(Fast) weihnächtliche Geschichte – Wir wünschen frohe Festtage!
Wer feiert ihn nicht – den Tag der Geburt Jesu Christi, des angeblichen Erlösers und Heilandes? Die Feier der Menschwerdung Gottes, mit der Jesus sich in die Geschichte der Menschen hinab begab, um ihre Freuden und Leiden mitzuerleben und allen neue Hoffnung zu schenken? Die heilige Feier der geweihten Nacht, mit der sich Gott den Menschen in einer Weise offenbart, die überwältigender nicht sein könnte?
Überwältigend? Richtig, denn die wahren Wurzeln dieses höchsten christlichen Festes sind tatsächlich überwältigend unchristlich! Kämpft man sich nämlich einmal durch das wuchernde, schlingpflanzenartige Gestrüpp christlich-geschichtlicher Irrlehren und benützt die Machete der realen Tatsachen, dann kommen die wahren und ursprünglichen Wurzeln des christlichen Weihnachtsfestes schnell ans Licht.
Leider muss man sich schon zu Anfang des kurzen Exkurses in die Geschichte der Weihnacht vom vertrauten Gedanken trennen, Klein-Jesu habe am 25. Dezember das Licht der Welt erblickt, denn dafür gibt es tatsächlich keinen einzigen Beweis – nicht einmal einen christlichen. Daraus den Schluss zu ziehen, dieser bedeutungsvolle, christ-religiöse Akt sei mehr oder weniger willkürlich auf dieses Datum gelegt worden, wäre allerdings gänzlich falsch, denn Willkür spielte und spielt im grossen Bühnenstück «Versklavung einer Welt» eine eher unerwünschte Rolle. Doch nicht nur die Festlegung des Datums, sondern auch das heilige Fest selbst gibt Anstoss zu verschiedensten, kritischen Überlegungen und Untersuchungen.
Am Anfang stand die Auferstehung
Ursprünglich kannte das noch sehr junge Christentum nur das jährliche Passahfest, das schon damals eng an das gleichnamige jüdische Fest anlehnte. Schon bald wurde das christliche Passahfest mit dem Gedanken der wundersamen Auferstehung Jesu verwoben und dementsprechend mit festlicher Mahlzeit gefeiert. Der Tag der Geburt Jesu war lange Zeit in kein religiöses Fest gekleidet – im Gegenteil: Die Vorstellung einer Menschwerdung Gottes wurde anfänglich sogar massiv verfolgt, denn zu sehr glich sie der natürlich-heidnischen Vorstellung, Götter könnten einfach gezeugt und geboren werden. Nicht mit der Geburt Christi, sondern erst mit dessen Auferstehung habe sich das Göttliche in ihm manifestiert, argumentierten die Christen. Später wurde aus dem Passahfest das Osterfest, indem man das heidnische Fest «Alban Eilir», das der Göttin des jungen Lichtes und Lebens, Ostara, geweiht war, konkurrenzierte. Erst drei Jahrhunderte später sollten sich die Gewichte zugunsten des Weihnachtsfestes verschieben. Da religiöse Feste und Riten eng mit der kulturellen, politischen und gesellschaftlichen Entwicklung eines Volkes zusammenhängen, müssen zur Klärung des Ursprungs des Weihnachtsfestes einige geschichtliche Fakten aufgezeigt werden.
Es herrschten kriegerische Zeiten
Die Zeit um Christi Geburt war nämlich geprägt von Krigen, Eroberungszügen und dem ständigen Entstehen und Vergehen ganzer Kultueren. Militärische Stärke sicherte schon den Zivilisationen von damals das Überleben zu, denn schwache Kulturen wurden früher oder später erobert, assimiliert oder gar gänzlich vernichtet. Einige Kulturen spielten im oft grausamen Spiel der Weltaufteilung eine ganz massgebende Rolle, so auch Griechenland. Der Einfluss Griechenlands gewann mit dem siegreichen Ende der Kriege gegen das Grossreich Persien 448 v.Chr. zunehmend an Bedeutung, denn gestützt auf eine gewaltige Seeflotte beherrschte Athen auch den überseeischen Handel, der die Grundlage einer blühenden Zivilisation darstellte. Es war die Zeit Sokrates’, Platons und Aristoteles’. Prächtige Tempelbauten zeugen noch heute von der kulturellen Blütezeit Griechenlands, die das polytheistisch-hellenistische Weltbild auch architektonisch eindrucksvoll widerspiegelt. Philipp von Makedonien, dem späteren Jugoslawien, löschte mit dem Sieg über die Athener und Thebaner 338 v.Chr. die Freiheit Griechenlands völlig aus. Die Griechen mussten ihn als Oberfeldherrn im beabsichtigten Krieg gegen die Perser bedingungslos anerkennen.
Eroberung der Religionen
Das persische Grossreich weitete sich dagegen unter den Eroberungszügen von König Dareios II. gewaltig aus. Es umfasste 500 v.Chr. das babylonische Reich, Ägypten, das indoeuropäische Reich der Meder, Kleinasien und weite Teile der Gebiete westlich des Indus. Aussergewöhnlich war die Art der Eroberung fremder Kulturen durch die Perser. Sie liessen den Unterworfenen ihre Religion und ihre Herrscher, setzten Beamte zur Kontrolle ein und verlangten lediglich Tributzahlungen sowie eine bedingungslose Heeresfolge. Dennoch gelangten auf diese Weise die persische Religion und Kultur weit in die damals bekannte Welt hinein.
Erst Philipps Sohn, Alexander der Grosse, eroberte um 330 v.Chr. das ganze persische Grossreich bis Indien und hoffte, mit der Auslöschung des Erzfeindes der Griechen, endlich selbst als echter Grieche anerkannt zu werden – sein Vater war nämlich Makedonier. In seinem Weltreich strebte er eine Verschmelzung aller Völker an, folglich er eine einheitliche Währung für das ganze Reich einführte und damit eine wirtschaftliche Blütezeit einleitete. Sein früher Tod führte allerdings zu Machtkämpfen, aus denen schliesslich drei Reiche hervorgingen: Ägypten, Syrien und Makedonien mit Griechenland. Eine grosse Zahl von Griechen siedelte sich daraufhin in den eroberten Gebieten an, vor allem in den vielen neugegründeten Städten. So drangen im Zeitalter des Hellenismus griechisches Denken und griechische Kunst in Vorderasien und Nordafrika ein – Griechisch wurde zur Weltsprache.
Rom wurde zur Grossmacht
Die um 510 v.Chr. gegründete römische Republik errang dagegen in wenig mehr als zwei Jahrhunderten, zunächst im Kampf mit ihren Nachbarn, die Herrschaft über fast ganz Mittelitalien. Im Streit um den Besitz Siziliens kam es im dritten Jahrhundert v.Chr. zum Zusammenstoss Roms, der grössten Landmacht, mit Karthago, der grossen See- und Handelsmacht. Erst mit dem Sieg in Spanien und Afrika war Roms Vormachtstellung im westlichen Mittelmeer endgültig gesichert. Im Laufe der ersten Hälfte des 2. Jahrhunderts vernichteten die Römer alle Nachfolgereiche Alexanders des Grossen, ausser Ägypten. Nach der endgültigen Zerstörung Karthagos und der Errichtung römischer Provinzen in Makedonien, Griechenland und Kleinasien beherrschte Rom fast den gesamten Mittelmeerraum. 51 v.Chr. erfolgte die Assimilierung Galliens, und 31 v.Chr. entkam auch Ägypten unter der Herrschaft Kleopatras nicht dem römischen Eroberungsvolk. Rom stiess im Laufe seiner gewaltigen Ausweitung somit auf unzählige Kulturen mit ihren eigenen, oft uralten Religionen, Riten und Kulten, die sich mit den römischen oft vermengten oder diese sogar völlig ersetzten. Rom wurde zum Schmelztiegel vieler einzelner, neu-alter Strömungen. Es mischte sich griechisches, römisches, persisches, etruskisches, latinisches, samnitisches, syrisches, ägyptisches, nabatäisches, germanisches, keltisches, gallisches, bretonisches und phrygisches sowie montanistisches Gedankengut, um nur einige wenige zu nennen.
Ein besseres Leben nach dem Tod
Viele dieser neuen religiösen Strömungen boten gerade den einfachen Menschen, wie Kriegern und Sklaven, weitaus bessere Aussichten, nach ihrem Tod für ihr erduldetes, hartes Schicksal auf Erden entlohnt zu werden, als es der klassische Olympgedanke vermochte, denn eine Paradiesvorstellung, wie sie heute zahlreichen Religionen eigen ist, gab es damals nicht. Es war der Hades, die düstere Unterwelt, die sie zu erwarten hatten.
Doch auch Rom kannte Rituale und Zeremonien als wichtige Bestandteile der Religion, stellten sie doch Lichtblicke im sonst recht einfachen Leben der allgemeinen, einfachen Bevölkerung dar. Während den Tagen des 17. bis 24. Dezember feierte Rom die Saturnalien, eine Festzeit, in der zu Ehren des Gottes Saturnus sämtliche gesellschaftlichen Ordnungsregeln und Standesunterschiede aufgehoben wurden. Die Herren dienten für die Dauer des Festes den Sklaven, man beschenkte einander und krönte die Feier mit ausgedehnten Gelagen und Orgien. Der römische Gott Saturnus wurde dem griechischen Kronos gleichgesetzt, dem Gott der Ernte und Fruchtbarkeit. Kronos wiederum wurde später oft mit Chronos verwechselt, der die personifizierte Zeit darstellte. Ein früher Kommentar Pindars («Olympische Oden» II,33) berichtet, dass das elische Jahr vom ersten Vollmond der Wintersonnenwende an gerechnet wurde. Herrscher des ersten Halbjahres war Kronos-Iphikles, der zur Wende zum zweiten Halbjahr von Zeus-Herakles getötet wurde. Das alte Saturnalienfest ist somit zum Teil auf die Wintersonnenwende zurückzuführen, die im folgenden noch von grosser Bedeutung sein wird.
Die Bildung neuer Kulte
Um die neuen Religionen, die sich aus fremden Kulturen beimischten, bildeten sich sogenannte Mysterienkulte, die nur Eingeweihten zugänglich waren, wobei auch alte griechische und römische Götter in neue Kulte gekleidet wurden.
Ein Vertreter dieser geheimnisvollen Kulte war der Dionysos-Kult, der sich später hauptsächlich dem weltlichen Genussleben verschrieb und dem römischen Gott Dionysos, Sohn des Zeus und der Seméle, gewidmet war. Dionysos war der griechische Gott der Fruchtbarkeit und später vor allem der des Weines. Nach dem Tod seiner Mutter, die durch eine List der Hera ums Leben kam, wurde er von Zeus bis zur Geburt im Schenkel eingenäht und ausgetragen. Nach der Geburt sei er von den Nymphen von Nysa gepflegt und diese dafür später mit einem Platz im Himmel als Sterne der Hyaden entschädigt worden. Der Tag des griechischen Weingottes Dionysos war der 6. Januar.
Die Göttin Isis wurde romanisiert
Auch die sogenannten Gnostiker, die das Christentum als Gnosis erfassen wollten, also als Erkenntnis göttlicher Geheimnisse, feierten am 6. Januar den Tag des Weingottes Dionysos, gemäss dem Neuen Testament, das als erstes Wunder Christi die Verwandlung von Wasser zu Wein auf der Hochzeit zu Kanaa nennt. Es war das Fest der «Erscheinung des Götterwesens», der Epiphanie. Die Basilidianersekte, eine massgebende gnostische Bewegung, feierte an diesem Tag die Taufe als Beginn ihrer Erlösung. Denn erst mit der Taufe vereinige sich Gottes Geist und Vernunft in der Gestalt einer Taube mit Christi als blossem, fleischlichem Menschen. Auch die ausländischen Götter wurden in diese Mysterienkulte gekleidet, die auf viele erst abschreckend, doch dann umso anziehender wirkten. Da war die ägyptische Göttin Isis, deren Abbild innerhalb weniger Jahre romanisiert wurde, weil man sich mit der recht freizügigen Darstellung der ägyptischen Erscheinung nicht identifizieren konnte. Isis war die erste Göttin Roms, die zur Panthea wurde, zur Allgöttin also, der nicht mehr nur eine, sondern gleich mehrere Aufgaben zukamen. Sie war Göttin der Sonne, des Mondes, des Meeres, der Fruchtbarkeit, der Toten, der mütterlichen Liebe, der Armen, der Gesetzgebung und der Rache. Ihr Ehegatte war – wie damals üblich – Bruder Osiris. Dessen Bruder Seth tötete, zerstückelte und zerstreute ihn in alle Winde. Isis und ihre Schwester Nephtys suchten die Stücke zusammen und fanden alle – bis auf den Phallus, den sie aus Erde neu formen mussten. Isis setzte alle Teile zusammen und umarmte Osiris mit ihren Flügeln. Dadurch gab sie ihm neue Kraft und er erwachte. Gleich darauf empfing Isis, als Falke auf Osiris sitzend, die Frucht des Sohnes Horus’. Horus wurde als Falkengott geboren – am 25. Dezember.
Mithras tötet den Ur-StierIm grossen Reich Persiens herrschte einer der wichtigsten heidnischen Kulte der damaligen Zeit, der grausame Mithras-Kult. Im Gegensatz zum Isis-Kult wurden die Zeremonien nicht öffentlich, sondern in geheimnisvollen, unterirdischen Tempelhöhlen abgehalten. Der Kult fühlte sich stark zu den Gestirnen hingezogen, und entsprechend den Planetensphären gab es Ränge, die nach einer strengen Hierarchie durchlaufen werden mussten. Ein hoher Rang entsprach einem hohen Grad der Läuterung. Am Ende der Hierarchie lag das ewige Licht.
Der Legende nach tötete Mithras den Ur-Stier und formte aus seinem Blut und Fleisch die Welt. Kaum verwunderlich, dass dieser Kult in Rom hauptsächlich bei den Soldaten und Kriegern sehr beliebt war. Mithras, Gott des ewigen Lichts, sei des Nachts dem Fels einer Höhle entsprungen – am 25. Dezember.
Ein Sohn der Sonne wird geboren
Das Licht, und somit die Sonne, wurde vor allem in nordischen Regionen als Symbol des Lebens verehrt. Baldur, Sohn von Odin und seiner Gemahlin Frigg, kam von allen germanischen Göttern dem Wesen eines Sonnengottes am nächsten. Da die Sonne im Norden allerdings als weiblich galt, nannte man ihn Sohn der Sonne. Er verkörperte alle Werte, die von der Sonne auszugehen schienen: Licht, Wärme, Reinheit, Geist und Heilung.
Der Mythos berichtet von einer Seherin, die Baldur einen frühen Tod weissagte. Da schickte Frigg, seine Mutter, Boten zu allen Wesen der Erde und liess sie schwören, Baldur niemals Schaden zuzufügen. Alle schworen es, denn alle liebten ihn – nur ein einziges Wesen hatten die Boten übersehen, da es so unscheinbar war – die Mistel.
Der einzige ausser Frigg, der davon wusste, war Loki, Gott der Finsternis, denn er brachte einen Boten Friggs dazu, ihm das Geheimnis zu verraten. Alle feierten die Unsterblichkeit Baldurs, und man machte sich einen Spass daraus, ihn mit allen möglichen Dingen zu bewerfen, da nichts in der Welt ihm schaden konnte. Nur sein Bruder Hother konnte sich nicht beteiligen, denn er war blind. Da ging Loki, der vom Geheimnis der übersehenen Mistel wusste, zu ihm und bot sich an, ihm die Hand zu führen, damit auch er Baldur diese Ehre erweisen könne. Hother spannte seinen Bogen, doch Loki legte als Pfeil die Mistel ein, und so geschah es, dass Baldur von seinem eigenen Bruder getötet wurde.
Nicht umsonst wurde die Mistel – von den alten Druiden Allheil genannt – Baldur geweiht. Indem sie heilte, leistete sie Wiedergutmachung für den Tod an Baldur. Die Wintersonnenwende, altgermanisch Jul, ist sehr eng mit dem Mythos Baldur verbunden – nämlich mit seiner Wiedergeburt um die Tage des 21. Dezember.
Sirona, Göttin der Fruchtbarkeit
Als Wende des Jahres, wenn die Sonne den südlichen Wendekreis erreicht und nach Norden zurückkehrt, war es sogar das wichtigste heidnische Fest, an dem alles endete und neu begann. So ist es kaum verwunderlich, dass auch in anderen nordischen Völkern das Fest der Wintersonnenwende einen besonderen Wert in sich trug, auch wenn es je nach Kultur anderen Göttern unterstand.
Im Gallischen standen Esus und Sirona als Gottheiten dem Julfest zu. Sirona wachte als Göttin der Fruchtbarkeit, Regeneration und Gesundheit an den Quellen über Tod und Wiedergeburt – eines ihrer Symbole war unter anderen das Ei. Esus herrschte über alles Wachsende und Gedeihende. Über Pflanzen und deren Wurzeln wachend lebte er teils auf, teils unter der Erde, und die meisten Darstellungen zeigen ihn seither mit einer Axt einen Baum fällend.
Sehnsucht nach Wärme und Licht
Wenn bedacht wird, dass die Menschen von damals den harten Wintern in ungleich stärkerer Weise ausgesetzt waren, als die Menschen es heute sind, dann ist es leicht verständlich, dass die Wiederkehr der Sonne in allen bedeutenden, nordischen Kulturen und Religionen nicht nur mit einfacher Freude, sondern mit inniger Sehnsucht erwartet wurde. Selbst der Mensch von heute, der nur noch am Thermostat der Zentralheizung zu drehen braucht, um sich mit wohliger Wärme zu umgeben, sehnt sich nach dem kommenden Frühling und den warmen Sommermonaten. Je weiter im Norden die Menschen wohnten, desto härter, dunkler und kälter waren die Winter, was sich übrigens auch gesundheitlich auswirkte. Ausgegrabene Wikinger-Skelette zeugen davon, dass diese Menschen sehr unter Rheumatismus gelitten haben müssen. Noch heute scheuen sich die Menschen in den Polargebieten nicht, nach wochenlanger, winterlicher Dunkelheit, stundenlange Märsche auf sich zu nehmen, um an einem Tag im Februar in tiefer Ergriffenheit auf einer Bergspitze – nur für ein paar Minuten – den oberen Rand der Sonne aufblitzen zu sehen. Die Rückkehr des Lichtes wurde zum Symbol des wiederkehrenden Lebens selbst.
Verflechtung Mensch und Baum
Nebenbei bemerkt ist in der Symbolisierung des Lebens auch der Ursprung anderer christlicher Werte zu finden: Das Aufstellen der immergrünen Tanne hatte allerdings eine besondere Bewandtnis. Seit jeher galten Bäume in nordischen Kulturen als heilig. Es herrschte der Mythos, dass die ersten Menschen aus Bäumen erschaffen worden seien: Aus der Esche der Mann und aus der Erle die Frau. Der Baum war Sinnbild geheimnisvoller, allgegenwärtiger und alles durchdringender Wirk- und Lebenskräfte. Man holte sich ihn ins Haus und schmückte ihn mit aus Bienenwachs gefertigten Lichtern. Schon in den isländischen Sagas ist die Rede von der Weltesche Yggdrasil, unter der die Götter Recht sprachen. Erinnert sei ferner an die Donarseiche, die Bonifatius bei Geismar fällte, und an die Dorflinden, unter denen das Thing abgehalten wurde – die Volks-, Heeres- und Gerichtsversammlung der Germanen -, gewissermassen in Gegenwart der sich in dem geheimen Wachstum des Baumes auswirkenden göttlichen Urkraft. Das Stammesheiligtum der Irminonen, die nach Tacitus den norddeutschen Raum bevölkerten, war die Irminsul, ein Lebensbaumsinnbild mit nach beiden Seiten ausladenden Blattrieben. Das spätere Hoheitszeichen deutscher Kaiser, das Zepter, führt in abgewandelter Form und Erscheinung ebenfalls auf die Irminsul zurück. Die Christkultreligion bekämpfte auch den heidnischen Brauch der Verehrung des Baumes zuerst mit aller Gewalt. Im 17. Jahrhundert erliessen die Behörden von Strassburg eine Verfügung «wider den heidnischen Brauch zur Weihnachtszeit, Tannenbäume mit Zuckerwerk und Puppen zu behängen und hernach zu plündern». 1935 verbot der Papst den Weihnachtsbaum für Italien und Frankreich, indem er in seinem Organ Osservatore Romano schrieb, dass zur Genugtuung aller, die das poetische und religiöse Presepio (Krippendarstellung, Anm. d. Vf.) lieben, eine opportune Bestimmung für die Abschaffung des nordischen Brauches komme, denn dieser sei lediglich eine exotische Mode und ein Überbleibsel heidnischer Naturgebräuche. Das vatikanische Blatt Osservator della Domenica schrieb noch 1961, dass das Brauchtum des Weihnachtsbaumes ein Versuch sei, die Krippe durch einen gewissen Hang zum «Naturalismus und Heidentum zu ersetzen.»
Geschmückt mit 24 Kerzen
Auf eine völlig andere Art des Tannenkultes stösst man im alten Phrygien. Im heutigen Anatolien kannte man im 1. Jahrhundert n.Chr. nebst der Montanismus-Sekte, die sich mit dem Christentum heftig bekämpfte, den Magna-Mater-Kult. Während des Magna-Mater-Festes, das dem Tod Attis, dem Sohn der Kybele, geweiht war, wurde eine Tanne im heiligen Hain der Kybele gefällt und durch sogenannte Gallen auf den heiligen Palatinerberg gebracht und dort als Symbol der Wiedergeburt von Attis aufgerichtet. Auf dem Zug durch die Stadt wurde der Baum von diesen Gallen begleitet, die jammernd die Handflächen gegen die Brust schlugen. Während den nachfolgenden Festtagen steigerte sich die Klage um den Tod Attis bis zur Raserei. Unter den Klängen der Zimbel, der Flöte und des Horns, mit flatternden Haaren und indem sie heulend den Kopf und den Körper wild hin und her warfen, peitschten die Diener der grossen Mutter ihre Leiber blutig – mit heiligen Pinienzweigen und fürchterlichen Geisseln, in die scharfe Tierknochen eingeflochten waren. Mit Messern zerfleischten sie sich ihre Arme und Schultern, bis die blutigen Orgien des Festes ihren Höhepunkt in der Selbstkastration fanden. Trotz der Grausamkeit dieses Kultes galt der Baum auch hier als Symbol des wiederkehrenden Lebens. In abgeleiteter Form fand das Symbol des Lichtes im Adventskranz Einkehr, der allerdings erst im 19. Jahrhundert entstand. Der evangelische Pfarrer Johann Hinrich Wichern soll einen Adventskronleuchter mit 24 Kerzen zum ersten Mal 1860 aufgehängt haben.
Der Schenker wird zum Kinderschreck
Ein weiterer christlicher Brauch ist vor allem in europäischen Landen gut bekannt: der Besuch von Knecht Ruprecht. Die altgermanischen Wurzeln sind kaum mehr sichtbar, versteckt sich doch hinter Ruprecht der germanische Himmelsgott Wotan selbst. Woutani ruoberaht nannte man ihn, Wotan, den Ruhmesprächtigen (althochdeutsch hruot = Ruhm, beraht = glänzend, prächtig). Allmählich wurde aus seinem Beinamen der Hauptname. Man sprach vom Ruhmesprangenden und meinte damit Wotan, in ähnlicher Weise, wie man heute von Christus spricht, obwohl dies ebenfalls nur ein griechischer Beiname war (der Gesalbte). Auch Ruprecht trug als Symbol ursprünglich den Lebensbaum in den Händen, mit dem er die geheimnisvollen Wachstums- und Lebenskräfte des Baumes durch Berührung auf die Kinder überfliessen liess.
Wie sehr die Christkultreligion Meister der fatalen und bösartigen Sinnverschiebung war und ist, wurde und wird gerade an diesem Beispiel offenbar: Aus dem Kinderfreund mit dem heilbringenden Zweige des Lebensbaumes wurde der Kinderschreck, mit dem Angst und Furcht erregenden Züchtigungsinstrument – der Rute. Der wolkengewaltige und ruhmesprangende Wotan wurde zum Knecht degradiert, zum unfreien und dienstbaren Geist christlicher Ideologie.
Das wiederkehrende Licht vereint die Kulte
Um die Datierung des Weihnachtsfestes streiten sich die Gelehrten. Der erste Versuch einer Datierung des Geburtstages Christi wurde 217 n.Chr. von Papst Hypolit unternommen, der erstmalig alle heidnischen Kulte unter dem gütigen Dach des Christentums vereinen wollte. Das Christentum festigte sich damals gerade erst zur Kirche und stand vielen mächtigen und teils tiefverwurzelnden Kulten gegenüber. Es musste also eine geniale, strategische Idee her, die alles bis anhin Bekannte in den Schatten stellen sollte.
Doch wie sollten so viele verschiedene Kulte vereint werden, die oftmals so gut wie nichts gemeinsam hatten? An folgendem, meisterhaften Schachzug wird die wahre Genialität der christlichen Versklavung offensichtlich: Es wurde der gemeinsame Nenner aller Kulte gesucht und auf diesem die Entstehung des vereinenden, neuen Glaubens aufgebaut – dem Christglauben. Der gemeinsame Nenner war die Feier des wiederkehrenden Lichtes, der ausnahmslos allen damaligen Kulten und Religionen eigen war. Natürlich konnte diese konstruierte Vereinheitlichung nicht gewaltsam erfolgen, denn die damalige Christreligion war viel zu schwach, um sich mit derartigen Mitteln durchsetzen zu können. Man behielt die hauptsächlichen Festzeiten und Festgebräuche also bei, unterschob ihnen aber einen völlig anderen Sinn, denn auf diesem Wege der Umdeutung und bösartigen Sinnverschiebung gelang es den Priestern, das Volk leichter für das Christentum zu gewinnen. Man hatte bald erkannt, dass die zum Teil uralten Sitten und Gebräuche der heidnischen Völker nicht durch Verbote und Verfolgungen ausgelöscht werden konnten – noch nicht -, und so passte man sich an.
Kein wiederkehrendes Licht, ohne den wahren Gott
Die Christen gaben den Heiden also zu verstehen: «Die Sonne ist gut, und wir freuen uns ihres immer neuen Sieges nicht weniger als ihr. Aber sie hat ja keine Macht aus sich selbst, sondern sie hat nur Kraft, weil Gott sie erschaffen hat. So kündet sie uns vom wahren Licht, von Gott, dem Schöpfer aller Dinge. Also feiern wir an Weihnachten das Kommen des wahren Gottes, den Urquell allen Lichtes, nicht aber sein Werk, die Sonne, die kraftlos wäre ohne ihn.»
Ein Schachzug vorzüglicher, strategischer Genialität – das muss dem Erdenker dieses Geniestreiches ohne weiteres zugestanden werden.
Durchsetzen konnte sich die konstruierte Festlegung der Entstehung des Christentums erst unter Papst Liberius im Jahre 354 n.Chr. Zum Dogma, also zum Glaubenssatz, wurde es auf dem 2. Konzil von Konstantinopel 381 n.Chr. unter Kaiser Theodosius. Erst im siebten und achten Jahrhundert setzte sich der Brauch in Europa durch: 813 n.Chr. erklärte man auf der Mainzer Synode diesen Tag offiziell zum Fest der Geburt Christi.