen sind ein extrem junges Team, zwischen zwanzig und Anfang dreissig. Viele sind zum ersten Mal dabei. Vielleicht auch mit einer gewissen Naivität. Man schaut einfach, was es gibt und was uns gefällt. Darum ist unser Programm so divers, wir zeigen Filme, die uns überzeugen.

Wie steht es mit Schweizer Produktionen? Gerade im Bereich des Kurzfilms seien die Einreichungen zahlreich und werden immer mehr.

Doris Senn: Im Vergleich mit anderen Ländern steht die kleine Schweiz sehr gut da. Aktuell ist «Madame» von Stéphane Riethauser zu erwähnen, der dieses Jahr in Nyon Premiere feierte und dann bei uns gezeigt wurde. Riethauser erzählt anhand von Home Movies von seiner Jugend und dem langsamen Hineinfinden ins Schwulsein. Er porträtiert damit auch ein bestimmtes Milieu in der Schweiz zu einer bestimmten Zeit. Aber auch in den Filmschulen entstanden und entstehen sehr viele Projekte.

Was sind eure Kriterien bei der Auswahl von Filmen? Was ist ein «guter» Film? Oder: Gibt es Filme, die ihr nicht mehr sehen wollt?

Beat Scheidegger: Ja, was ist ein guter Film? Das ist eine schwierige Frage.

Doris Senn: Die Frage kann man eigentlich nicht beantworten, denn solange ein Film vom Inhalt, von der Botschaft und der Umsetzung her standhält, ist es ein guter Film. Es gibt eigentlich keine Einschränkungen. Wir zeigen sechzig Lang- und sechzig Kurzfilme und zeigen nur das, zu dem wir auch stehen. Wir sind sehr breit aufgestellt: alle Formate und Genres, von Mainstream bis Experiment.

Beat Scheidegger: Wir haben zum Teil intensive Diskussionen, zum Beispiel über einen Film über eine lesbische Beziehung, der von einem Mann stammt. Es geht dann darum, zu entscheiden, ob der Film dem Thema gerecht wird. Aus feministischer oder Trans-Sicht. Da gibt es schon die Gefahr, dass man ins Fettnäpfchen tritt. Ich finde es zwar wichtig, Rücksicht zu nehmen, aber teilweise ist es auch schwierig, mit den Befindlichkeiten innerhalb der Queerkultur richtig umzugehen. Wir stehen der Reithalle sehr nahe, mit ihren links-feministischen Sichtweisen. Es sollen sich alle vertreten fühlen, aber Humor ist dabei auch sehr wichtig. Kürzlich haben wir über das Thema Gewalt diskutiert, darüber, ob wir bei gewissen Filmen Trigger-Warnungen anbringen müssen. Aber die Zuschauer*innen sind ja erwachsen. Müssen wir uns da selbst zensurieren?

Welche Rolle spielt die Identität des Urhebers oder der Urheberin für die anderen? Ist es ein Kriterium für die Auswahl, ob ein heterosexueller Mann einen Film über queere Themen dreht?

Doris Senn: Nein, der Film muss für sich reden und bestehen. «Fucking Åmål», einer der grossen Lesbenfilme aus den Neunzigern, ist von einem Heteromann.

Aber eine gewisse Sensibilität für dieses Thema gibt es doch?

Doris Senn: Ja, das sieht man meistens schon in der ersten Einstellung, wenn es um Erotik und Sexualität geht. Man merkt bald, was für ein Blick oder welche Identität dahinter steht und ob es für die dargestellte Gruppe funktioniert.

Pascale Thomann: Das ist bei uns nicht anders, zusätzlich sind Fragen des Feminismus relevant. Da gibt es schonFilme, die wir nicht zeigen, weil sie nicht zu dem passen, was wir repräsentieren wollen. Aber es ist weniger wichtig, von wem der Film ist, als was der Film zeigt.

Tara Toffol: Worauf wir besonders achten, sind faire Produktionsbedingungen, denn wir haben auch einen Porno-Kurzfilmblock. Insbesondere die Mainstream- Pornoindustrie arbeitet unter menschenunwürdigen Bedingungen. Das möchten wir auf keinen Fall fördern, nicht nur, was die Arbeitsbedingungen angeht, auch die Repräsentation und Darstellung von Sexualität wollen wir nicht reproduzieren.

Doris, du hast gesagt, man sieht ziemlich schnell, was für ein Blick hinter einem Film steht. Das bezieht sich eher auf den Inhalt. Wenn man nun nach dem Wie fragt: Gibt es so etwas wie eine queere Ästhetik für euch?

Doris Senn: Die bekannte amerikanische Publizistin Susan Sontag hat ja dafür den Begriff «Camp» definiert. Ich finde ihre Definition einer queeren Ästhetik jedoch vor allem zutreffend für eine bestimmte Art Filme, auch aus einer bestimmten Zeit, als vieles noch nicht offen gesagt werden konnte – dabei geht es nicht zuletzt um eine Art der Ironie oder wie Konventionen und Gesellschaftsnormen unterwandert und infrage gestellt werden.

Beat Scheidegger: Das Unverfrorene, das, was «Camp» ist, das Farbige, Knallige, fast Oberflächliche… Es ist etwas Subtiles, das für uns wichtig ist. Anfang der 90er-Jahre gab es den Begriff des Queer Cinema, für den Regisseur*innen wie Todd Haynes stehen. Da stellt sich die Frage: Gibt es das überhaupt noch? Ich weiss eigentlich immer noch nicht, was ich darunter fassen würde (lacht).

Doris Senn: Es geht schon um das Abbilden von queeren Realitäten. Und auch um Jokes, die die Community versteht und die ausserhalb vielleicht nicht unbedingt verstanden werden. Im New Queer Cinema der 90er-Jahre machten das erste Mal Lesben und Schwule Filme über ihre eigene Lebensrealität.

Mit Ang Lees «Brokeback Mountain» oder letztes Jahr mit dem Oscar-Gewinner «Moonlight» von Barry Jenkins sind wichtige Mainstreamfilme mit einem Blick von aussen entstanden. Was bedeuten solche Filme für euch, die breite Aufmerksamkeit erhalten?

Beat Scheidegger: Grundsätzlich finde ich das super. Trotzdem gab es eine grosse Diskussion über die Manifestierung, wie wird es dargestellt. Nicht unbedingt im Fall von «Moonlight», aber sicher bei «Girl» von Lukas Dhont über eine Transrealität. Es ging um die Frage, ob eine Heteroperson eine Transperson darstellen darf oder nicht. Aber ich bin froh, dass diese Filme gezeigt werden. Andererseits muss man eben aufpassen, wie etwas gezeigt wird … Das ist schon ein Widerspruch. Wir wollen ja, dass die Filme ins Kino kommen.

Doris Senn: Bei «Brokeback Mountain» ist ein Mainstreampublikum mit einer Thematik konfrontiert, die es sonst wohl nicht gesucht hätte. Das ist eine Sensibilisierung, die wir mit unserem Filmfestival kaum erreichen, weil das grosse Publikum nicht zu uns kommt. Kommt ein queerer Film aber ins Kino, merken die Zuschauer*innen: «Ah, wir verstehen die Filme ja. Es geht um Liebe, um Beziehungen.»

Tara Toffol: Jeder Film, den wir an unseren Festivals zeigen, bringt eine neue Sehgewohnheit. Durch das Schauen dieser Filme wird die Fremdheit und Distanz abgebaut. Man versteht, dass hier Existenzen gezeigt werden, die es gibt und die eine Berechtigung haben. Das ist ein wichtiger Denkprozess, der durch die Filme angeregt wird. Die Frage, wer stellt wen dar, ist für mich dennoch berechtigt. Denn es geht darum, dass man marginalisierte Personengruppen sichtbar machen will. Und dann muss man sich schon fragen, warum die Betroffenen sich nicht selbst repräsentieren können. Wieso lässt man andere über sie reden?

Doris Senn: Das bedeutet letztlich, dass Transpersonen ihre eigenen Filme machen und sie besetzen. Wie beim New Queer Cinema in den 90er-Jahren, als Lesben und Schwule angefangen haben, selbst Filme zu machen und sie zu besetzen.

Im Umkehrschluss dürften ja dann auch nur Heteros Heteros spielen. Es geht aber immer noch um eine schauspielerische Leistung, zu der es per se gehört, jemanden darzustellen, den man nicht ist. Mit seiner ganzen fremden Identität.

Beat Scheidegger: Als «Tom of Finland» an einem queeren Filmfestival lief, ist der Hauptdarsteller mit seiner Frau gekommen. Da fand jemand, was er denn da zu suchen habe. Das finde ich sehr schade und kontraproduktiv, denn er setzt sich für die Darstellung einer für die Community wichtigen Figur ein. An der Pride in Zürich war das diesjährige Thema Diversität. Man muss sich bewusstmachen, dass wir alle verschieden sind. In den Anfängen unserer Filmfestivals ging es mehr um schwule und lesbische Themen, jetzt ist das Thema Diversität relevanter geworden. Ich habe manchmal das Gefühl, dass heutzutage gleichgeschlechtliche Liebe in einer Art Romeo- und-Julia-Effekt für spannende Geschichten missbraucht wird.

Was meint ihr dazu?

Tara Toffol: Der Mainstream nutzt dies sicher. Medien funktionieren ja so, dass sie Held*innengeschichten suchen, in denen es eine riesige Hürde zu überwinden gilt und die Heldin, der Held siegt. Das ist eine romantische Vorstellung.

Beat Scheidegger: Es kommt sicher auch darauf an, aus welchem Kulturkreis ein Film kommt. Bei einem Romeo-und-Julia-Effekt geht es um das Drama um des Dramas willen. Es gibt jedoch sehr viele Filme, in denen Jugendliche verprügelt, vergewaltigt, umgebracht werden. Eine Zeit lang wollte ich solche Filme nicht mehr sehen, ich wollte glückliche Homosexuelle zeigen. Den positiven Alltag. Aber wenn ein Film aus Georgien eben eine brutale Realität darstellt, muss man den Film auch zeigen. Da geht es nicht nur um das Drama, sondern dahinter stehen Missstände, die es auf dieser Welt noch viel zu oft gibt.

Quelle: Aargauer Kulturmagazin, Teraza Fischer

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