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Erinnern an die Rollenbilder und daraus ausbrechen

Erinnern an die Rollenbilder und daraus ausbrechen

Was sind Rollenbilder und weshalb sind sie Auslöser für geschlechtsspezifische Gewalt? «Rollenbild» bedeutet die Vorstellung eines bestimmten Verhaltens, das jemand in einer bestimmten Funktion, in einer bestimmten sozialen Stellung oder ähnlich zu zeigen hat. Solche Vorstellungen bestehen besonders auch hinsichtlich geschlechtsspezifischen Verhaltensweisen. Die neuste Polizeistatistik bestätigt den traurigen Trend der letzten Jahre: Immer mehr Frauen sind Opfer von Gewaltdelikten.

Geschlechtsspezifische Verhaltensweisen und Eigenschaften können zu Mustern werden, die sich oft wiederholen, so dass man sie als allgemeingültig betrachtet und als Stereotype bezeichnet. Aus stereotypen Bildern leiten sich Geschlechterrollen ab. Unter Geschlechterrolle (engl. gender role) werden Verhaltensweisen verstanden, die in einer Kultur für ein bestimmtes Geschlecht als typisch oder akzeptabel gelten. Neben dem geschlechtsspezifischen Verhaltenskodex bestehen so auch allgemeine Erwartungen an männliche und weibliche Eigenschaften, Haltungen und Tätigkeiten.

Vermehrt wird zwischen Rollenverhalten und Rollenerwartungen unterschieden, wobei diese sich gegenseitig beeinflussen. Rollenerwartungen bestimmen die Berufswahl, Familienkonstellationen, die Besetzung gesellschaftlicher und politischer Positionen, die Gleichstellung von Mann und Frau, sowie geschlechtsspezifische Gewalt massgeblich. Das Rollverhalten äussert sich dadurch, dass das Individuum, welches als Träger*in der Rolle gilt, die Aufgabe hat durch angemessenes Verhalten ihrer/seiner Rolle gerecht zu werden.

Manchmal können Geschlechterstereotypen innerhalb einer Gesellschaft auch bestimmte Vorteile aufweisen. Sie gewährleisten eine gewisse Stabilität im System, dienen als Orientierungshilfe oder schaffen besondere Formen der Solidarität. Das Stereotypisieren von Menschen aufgrund ihres Geschlechts bringt aber viele Nachteile mit sich, insofern wir etwas sein müssen, was uns gar nicht entspricht. Geschlechtsspezifische Merkmale lassen sich nämlich nie verallgemeinern!

Die zahlreichen Formen von Gewalt gegen Frauen erkennen

Rollenbilder und Stereotypen begünstigen geschlechtsspezifische Gewalt. Besonders Frauen, die sich in ihrer Rolle eher als untergeordnet, abhängig und schwach zu verhalten haben, sind davon betroffen. Gewalt an Frauen und Männern kann dabei über zwei Mechanismen ausgeübt werden. Zum einen, wenn wir einengende und diskriminierende Geschlechternormen erfüllen. So gelten beispielsweise Frauen als passiv und unterwürfig, während Männer dominant und triebgesteuert seien.

Dementsprechend akzeptieren Männer ein Nein der Frau nicht und fordern beispielsweise Geschlechtsverkehr gegen den Willen der Frau ein. Wenn in einem weiteren Ausmass soziale Milieus oder Gesellschaften, Vergewaltigungen und andere Formen sexualisierter Gewalt weitgehend tolerieren – sogenannte rape culture (Vergewaltigungskultur) – wird die Vorsorge und Verhinderung von Vergewaltigungen den Opfern übertragen.

Frauen wird geraten, bei der Wahl der Kleidung, der Art sich zu bewegen, der Art von Unternehmungen und Kontakten vorsichtig zu sein. Damit geht die Verharmlosung von Vergewaltigungen und die Herabsetzung Betroffener oder potentieller Opfer zu Sexualobjekten einher. Der zweite Mechanismus, der Rollenbilder als Auslöser für geschlechtsspezifische Gewalt besitzt, ist, wenn wir uns nicht normkonform gemäss unserer Geschlechterrolle verhalten.

Lebt eine Frau ein selbstbestimmtes Sexleben ausserhalb der Vorstellung einer unterwürfigen, nichtentscheidungsfähigen Frau, wird sie als Schlampe bezeichnet und ebenso behandelt. Auch werden Männer, die sich nicht dominant und fordernd verhalten, als unmännlich und weich bezeichnet und von der Gesellschaft sanktioniert.

Besonders spürbar werden die Auswirkungen von Rollenbildern, wenn sie mit einer Mehrfachdiskriminierung verbunden sind. Frauen, von denen aufgrund ihres Geschlechts und ihrer Herkunft ein bestimmtes Verhalten erwartet wird, unterliegen in mehrfacher Weise diskriminierenden Bedingungen. Verschiedene Kategorien wie Geschlecht, Ethnizität, Klasse, Nationalität, Sexualität, Alter etc. stehen nie alleine, sondern im Zusammenspiel miteinander.

Den Ausbruch aus den traditionellen Rollenbildern wagen

Geschlechtsspezifische Rollenbilder beeinflussen unserer Selbstwahrnehmung, gestalten den öffentlichen und privaten Raum und wirken auf unsere Beziehungen und soziales Umfeld ein, ohne dass wir uns dessen immer bewusst sind. Wie erkennen wir unsere geschlechtsspezifischen Rollen und können uns gegen stereotype Merkmalzuschreibungen wehren? Der erste Schritt um Geschlechterrollen aufzubrechen geschieht, wenn wir diese erkennen und uns deren bewusst werden.

Deshalb ist es wichtig stereotype Eigenschaften und Verhaltensweisen zu kennen, sie in unserem alltäglichen Leben wahrzunehmen und auch für andere sichtbar zu machen. Nur so ist es uns möglich zu erkennen, ob wir uns bewusst für diese Eigenschaften und Handlungen entscheiden wollen oder ob wir lediglich Rollenerwartungen erfüllen, die nicht unseren individuellen Interessen entsprechen.

Gängige Rollenbilder beobachten und hinterfragen

Haben wir stereotype Bilder in unserem Alltag erkannt, heisst es diese zu hinterfragen. Inwiefern entspricht mein tatsächliches Verhalten diesen Stereotypen? Bei Rollenbildern handelt es sich immer um verallgemeinerte Meinungen. Vom jeweiligen Geschlecht wird auf dessen Eigenschaften oder Merkmale geschlossen. Ein solcher Rückschluss kann der Einzigartigkeit eines Menschen aber nie gerecht werden, da er von Anfang an individuelle Verhaltensweisen von Männern und Frauen ausschliesst.

Somit ist eine Kategorisierung nach Geschlechtsstereotypen irreleitend, da kein Mensch einen Zug zur Gänze besitzt oder auch nichts von einem anderen Zug hat. Sehen wir uns Rollenbildern oder Stereotypen gegenübergestellt, müssen wir uns folglich immer hinterfragen, ob eine Verallgemeinerung im jeweiligen Fall möglich ist.

Aus Normen und vorgegebenen Bildern und Rollen ausbrechen

Ohne konkretes Handeln können Diskurse, Erkenntnisse und wissenschaftliche Ergebnisse nicht umgesetzt und weitergetragen werden. Sind wir aufmerksam und sensibilisiert auf Geschlechterrollen, ist es hilfreich, ja sogar notwendig, dass wir auch andere Personen in unserem Umfeld auf einengende Rollenbilder und Stereotypen hinweisen. So erreichen wir ein gesamtgesellschaftliches und konstruktives Aufbrechen der Geschlechterrollen.

Jede und jeder kann dazu beitragen, stereotype Rollenbilder aufzubrechen und zu erweitern. Wichtig ist dabei, nichts erzwingen zu wollen! Wir müssen nicht bedingungslos in eine entgegengesetzte Richtung drängen. Natürlichkeit, persönliche Leidenschaften und ehrliches Interesse sollen auf jeden Fall beibehalten werden.

Gewalt gegen Frauen wird in der Schweiz und weltweit zu oft verharmlost und tabuisiert. Die Kampagne «16 Tage» der feministischen Friedensorganisation leistet mit ihren vielfältigen Veranstaltungen einen Beitrag dazu, genauer hinzuschauen und geschlechtsspezifische Gewalt zu bekämpfen. Keine Frau soll aufgrund ihres Geschlechts Gewalt oder Diskriminierung erfahren.

Bild Feministische Friedensorganisation

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