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REGIERUNG UND KANTONSRAT VERLETZEN MIT ABSTIMMUNGSBÜCHLEIN  DAS GEBOT DER SACHLICHKEIT

REGIERUNG UND KANTONSRAT VERLETZEN MIT ABSTIMMUNGSBÜCHLEIN DAS GEBOT DER SACHLICHKEIT

Für das Referendumskomitee ist klar: Das Spital Wattwil muss bei einem Nein zum Nachtrag am 13. Juni als stationäres Spital weiterhin durch den Kanton betrieben werden. Dies ergibt eine Analyse „Entstehungsgeschichte der Abstimmung mit rechtlicher Einordnung“. Wie die knappe Parolenfassung der kantonalen SVP gegen das Referendum zeigt, stehen auch weite Teile der bürgerlichen Parteien für das Spital Wattwil ein und stemmen sich gegen die Missachtung des Volkswillens.

 

Am 13. Juni 2021 wird die St. Galler Stimmbevölkerung über den Nachtrag zum Kantonratsbeschluss über die Erneuerung und Erweiterung des Spitals Wattwil befinden. Mit dem Aufhebungsbeschluss wollen Kantonsrat und Regierung den geltenden Volksentscheid rückgängig machen und den Volkswillen aushebeln. Die Regierung und die Befürworter*innen der Spitalstrategie behaupten, dass ein Nein zur Schliessung des Spitals Wattwil keine Auswirkungen auf die Festlegung des Spitalstandorts Wattwil habe. Gesundheitsdirektor Bruno Dammann hatte diese Haltung in einem SRF-Radiointerview selber relativiert. Mutmasslich, weil er selber um das politische Signal eines Neins zur Schliessung weiss. Eine Analyse der Entstehungsgeschichte mit rechtlicher Einordnung zeigt in aller Klarheit: Das Volk hat 2014 sehr wohl über den Standort Wattwil abgestimmt. Das Signal bei einem Nein zur Schliessung ist glasklar: Das öffentliche Spital in Wattwil müsste vom Kantonsrat als zusätzlicher Standort anerkannt und mit einem stationären Angebot weiterbetrieben werden.

Keine Aufhebung des Volksentscheids von 2014

Ein Blick zurück: Am 30. November 2014 hat die St.Galler Stimmbevölkerung über mehrere Kantonsratsbeschlüsse betreffend die Erneuerung und Erweiterung von Spitalliegenschaften im Kanton St. Gallen abgestimmt. Zum Kantonsratsbeschluss über die Erweiterung und Erneuerung des Spitals Wattwil wurde im Abstimmungsbüchlein ausgeführt:

„Das Spitalunternehmen Fürstenland Toggenburg besteht aus den Spitalstandorten Wattwil und Wil. Der Standort Wattwil garantiert innerhalb des Spitalunternehmens die stationäre Grundversorgung für die Region Toggenburg und übernimmt Schwerpunktfunktionen bei der Behandlung von hochbetagten Patientinnen und Patienten und bei der Entwöhnung von Patientinnen und Patienten mit Alkoholproblemen. Damit nimmt der Standort Wattwil im Netzwerk der st.gallischen Spitalunternehmen einen bedeutenden Versorgungsauftrag wahr.”
(S. 70 Abstimmungsbüchlein).

Solchen Stellungnahmen der Regierung im Vorfeld einer Abstimmung kommen in jedem Abstimmungskampf eine herausragende Bedeutung zu. Das Bundesgericht hat mehrfach (vgl. den Grundsatzentscheid BGE 138 I 61 [‘Unternehmenssteuerreform II’] sowie zuletzt insbesondere BGer 1C_315/2018 [‘Ehe für alle’]) bestätigt, dass kein Abstimmungsergebnis anzuerkennen ist, das nicht den freien Willen der Stimmberechtigten zuverlässig und unverfälscht zum Ausdruck bringt. Wenn die Behörden insbesondere im Abstimmungsbüchlein das Gebot der Sachlichkeit verletzen, kann die Willensbildung der Stimmberechtigten verfälscht werden. Dies hat gleichsam zur Folge, dass sich der Wille des Gesetzgebers (bei Abstimmungen des Volkes) und die ratio legis insbesondere auch aus den Abstimmungserläuterungen sowie den Informationen der Behörden im Vorfeld einer Abstimmung ergeben.

Zum konkreten Fall: Nach Meinung der St. Galler Regierung wäre mit einem Nein zum Nachtrag nämlich kein „Nein zur Schliessung des Spitals“ verbunden, sondern einzig die Verpflichtung zur Ausführung der ursprünglichen Bauvorlage. Diese Argumentation ist in den überaus ausführlichen Erläuterungen im Abstimmungsbüchlein zu lesen. Und hier setzt die Kritik des Referendumskomitees an. Mit ihren Erläuterungen im Abstimmungsbüchlein verletzen Regierung und Kantonsrat das Gebot der Sachlichkeit. Sie versuchen, den Volkswillen zu relativieren und die Macht des Kantonsrats über jene des Volks zu stellen. Das ist inakzeptabel und der St.Galler Demokratie unwürdig.

Es liegt auf der Hand, dass mit der Abstimmung am 30. November 2014 nicht nur Ja zu einer Gebäudehülle gesagt wurde – sondern auch zum Betrieb eines Spitals. Wenn die öffentliche Hand baut, so baut sie stets Zweckbauten. Stimmt die Stimmbevölkerung über den Neubau einer Schule zu, so geht sie davon aus, dass der Bau dereinst auch der Schule dient. Sie gibt dem Staat nicht einfach einen Blankocheck über etwelche Nutzungen von öffentlichen Gebäuden. Nicht anders verhält es sich beim 63 Mio. Franken-Spitalneubau in Wattwil.

Indem die Regierung die Vorlage vom 13. Juni 2021 auf eine reine Bauvorlage reduziert, versucht sie mühevoll zu ignorieren, dass das Stimmvolk mit der Abstimmung vom 30. November 2014 klipp und klar Ja zu einem Spitalbetrieb in Wattwil gesagt hat.

Regierung und Kantonsrat weisen im aktuellen Abstimmungsbüchlein für die Abstimmung vom 13. Juni in eigenartigem Übereifer auf die „neue Ausgangslage“ hin, seit Wochen und Monaten wird die Öffentlichkeit mit immer neuen „schlechten“ Zahlen der Spitalverbunde bombardiert. All das ändert nichts daran, dass sich der Kantonsrat letzten November über den Volksentscheid hinwegsetzte und den Volksentscheid von 2014 rückgängig machen wollte.

Wenn jetzt die Stimmbevölkerung am 13. Juni im Wissen um die allfällig neue Ausgangslage am damaligen Beschluss festhalten will, so drückt sie aus, dass sie weiterhin und unverändert den Betrieb eines Spitals möchte. Wenn das Volk am 13. Juni 2021 den Nachtrag zum Kantonsratsbeschluss über die Erneuerung und Erweiterung des Spitals Wattwil ablehnt, bestätigt sie damit den Volksentscheid vom 30. November 2014, damit für die Toggenburger Bevölkerung längerfristig eine leistungsfähige und qualitativ hochstehende Notfall-, Grund- und Spezialversorgung sichergestellt ist – so wie dies im Abstimmungsbüchlein 2014 ausgeführt wurde. Die Bevölkerung hatte damals entschieden, dass sie diese weiterentwickeln möchte. Und wenn sie den Beschluss von damals nicht aufhebt, so bleibt es dabei.

Massiver Verstoss gegen einen Volksentscheid

Die Regierung verstösst mit ihren Ausführungen im Abstimmungsbüchlein nach Meinung des Referendumskomitees gegen das Gebot der Sachlichkeit. Die Stimmbürger*innen sollen durch die Information, dass ein Nein sowieso nichts bringe, massiv beeinflusst werden. Alle Vorschläge zur Weiterentwicklung der bewährten St.Galler Netzwerkstrategie im öffentlichen Gesundheitswesen werden beiseite gewischt, damit der 63.Mio. Franken-Spitalneubau und weitere millionenschwere Immobilienwerte für groteske 10 Mio. Franken an einen privaten Investor verschachert werden kann. Mit der voraussichtlichen Bevorteilung wird Volksvermögen im noch nie dagewesenen Stil verschleudert. Dagegen wehren sich längst nicht nur Toggenburger Ortsparteien, sondern zusehends weite Teile der bürgerlichen Parteibasis. Das zeigt etwa die extrem knappe Parolenfassung der kantonalen SVP gegen das Referendum. Die Nervosität im Gesundheitsdepartement und in den bürgerlichen Parteizentralen nimmt spürbar zu.

Wie die Aussagen von Gesundheitsdirektor Bruno Dammann zeigen, sind bereits weitere Spitalschliessungen geplant. Für das Referendumskomitee gegen die Schliessung des Spitals Wattwil ist deshalb klar: Wenn nicht mit einem Nein zum Nachtrag zum Kantonsratsbeschluss zum Spital Wattwil gegen die verfehlte Spitalstrategie ein Pflock eingeschlagen wird, dann wird es in wenigen Jahren im Kanton St. Gallen kein Landspital mehr geben.

Medienmitteilung SP Kanton St. Gallen

Stellungnahme zur Abstimmung vom 13. Juni 2021 / Folgen einer Ablehnung des Nachtrags zum Kantonsratsbeschluss über die Erneuerung und Erweiterung des Spitals Wattwil (35.20.02)

Ausgangslage:

Am 13. Juni 2021 wird die St. Galler Stimmbevölkerung über den Nachtrag zum Kantonratsbeschluss über die Erneuerung und Erweiterung des Spitals Wattwil befinden. Mit dem Nachtrag soll der von der St. Galler Stimmbevölkerung am 30. November 2014 mit wuchtiger Mehrheit angenommene Kantonsratsbeschluss über die Erweiterung und Erneuerung des Spitals Wattwil aufgehoben werden. Es stellt sich die Frage der Folgen einer solchen Abstimmung. Nach Meinung der St. Galler Regierung wäre mit einem Nein kein Nein zur Schliessung des Spitals verbunden, sondern einzig die Verpflichtung zur Ausführung der Bauvorlage.
Einordnung:

Am 30. November 2014 hat die St. Galler Stimmbevölkerung über mehrere Kantonsratsbeschlüsse betreffend die Erneuerung und Erweiterung von Spitalliegenschaften im Kanton St.Gallen abgestimmt:

Kantonsspital St.Gallen, Spital Grabs, Spital Linth, Spital Altstätten und Spital Wattwil.

Der Abstimmung ging eine lange Zeit kontroverser Diskussionen über die Spitalstrategie im Kanton voraus, welche dazu geführt hatte, dass während 20 Jahren keine Erneuerungen getroffen worden waren. Mit der Abstimmung sollte dieser „Knoten“ gelöst werden. Im Abstimmungsbüchlein von damals heisst es:

„Die Spitalversorgung im Kanton St. Gallen umfasst heute ein fein aufeinander abgestimmtes Leistungsangebot – vergleichbar mit einem ineinandergreifenden Räderwerk. Vier Spitalunternehmen garantieren im ganzen Kanton eine wohnortnahe und qualitativ hochstehende Versorgung. Dafür braucht es alle Räder dieses Werks: einerseits das KSSG und das OKS als starke Zentrumsspitäler, anderseits die regionalen Spitalunternehmen als Kompetenzzentren für die Grundversorgung vor Ort. Verschiedene medizinische Netzwerke stellen im ganzen Kanton den wohnortnahen Zugang zu spezialisierten Leistungen sicher und gewährleisten damit eine Behandlung zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort. Das vermeidet unnötige Transporte und spart Kosten.“
„Mit Neubauten, Erneuerungen und baulichen Erweiterungen sollen der ausgewiesene Raumbedarf gedeckt und die betrieblichen Prozesse auf den aktuellen Stand gebracht werden. In einem ersten Schritt werden Teile des KSSG und die regionalen Spitalstandorte in Altstätten, Grabs, Uznach (Spital Linth) und Wattwil erneuert. Die Bauvorhaben bilden ein Generationenprojekt, welches in einem zweiten Schritt durch weitere Projekte fortgeführt wird“ (S. 5 des Abstimmungsbüchleins)
Zu den Folgen einer Ablehnung wurde ausgeführt:
„Ein Nein zu einer oder mehreren der fünf Bauvorlagen würde die Verbesserung der baulichen und betrieblichen Mängel sowie der Prozesse und damit einen zeitgemässen Spitalbetrieb am betreffenden Spitalstandort verunmöglichen. Der betroffene Spitalstandort bzw. die betroffenen Spitalstandorte müssten ihren Leistungsauftrag weiterhin in Räumlichkeiten erfüllen, die den heutigen Anforderungen nicht mehr genügen. Die Attraktivität und Konkurrenzfähigkeit wären eingeschränkt. Auch die Rekrutierung von qualifiziertem Personal würde erschwert. Aufwändige Zwischenlösungen mit teuren provisorischen und nicht nachhaltigen Baumassnahmen wären die Folge, und die Planungsarbeiten der letzten zehn Jahre würden zunichte gemacht. Ohne Investitionen lassen sich die kantonale Netzwerkstrategie und die leistungsfähige und qualitativ hochstehende Notfall-, Grund- und Spezialversorgung längerfristig nicht sicherstellen“ (S. 15 Abstimmungsbüchlein).
Einen Teil des genannten Netzwerks sollte weiterhin das Spital Wattwil bilden. Entsprechend wurde auch über einen Kantonsratsbeschluss über die Erneuerung und Erweiterung des Spitals Wattwil abgestimmt. Damalige Ausführungen zum Kantonsratsbeschluss über die Erneuerung und Erweiterung des Spitals Wattwil
Zum Kantonsratsbeschluss über die Erweiterung und Erneuerung des Spitals Wattwil wurde im Abstimmungsbüchlein insbesondere Folgendes ausgeführt:
„Das Spitalunternehmen Fürstenland Toggenburg besteht aus den Spitalstandorten Wattwil und Wil. Der Standort Wattwil garantiert innerhalb des Spitalunternehmens die stationäre Grundversorgung für die Region Toggenburg und übernimmt Schwerpunktfunktionen bei der Behandlung von hochbetagten Patientinnen und Patienten und bei der Entwöhnung von Patientinnen und Patienten mit Alkoholproblemen. Damit nimmt der Standort Wattwil im Netzwerk der st.gallischen Spitalunternehmen einen bedeutenden Versorgungsauftrag wahr. Heute besteht am Spitalstandort Wattwil ein hoher Erneuerungsbedarf. Es fehlt an Nutzflächen, und die Spitalstruktur weist erhebliche betriebliche Mängel auf. Das Baudepartement des Kantons St.Gallen hat deshalb in Zusammenarbeit mit dem Spitalunternehmen ein Grundlagenpapier erarbeitet, das die notwendigen Massnahmen zusammenfasst, um die Infrastruktur des Spitals Wattwil auf den aktuellsten baulichen und betrieblichen Stand zu bringen, die heutigen baulichen und betrieblichen Mängel zu beheben und damit die Attraktivität und die Konkurrenzfähigkeit des Spitals Wattwil langfristig zu verbessern. Dazu ist nebst dem Ausbau der bestehenden Spitalgebäude ein zusätzlicher Erweiterungsbau nötig“ (S. 70 Abstimmungsbüchlein).
Funktion des Abstimmungsbüchleins:
Gemäss Art. 1bis des Gesetzes über Referendum und Initiative gibt der Kantonsrat Verfassungsvorlagen, Gesetzen, Kantonsratsbeschlüssen und Stellungnahmen zu Initiativbegehren für die Volksabstimmung in der Regel einen erläuternden Bericht bei (Abstimmungsbüchlein). Der Bericht enthält eine Zusammenfassung des Inhalts der Vorlage und deren wesentlichen Folgen. Dem Abstimmungsbüchlein und den Äusserungen der Exekutive im Vorfeld einer Abstimmung kommen bei der Gewährleistung der Abstimmungsfreiheit (Art. 34 Abs. 2 BV) eine herausragende
Bedeutung zu. Das Bundesgericht hat mehrfach (vgl. den Grundsatzentscheid
BGE 138 I 61 [‘Unternehmenssteuerreform II’] sowie zuletzt insbesondere BGer 1C_315/2018 etc. [‘Ehe für alle’]) bestätigt, dass kein Abstimmungsergebnis anzuerkennen ist, das nicht den freien Willen der Stimmberechtigten zuverlässig und unverfälscht zum Ausdruck bringt. Wenn die Behörden insbesondere im Abstimmungsbüchlein das Gebot der Sachlichkeit verletzen, kann die Willensbildung der Stimmberechtigten verfälscht werden (vgl. insbesondere
BGE 138 I 61 E. 6.2 sowie E. 6.3, wonach diese Grundsätze auch für kantonale Abstimmungen gelten). Dies hat gleichsam zur Folge, dass sich der Wille des Gesetzgebers (bei Abstimmungen des Volkes) und die ratio legis insbesondere auch aus den Abstimmungserläuterungen sowie den Informationen der Behörden im Vorfeld einer Abstimmung ergeben (vgl. BGE 139 II 243 E. 8 und 9.2).
Einordnung im vorliegenden Fall

Die Stimmbevölkerung wird am 13. Juni 2021 über die Aufhebung des Kantonsratsbeschlusses über die Erweiterung und Erneuerung des Spitals Wattwil befinden, welchem sie am 30. November 2014 mit wuchtiger Mehrheit zugestimmt hatte.

Spitäler als Zweckbauten:

Das Volk hat am 30. November 2014 den Beschluss des Kantonsrates über die Erweiterung und Erneuerung des Spitals Wattwil mit deutlichem Mehr bestätigt. Es wurde damals, dies ergibt sich bereits aus dem Titel der Vorlage, über die Erweiterung und Erneuerung eines Spitals abgestimmt. Es liegt auf der Hand, dass mit der Abstimmung nicht nur „Ja“ zu einer Gebäudehülle gesagt wurde – sondern auch „Ja“ zum Betrieb eines Spitals. Wenn die öffentliche Hand baut, so baut sie stets Zweckbauten, d.h. Bauten, die dafür errichtet oder erneuert werden, eine bestimmte staatliche Aufgabe wahrzunehmen. Stimmt die Stimmbevölkerung über den Neubau einer Schule ab und stimmt sie diesem zu, so geht sie klarerweise davon aus, dass der Bau auch der Erbringung des öffentlichen Auftrags «Gewährleistung des Grundschulunterrichts oder Gewährleistung des weiterführenden Unterrichts» gewidmet ist. Sie gibt dem Staat nicht einfach einen Blankocheck für die Errichtung eines Gebäudes, welchen dieser dann nutzen kann, wie es ihm beliebt. Nicht anders verhält es sich bei einer Spitalbaute: Diese Baute ist dem Betrieb eines Spitals gewidmet. Es ist daher ohne Weiteres davon auszugehen, dass die Stimmbevölkerung nicht nur „Ja“ zu einer Baute gesagt hat – sondern auch Ja zum Betrieb eines Spitals.

Unverfälschte Wiedergabe des Willens der Stimmberechtigten:

Im Abstimmungsbüchlein für die Abstimmung vom 30. November 2014, mit welchem gemäss Art. 1b des Gesetzes über Referendum und Initiative die wesentlichen Folgen des Kantonsratsbeschlusses erläutert wurde, wurde der Stimmbevölkerung dargelegt, wofür es die Erneuerung und Erweiterung des Spitals Wattwil braucht: Zur Empfehlung des Kantonsrates wurde auf S. 71 des Abstimmungsbüchleins ausgeführt:

„Der Kantonsrat empfiehlt Ihnen Zustimmung zur Vorlage, weil: ·der Spitalstandort Wattwil in der kantonalen Netzwerkstrategie einen wichtigen Versorgungsauftrag
wahrnimmt; der Spitalstandort Wattwil in vielen Bereichen den heutigen Anforderungen an die Infrastruktur nicht mehr genügt und dringenden Sanierungs- und Erneuerungsbedarf aufweist; mit dem Erweiterungsbau bestehende Flächendefizite sowie bauliche und betriebliche Mängel behoben werden; die Erweiterung und Erneuerung einen zukunftsgerichteten und prozessorientierten Spitalbetrieb ermöglicht; die Erweiterung und Erneuerung die Attraktivität und Konkurrenzfähigkeit des Spitalstandortes Wattwil massgeblich verbessert, der Neubau die Weiterentwicklung der kantonalen Netzwerkstrategie ermöglicht und damit für die Toggenburger Bevölkerung längerfristig eine leistungsfähige und qualitativ hochstehende Notfall-, Grund- und Spezialversorgung sicherstellt, die Erneuerung dazu beiträgt, dass die St. Galler Spitalversorgung im schweizweiten Vergleich kostengünstig bleiben kann, weil der Spitalstandort Wattwil in der kantonalen Netzwerkstrategie einen wichtigen Versorgungsauftrag wahrnimmt und der Neubau die Weiterentwicklung der kantonalen Netzwerkstrategie ermöglicht und damit für die Toggenburger Bevölkerung längerfristig eine leistungsfähige und qualitativ hochstehende Notfall-, Grund- und Spezialversorgung sicherstellt.“

Im Vertrauen auf diese Informationen hat die Stimmbevölkerung der Vorlage zugestimmt. Sie ist davon ausgegangen, dass das Spital für die Zukunft eine leistungsfähige und qualitativ hochstehende Versorgung für die Toggenburger Bevölkerung garantieren wird. Wäre sie der Meinung gewesen, dass im  Toggenburg kein Spital mehr betrieben werden soll, hätte sie dem Neu- und Erweiterungsbau der Gebäude nicht zugestimmt. Es geht letztlich darum, den Willen der Stimmberechtigten korrekt wiederzugeben. Gestützt insbesondere auf die Ausführungen im Abstimmungsbüchlein gingen sie davon aus, mit ihrem JA in Wattwil einen zukunftsgerichteten und prozessorientierten Spitalbetrieb zu ermöglichen. Dieser Wille und damit auch das Vertrauen des Stimmvolkes in die Richtigkeit der Ausführungen der Behörden in den Abstimmungserläuterungen ist bei einem Nein am 13. Juni 2021 zu respektieren und zu schützen. Dieses Verständnis muss sich auch aus der gesamten Vorgeschichte ergeben:

Die Spitalstrategie war politisch über lange Jahre hinweg ein «heisses Eisen». Darauf wird auch im Abstimmungsbüchlein hingewiesen: Nachdem in der Vergangenheit die Schliessung von Spitalstandorten ein Thema war, wurde über viele Jahre hinweg eine Netzwerkstrategie entwickelt, in welcher die Regionalspitäler die Grundversorgung vor Ort sicherstellten. Diese Strategie sollte mit den Bauprojekten weiterverfolgt und verfestigt werden – insbesondere sollte darin auch das Spital Wattwil seine Funktion haben. Die Stimmbevölkerung hat deutlich „Ja“ gesagt zu dieser Strategie und explizit auch „Ja“ zum Erhalt des Spitals Wattwil. Indem die Regierung die Vorlage vom 13. Juni 2021 auf eine reine Bauvorlage reduziert und keinen Konnex zum Betrieb eines Spitals anerkennt, ignoriert sie einerseits den Willen, den das Stimmvolk mit der Abstimmung vom 30. November 2014 geäussert hat. Andererseits verletzt sie mit ihren entsprechenden Äusserungen im Abstimmungsbüchlein und im Vorfeld der Abstimmung vom 13. Juni 2021 das Gebot der Sachlichkeit. In ihrer Antwort auf die Interpellation 51.21.35 führt die Regierung aus, es habe sich seit der Abstimmung vom 30. November 2014 die Sachlage und die Rechtslage verändert. Insbesondere habe der Kantonsrat seine Kompetenz zur Festlegung der Spitalstandorte wahrgenommen und es sei Wattwil nicht mehr als Spitalstandort vorgesehen. Die Anpassung der Spitalstrategie sei deshalb an die Hand genommen worden, weil sich die aktuellen Planwerte und Prognosen gegenüber 2014 deutlich verschlechtert hätten. Der Kantonsrat weist im neuen Abstimmungsbüchlein für die Abstimmung vom 13. Juni 2021 in aller Deutlichkeit auf die von der Regierung geltend gemachte neue Ausgangslage hin. Dies ändert aber nichts daran, dass mit dem neuen Kantonsratsbeschluss der alte Beschluss aus dem Jahr 2014 rückgängig gemacht wird. Und wenn die Stimmbevölkerung im Wissen um die allfällig neue Ausgangslage am damaligen Beschluss festhalten will, so drückt sie nach dem oben Dargelegten aus, dass sie weiterhin und unverändert den Betrieb eines Spitals möchte. Daran ändert auch nichts, dass der Kantonsrat die Spitalstandorte abweichend festgelegt hat: Wenn das Volk am 13. Juni 2021 den Nachtrag zum Kantonsratsbeschluss über die Erneuerung und Erweiterung des Spitals Wattwil ablehnt, sagt sie gleichzeitig Ja zum Bestand des Volksentscheid vom 30. November 2014, ‘damit für die Toggenburger Bevölkerung längerfristig eine leistungsfähige und qualitativ hochstehende Notfall-, Grund- und Spezialversorgung’ (Abstimmungsbüchlein S. 71) sichergestellt ist. Die Regierung führt in der Interpellationsantwort weiter aus, dass dann, wenn die Regierung zum Schluss komme, dass ein vom Kantonsrat beschlossenes Bauprojekt nicht oder grundlegend anders realisiert werden solle, eine Anpassung des entsprechenden Beschlusses durch den Kantonsrat erforderlich sei. Dieser Beschluss unterstehe wiederum dem fakultativen Referendum. Dieses Vorgehen stelle den Einbezug des Kantonsrates sowie der Stimmberechtigten sicher und sei auch in Bezug auf das Bauprojekt Wattwil eingehalten worden. Diese Ausführungen sind nicht zu beanstanden. Jedoch ist damit noch überhaupt nichts gesagt über die Wirkung eines „Nein“ der Stimmbevölkerung zur Aufhebung des Beschlusses. Wie bereits ausgeführt, geht es bei kantonalen Bauten stets um Bauten, die der Wahrnehmung eines bestimmten Zweckes, der Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe gewidmet sind. Und ein „Nein“ zur Aufhebung der Bauvorlage muss gleichzeitig als ein „Ja“ des mit der Baute zu erfüllenden Zweckes verstanden werden. Am 30. November 2014 war Wattwil ein Spitalstandort. Die Bevölkerung hat entschieden, dass sie diesen weiterentwickeln möchte. Und wenn sie den Beschluss von damals nicht aufhebt, so bleibt es dabei.

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