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Mädchen können auch Mathematik-Genies sein – sie trauen es sich nur selten zu

Mädchen können auch Mathematik-Genies sein – sie trauen es sich nur selten zu

Immer wieder zeigt es sich, dass auch Mädchen gut rechnen können. Es gibt sogar weibliche Mathe-Genies. An der Internationalen Mathematik-Olympiade IMO trifft man vor allem junge Frauen aus osteuropäischen Ländern oder China an.

Lawrence Summer war Harvard-Präsident. Er bezweifelte  im Jahr 2005, dass Mädchen ebenfalls rechnen können, darum sei es schwer, Mathematikprofessorinnen zu finden. Er sprach von geschlechtsspezifischen Unterschieden bei der Mathematik-Fähigkeit. Dies bestätige sich auch darin, dass ausschliesslich männliche grosse Mathematiker Geschichte schrieben. Das Gute am Ganzen ist, Summer war per sofort seinen Job los. Die Meinung aber, dass Mädchen einfach nicht rechnen können, steckt noch immer in vielen Köpfen fest.

Bei Schülertests, Matura-Benotungen oder Pisa-Ergebnisse ging es immer um die Leistung ganz normaler Schülerinnen und Schüler. Gesucht waren deshalb für die Studie die potenziellen Genies. Und man fand diese bei Mathematik-Wettbewerben, besonders bei der Internationalen Mathematik-Olympiade IMO. Titu Andreescu, ein rumänischer Mathematiker und IMO-Organisator, nahm sich die Teilnehmenden der letzten zwanzig Jahre aus aller Herren Länder für seine Studie (Notices of the American Mathematical Society», Bd. 55, S. 1248) vor.

Ein Team von sechs Teilnehmenden darf aus über 90 Ländern an die IMO gehen. Dort gibt es sechs Aufgaben zu lösen, die so knifflig sind, dass selbst Mathematikprofessoren anstehen würden. Gefragt ist dabei keine Theorie oder Technik, sondern Kreativität und Strategie. In Sommerlagern befassen sich die Teilnehmenden im Heimatland mit möglichen Wegen. Zu gewinnen gibt es nichts –  mit Ausnahme der Ehre, des Spasses und der Auszeichnungen in Form von Medaillen.

Es sind seit Jahrzehnten die immer gleichen Länder, die an der IMO brillieren. Neben China und Russland, haben die osteuropäischen Länder die Nase weit vorn, besonders Bulgarien und Rumänien. Die Autoren der Studie fanden heraus, dass die besten 15 Länder besonders viele Mädchen in den Teams mitwirken lassen. Der Anteil der Mädchen beträgt  dort zwischen 12 bis 24 Prozent. Darunter sind zahlreichen Goldmedaillen-Trägerinnen.

Aus den USA nahmen seit 1974 gerade einmal drei Mädchen an der IMO teil – meist waren es Mädchen asiatischer oder osteuropäischer Herkunft. Es lässt sich daraus schliessen, dass weder die Ethnie noch das Geschlecht, sondern soziokulturelle Faktoren verhindern, dass Mädchen mathematisch begabt sind, so die Meinung der Autoren der Studie.

Die ETH-Doktorandin, Anna Devic, hat im Schweizer Team an der IMO 2003 teilgenommen und engagiert sich bis heute als Teamleiterin. Als sie mit 15 aus Ungarn an ein Schweizer Gymnasium kam, erlebte sie einen Kulturschock, denn in Ungarn sei es ganz normal gewesen, an Wettbewerben teilzunehmen. «Fast jeder hatte ein Fach, in dem er sich an Wettbewerben mass, das gehörte so dazu, auch für die Lehrer», sagt Devic.

In der Schweiz schien es ihr, als sei das Lernen im Allgemeinen schon verpönt. Doch es sei zusätzlich sehr schwierig gewesen, Freunde zu finden, wenn man viel lernen wollte. Besonders als Mädchen, das sich für Mathematik interessierte, stand sie einsam auf weiter Flur. Bei den Jungen würden sogenannte Streber auch belächelt, aber sie bildeten immerhin eine Gruppe. Als Mädchen stünde man hingegen allein – und mit 15 möchte man doch sein wie alle.

Auch Dima Nikolenkov kennt das Problem. Der gebürtige Russe aus St. Petersburg ist Mathematiklehrer an der Kantonsschule Trogen und begleitet Schülerinnen und Schüler aus  der ganzen Ostschweiz in Vorbereitungslektionen für die IMO-Vorrunden. Das Wichtigste sei in diesem Alter die Begeisterung und nicht das Talent, genau wie im Sport. In seinen Kursen sitzen etwa gleich viele Buben wie Mädchen, wobei er oft nicht nur den Mädchen selbst, sondern auch deren Eltern klarmachen müsse, dass Mädchen an Mathematik Spass haben können. «Man gilt leicht als Freak mit dieser Freizeitbeschäftigung, und Mädchen haben in diesem Alter damit ein grösseres Problem als Buben.»

Immerhin nimmt seit 1991 regelmässig ein Schweizer Team an der IMO teil, das sich aus rund 100 bis 150 Kandidaten über zwei Vorrunden rekrutiert. Seither waren über 80 junge Männer und 6 junge Frauen aus der Schweiz dabei (darunter Anna Devic), 2 von den Teilnehmerinnen waren sogar zweimal dabei. Ihre Namen sprechen allerdings klar für sich: Tatiana Mantuano und Le Thanh Tu Nguyen.

Bild: EMMA

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