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«Nie wieder», so lautet ein Versprechen, das auch die Stadt St. Gallen betrifft

«Nie wieder», so lautet ein Versprechen, das auch die Stadt St. Gallen betrifft

Das Konzentrationslager Bergen-Belsen zwischen Hamburg und Hannover war auch ein sogenanntes Austauschlager. Das bedeutete: Jüdische Geiselhäftlinge konnten gegen Geld freigelassen oder für im Ausland internierte Deutsche ausgetauscht werden. 1944/1945 spielte dabei auch St. Gallen eine Rolle.

Die Stadt St Gallen war damals eine Zwischenstation in die Freiheit für zwei Transporte losgekaufter und ausgetauschter Häftlinge aus dem KZ Bergen-Belsen, für insgesamt 1480 Menschen. Im Jahr 2019, 75 Jahre später, machte die Wanderausstellung «Kinder im KZ Bergen-Belsen» ebenfalls Station in St. Gallen, und zwar im Historischen und Völkerkundemuseum.

Diana Gring, Historikerin und Kuratorin an der Gedenkstätte Bergen-Belsen, und Peter Müller, Historiker und Provenienzforscher am HVM St. Gallen, recherchierten rund um die St. Galler Zwischenstation. Sie fanden Tagebücher, Postkarten, Berichte Interviews mit Zeitzeugen. Es gibt Spuren in der damaligen Lokalpresse, in Fotosammlungen, im Bundesarchiv in Bern. Es gibt in St. Gallen sogar vier Gräber von Menschen, die den Transport nicht überlebten.

Die kürzlich erschienene Broschüre «Licht am Ende der Nacht» von Diana Gring und Peter Müller ist die erste Aufarbeitung eines Themas, das unser aller Interesse und Aufmerksamkeit verdient. «Es ist ein Brückenschlag zwischen der Geschichte des Holocaust und der Lokalgeschichte der Stadt St. Gallen. Wir freuen uns über dieses Gemeinschaftsprojekt», betonen Dr. Daniel Studer, Direktor des HVM St. Gallen, und Dr. Jens-Christian Wagner, Geschäftsführer der niedersächsischen Gedenkstätten, im Vorwort.

Was weiss man eigentlich von den letzten Jahren des Zweiten Weltkriegs auch in St. Gallen? Die neue Broschüre berichtet davon, von einem Menschenhandel der jüngsten Zeit, eben vom Kasztner-Transport nach St. Gallen, vom Güterbahnhof, wo der Zug aus Bergen-Belsen am Donnerstag, 7. Dezember 1944 um 02.30 Uhr ankam. Den Weg zur Kaserne und Turnhalle Kreuzbleiche schafften die meisten Menschen zu Fuss. Menschen, die gehunfähig waren, wurden mit dem Auto hingefahren. Kurz vor Morgengrauen servierte man ihnen eine erste Mahlzeit: Käse, Suppe, Kartoffeln, Brot, Äpfel. In der geheizten Turnhalle waren Matratzen mit Wolldecken ausgelegt worden. In der Kaserne standen in den Schlafstellen der Soldaten Strohlagersäcke zur Verfügung. Es gab geheizte Waschräume, getrennte WCs, samt WC-Papier. Es gab warme Kleider und für die Kinder Spielsachen. Im ersten Moment war dies gewiss wohltuend für die Befreiten.

Die beiden Autoren der Broschüre haben gründlich recherchiert. Dabei kommt auch Kleinliches, ja Beschämendes zu Tage: «Jede Flüchtlingsfamilie erhielt – meist bei Verlassen des Landes – eine Rechnung über die Kosten für den Aufenthalt in den Auffanglagern St. Gallen und Caux. Einige Überlebende erfüllt es bis heute mit grosser Bitterkeit, dass das Land, das ihnen als befreiten KZ-Häftlingen ein Rettungshafen war, eine kleinliche Aufstellung für Pensionskosten erstellte».

«Licht am Ende der Nacht», die wissenswerte Broschüre über die Transporte aus dem KZ Bergen-Belsen nach St.Gallen.

 

Diana Gring, Licht am Ende der Nacht, Die Transporte aus dem KZ Bergen-Belsen nach St.Gallen, St.Gallen 2019, 44 Seiten, 10.00 Franken. Erhältlich im Historischen und Völkerkundemuseum St.Gallen und in den St.Galler Buchhandlungen Rösslitor und Rose.

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