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Keine Zeit für die Verabschiedung einer grossen Politikerin

Keine Zeit für die Verabschiedung einer grossen Politikerin

Nach dem Tod der früheren SP-Präsidentin und Bundesratskandidatin Christiane Brunner schaltete ihre Partei keine Todesanzeigen. Laut der SP «ein Versäumnis».

 

Kurz vor Ostern verstarb die ehemalige SP-Präsidentin Christiane Brunner im Alter von 78 Jahren. Die Gewerkschafterin wurde als eine der Mitinitiantinnen des ersten Frauenstreiks 1991 national bekannt. Im Jahr 1993 war sie die offizielle SP-Kandidatin für den Bundesrat.

Ihre Nicht-Wahl führte zum sogenannten «Brunner-Effekt» – die Frauenvertretung stieg in verschiedenen Kantonen stark an. Kurz: Die Genferin prägte den Feminismus in der Schweiz. In einer Medienmitteilung nach der Meldung ihres Todes wurde sie von ihrer Partei auch entsprechend gewürdigt. Doch daran, Todesanzeigen für Brunner zu schalten, dachte im SP-Generalsekretariat niemand. Dabei ist es üblich, dass Parteien dies für ihre ehemaligen Präsidenten tun.

Als der langjährige Parteipräsident Helmut Hubacher im Jahr 2020 starb, schaltete die SP Schweiz Todesanzeigen in gut einem Dutzend Zeitungen. Aber von Christiane Brunner nahm nur die Genfer Kantonalpartei auf diese Weise Abschied. Gegenüber «CH Media» gibt die SP zu, es sei «ein Versäumnis», dass man keine Todesanzeige veröffentlicht habe.

Parteileitung bei Beerdigung abwesend

Aber nicht nur die Todesanzeigen gingen bei der SP vergessen. Eine Woche nach ihrem Tod wurde Brunner beerdigt – unter den Trauergästen war jedoch niemand von der Parteileitung. Als Grund nennt die SP die Osterfeiertage und verschiedene Abwesenheiten.

Die Berner SP-Ständerätin Flavia Wasserfallen vertrat schlussendlich die Parteispitze. Ausserdem nahm SP-Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider an der Trauerfeier in Lausanne teil. Die öffentliche Gedenkfeier für Christiane Brunner steht jedoch noch bevor. Diese wird von der SP Schweiz und der Genfer Kantonalpartei organisiert und findet am 12. Juni in Bern statt, also zwei Tage vor dem diesjährigen Frauenstreik.

Quellen: Bild Keystone / Text nau.ch

Meinung

Welche Schande für die SP! Eine der grössten SP-Politikerinnen der jüngeren Schweizer Geschichte starb und die Leitung nimmt sich nicht einmal die Mühe, Todesanzeigen zu schalten oder an der Beerdigung teilzunehmen. Ja, ja, die Ostertage kamen dazwischen. Klar. Dann muss ja jeder und jede die Familie feiern oder ins Ausland reisen und eine Auszeit nehmen. So wichtige Sachen kann man natürlich nicht einfach canceln, um einer grossen Persönlichkeit die verdiente Ehre zu erweisen.

Bedenklich finde ich, dass gerade die Partei, die sich schimpft Frauen zu fördern, Leistungen nicht schätzt und verdankt. Es ist eine Frage des Anstands und vielleicht täten die Amtsträger und Amtsträgerinnen gut daran, das Hirn einzuschalten und zu überlegen, wem sie die Fortschritte zu verdanken haben. Was die Frauenfrage betrifft ist ganz sicher Christiane Brunner eine nennenswerte Persönlichkeit.

Ich gebe zu, dass ich mit der Unterstützung Christiane Brunners von Pierre-Yves Maillard als Gewerkschaftspräsident und nicht der ebenso fähigen mitkandidierenden Vollblutgewerkschafterin Barbara Gysi meine Mühe hatte und bis heute habe. Das war in meinen Augen einer der grössten Fehler Brunners, den ich ihr nie verzeihen kann. Gerade sie hätte auf jeden Fall auf eine Frau und nicht die Herkunft setzen und die Frau unterstützen müssen. Gerade nach all dem, was sie bei ihrer Bundesratswahl zu erleiden hatte, nur weil man es nicht nötig fand, eine attraktive Frau zu wählen und ihr deshalb Fähigkeiten absprechen wollte. Trotzdem gehört Ehre, wem Ehre gebührt! Christiane Brunner hat jede mögliche Ehre auf jeden Fall verdient.

Ich hoffe, dass sich künftig auch SP-Frauen fragen, ob es sich lohnt, für solch eine undankbare Partei die Karriere oder Familie ganz hintanzustellen. Immerhin haben Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider und Nationalrätin Fiavia Wasserfallen sich die Zeit genommen, eine der ganz grossen Frauen in der Schweizer Politik an richtiger Stelle zu ehren. Wer im Juni nun heuchlerischerweise die öffentliche Gedenkfeier für die Verstorbene besucht, nur um gesehen zu werden, der schäme sich, pfui!

Cornelia Forrer

 

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