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«Helvetia ruft» und fordert mehr Frauen in der Politik

«Helvetia ruft» und fordert mehr Frauen in der Politik

Das Parlament ist noch immer weitgehend männlich. Bei den Wahlen 2019 soll sich das ändern. Die  überparteiliche Bewegung «Helvetia ruft» kämpft dafür – und mit ihr zahlreiche aktive Mandatsträgerinnen.

Eine Exotin ist Alice Glauser, denn sie ist SVP-Politikerin, kommt aus dem Kanton Waadt und sitzt im Nationalrat. Das hat Seltenheitswert, denn die SVP hat einen sehr tiefen Frauenanteil im Parlament und die Romands schicken sowieso weniger Frauen nach Bern. Alice Glauser lässt dies kühl. Sie engagiert sich dafür, dass mehr Frauen in die Politik gehen. Dass dieses Anliegen in ihrer Partei keine Priorität geniesst, interessiert sie nicht. Im Ständerat hatte die SVP überhaupt noch keine Frau und nur 11 der 65 Nationalratsmandate sind weiblich besetzt. Da Alice Glauser im Herbst nicht mehr antritt, will sie unbedingt, dass ihren Sitz eine Frau übernimmt.

Die SVP-Nationalrätin geht dabei gezielt auf Frauen in ihrem Kanton zu, die sich für ihr Amt eignen würden und versucht diese für eine Kandidatur zu motivieren. Ebenso macht sich die Waadtländerin für die überparteiliche Bewegung «Helvetia ruft» stark, die von Alliance F und Opteration Libero lanciert wurde. Ziel der Organisation ist eine bessere Repräsentation von Frauen im Parlament. Im Nationalrat liegt der Frauenanteil bei einem Drittel, im Ständerat ist mit der Wahl der Ostschweizerin Karin Keller-Sutter in den Bundesrat nur noch jeder siebte Sitz weiblich besetzt. Die Unterschiede zwischen den Parteivertretungen sind enorm.

Die SVP hat die schlechteste Vertretung im Parlament, gefolgt von der FDP, die nur jeden fünften Sitz weiblich besetzt hat. Den Rekord hält die SP mit 58 Prozent ihrer Volksvertretungen. Die EVP kam nach den Wahlen 2015 auf einen Frauenanteil von 100 Prozent, hatte aber nur zwei Sitze in der grossen Kammer. Studien des Bundeamtes für Statistik (BfS) zeigen, dass Frauen heute durchaus gute Chancen haben, gewählt zu werden. Noch 1971 lag die Chance 3,5 mal tiefer. Und die Wahlquote ist deutlich gestiegen. Bei den Wahlen lag sie bei 95,5 Punkten, also ungefähr dem Anteil der Kandidierenden.

Bei der SP kandidieren nicht nur mehr Frauen, sondern sie haben auch eine bessere Chance auf eine Wahl, nämlich 1,5 Mal höher als eine Männerkandidatur. Gleich sieht es bei der GLP aus. Bei den Grünen und den Bürgerlichen stehen die Chancen schlechter: GPS 1,2 mal besser für die Kandidaten, FDP 1,6 Mal besser für den Mann und SVP 1,1 Mal höhere Quote für die Männer. Bei der Goldenen Mitte liegt die CVP mit ähnlichen Chancen für Frauen und Männer. Gesamthaft aber werden mehr Frauen gewählt, wenn mehr Frauen kandidieren. Darum setzt «Helvetia ruft» primär bei den Kandidaturen an. Es sollen besonders die Chancen für Frauen erhöht werden, die noch in keiner Partei sind. Bereits haben mehrere hundert Frauen ihr Interesse gezeigt. Die Frauen sind noch nicht vernetzt, haben aber in der Regel Interesse an der einen oder anderen Partei, meistens für Parteien in der Mitte.

«Auf der linken Seite werden die Frauen von den Parteien wohl bereits aktiver abgeholt, während Frauen bei rechten Parteien womöglich das Gefühl haben, bei einer Kandidatur allein auf weiter Flur zu sein», meint «Helvetia ruft» dazu. Wichtig ist, neben der Vernetzung auch der Listenplatz, den Frauen erhalten. Kandidieren sie nur des Partei-Images wegen und werden auf die hinteren Plätze verbannt, schmälert dies eine Wahl ungemein. «Helvetia ruft» ist es darum auch wichtig, dass Kandidatinnen an obersten Listenstellen stehen. Das Ranking von «Helvetia ruft», das die Parteien auf kantonaler Ebene danach bewertet, wie viele Frauen und Männer wo auf ihrer Liste platziert sind, soll im Herbst, kurz vor den Wahlen veröffentlicht werden.

Es kommt aber zudem auch darauf an, in welchem Kanton eine Frau kandidiert. Während in Zürich oder Bern 40 Prozent der Sitze an Frauen gehen, haben vier Kantone noch niemals eine Frau nach Bundesbern geschickt: Zug, Appenzell Innerrhoden, Obwalden und Glarus. Diese haben nur eine Sitz im Nationalrat und wählen nach Majorzsystem. Dies gilt auch für die drei Kantone, die zwar schon eine Frau nach Bern geschickt haben, gegenwärtig aber in beiden Kammern nur durch Männer vertreten sind: Appenzell Ausserrhoden, Nidwalden und Uri. Neuenburg wählt nach dem Proporzsystem und hat mehrere Sitze im Nationalrat und doch war noch nie eine Frau in Bern, wie auch nicht für den Kanton Zug.

Text Quellen: NZZ, Bundesamt für Statistik, Helvetia ruft

Bild: Helvetia ruft

Die Frauen sind im Nationalrat deutlich untervertreten

Frauenanteil in Prozent, Frauen-Männer-Verhältnis im Nationalrat

Betrachtet man die kantonalen Parlamente, liegt der Frauenanteil nur unwesentlich tiefer als jener im Nationalrat. Während in der kantonalen Legislative über Jahre ein Anstieg zu verzeichnen war, hat sich die Kurve nun abgeflacht. Ähnlich ist es im Nationalrat.

Im Ständerat wenigstens die Sitze halten

Im Ständerat ist der Anteil der Frauen seit dem Jahr 2003 sogar rückläufig. Derzeit gibt es so wenige Ständerätinnen wie seit 1991 nicht mehr. Bei den Wahlen im Oktober könnte sich der Negativtrend bestätigen. Fünf von sechs Ständerätinnen stellen sich nicht mehr zur Wahl. Brigitte Häberli-Koller will als einzige wieder antreten.Immerhin buhlen diverse Frauen darum, in die kleine Kammer gewählt zu werden, wie Projektleiterin Zuber betont. «Im letzten Herbst sahen wir nach den vielen Rücktritten schwarz für die Frauenvertretung im Ständerat. In der Zwischenzeit haben sich aber mehrere Frauen, die ein gutes Standing in ihren Kantonen haben, zur Wahl angeboten.»

Ob alle sechs Sitze erneut von Frauen besetzt werden können, ist offen. Einzig in Basel-Stadt ist bereits absehbar, dass der Sitz von Anita Fetz in Frauenhand bleiben dürfte. Jessica Zuber und ihre Kolleginnen von «Helvetia ruft» hoffen daher in erster Linie darauf, dass der Frauenanteil in der kleinen Kammer nicht noch weiter sinkt. Und konzentrieren sich auf den Nationalrat.

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