gender:impulstage 2015 in Dornbirn

gender:impulstage 2015 in Dornbirn

Am 20. Oktober fanden die gender:impulstage an der Fachhochschule in Dornbirn statt. Bereits zum siebten Mal organisierte der Bregenzer Verein Amazone diesen Anlass, beauftragt von der Vorarlberger Landesregierung. Da sich die “Amazonen” vor allem in der Mädchenarbeit engagieren und besonderen Schwerpunkt auf die kritische Auseinandersetzung mit den Medien legen, wurden diesmal das Internet und seine Dienste genauer ins Visier genommen.

Dabei galt es die feministische Vision auszuloten, ob die virtuelle Welt ein Ort für eine gerechte(re) Geschlechterordnung sein kann. Welche Gestaltungsmöglichkeiten bietet das Netz Frauen und Männern? Und wie werden im virtuellen Raum Geschlechterrollen und Identitäten (re und de)konstruiert?

Anne Wizorek, Autorin von “Weil ein #aufschrei nicht reicht – Für einen Feminismus von heute”

Auf den angekündigten Vortrag der deutschen Medienberaterin und Netzfeministin Anne Wizorek über “Die Gesichter von Feminismus im Internet” mussten die extra dafür angereisten Frauen und Männer leider verzichten. Anne Wizorek initiierte 2013 eine Twitter-Aktion mit dem Hashtag #aufschrei, um unter diesem Schlagwort Erfahrungen mit Sexismus und sexueller Gewalt gegen Frauen zu sammeln und sichtbar zu machen. Sie stiess eine medienwirksame Debatte zu Alltagssexismus an, und ihr Hashtag wurde als erster mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet. Basierend auf ihren Erfahrungen und Beobachtungen erschien 2014 ihr Buch “Weil ein #aufschrei nicht reicht – Für einen Feminismus von heute”. Wir können dennoch auf ihre Konzepte und Erfahrungen als Netzfeministin gespannt sein, denn sie wird zu einem späteren Zeitpunkt im Vorarlberg und wenn alles klappt in St. Gallen referieren.

Vortrag von Prof. Dr. Franz Josef Röll

Den oben genannten Fragen ging in einem ausführlichen Vortrag Franz Josef Röll dann alleine nach. Der Jugendbildungsreferent, Medienpädagoge und Soziologe präsentierte kenntnisreich und eloquent, wie rasant sich die Sinneswahrnehmung und das Bewusstsein vor allem von jungen Frauen und Männern durch Social Media in den letzten Jahren verändert (hat). Die sog. digital natives sind mit den digitalen Medien aufgewachsen und haben dementsprechende Fähigkeiten entwickelt. Sie zeigen deutliche Stärken in der Mediennutzung sowie in deren Gestaltung. Dabei geht es Röll nicht nur um die Darstellung der intensiven Aneignung und Nutzung dieser Medien und Techniken, sondern wie es bereits 1967 Marshall McLuhan, der kanadische Medientheoretiker, betonte, verändert das Medium selbst ganze Gesellschaften. Sie wird sogar erst durch mediale Prozesse formiert und konstituiert.

Die Realität einer virtuellen Welt im Internet macht es deshalb auch möglich, zu einer grösseren Geschlechtergerechtigkeit zu gelangen. Alte Geschlechterrollen werden dekonstruiert oder sind verhandelbar geworden, neue Geschlechteridentitäten können konstruiert werden. War es für die älteren Generationen so gut wie unmöglich, sich eine von der sozialen Umgebung nicht anerkannte Identität “aufzubauen”, so ist es inzwischen ein leichtes, physisch im “Dorf” zu bleiben und gleichzeitig Gesinnungsgenoss_Innen im Netz zu suchen und zu finden. Verlief die Identitätsbildung früher kohärenter und eindimensionaler, so ist sie heute durch die Neuen Medien via Facebook und anderen Diensten wesentlich fragmentierter und damit multipler. Genau vor diesem Hintergrund bilden sich offene Räume für neue Gemeinschaften und Diskussionsforen. Geschlechterrollen werden im Netz kritisch diskutiert, in Frage gestellt, dekonstruiert und neu zusammengesetzt. Gleichwohl findet laut Röll auch das Gegenteil statt. Vor allem die Selbstdarstellungen der Nutzer_Innen durch Selfies zeigt sehr eindrücklich, wie sich Frauen und Männer mit Hilfe überkommener Geschlechterbilder und -vorstellungen in Szene setzen, oftmals in erheblichem Masse sexuell konnotiert. Die vielfältigen Spielarten weiblicher und männlicher Selbstinszenierung zeugen von Identitätssuche. Social Media dient somit als Spiel- und Tummelfeld von alten und neuen Geschlechterkonstruktionen.

Autorin dieses Artikels ist Sabine August, Ethnologin, St. Gallen.

www.amazone.or.at

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