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Reines Frauenticket wäre diskriminierend

Reines Frauenticket wäre diskriminierend

SP-Ständerat Daniel Jositsch will unbedingt Bundesrat werden. Er will nicht akzeptieren, dass die SP-Spitze und wohl auch die Basis für die  Nachfolge von Bundesrätin Simonetta Sommaruga auf ein reines Frauenticket setzen will. Er ist nicht der erste Mann, der findet, ER gehöre dringend in den Bundesrat. Vielleicht etwas speziell ist, wie er seine Ankündigung begründet: Nach der jahrhundertelangen Diskriminierung der Frauen, seien nun die Männer von dem Phänomen betroffen. Er werde der SP-Fraktion vorschlagen, keine Grenzen für die Bundesratskandidaturen abzustecken.

 

(Kommentar von David Biner, NZZ) Nein, so nicht. Daniel Jositsch kandidiert für die Nachfolge von Bundesrätin Simonetta Sommaruga, obwohl die SP-Parteileitung zwei Frauen auf dem Ticket will. Damit kommt es am 18. November, wenn die Fraktion die Beschaffenheit des Wahlvorschlags bestimmt, zum Showdown. Wird die Fraktion ihrem Präsidenten-Gespann Cédric Wermuth und Mattea Meyer folgen und sich für «women only» entscheiden? Oder werden auch Männer, und damit Daniel «The Man» Jositsch, zu einer Kandidatur zugelassen?

Es ist noch nicht absehbar, ob das aufsässige Vorgehen des Zürcher Ständerats die Genossen spalten wird oder ob sich die Reihen hinter der Parteispitze schon bald schliessen werden. Was heute schon klar ist: Jositsch macht sich angreifbar. Man wird ihn beschuldigen, ein egomanischer Karrierist zu sein, ein Opportunist, der seine Ämterlaufbahn seiner Partei verdankt und jetzt einfach nicht einsieht, dass er sich viel wichtiger nimmt als die Partei ihn. Zudem nimmt er es offen in Kauf, eine SP-Frau im Bundesrat zu verhindern. Jositsch der Ladykiller – nicht einmal er selbst reklamiert für sich die Unschuldsvermutung.

Trotzdem – oder gerade deswegen – verdient der Rechtsprofessor einen fairen Prozess. Zum einen, weil er die Parteileitung daran gehindert hat, sich über die Köpfe der Fraktion hinwegzusetzen. Wie Jositsch an seiner Medienkonferenz am Dienstag klarmachte, soll das Duo Wermuth und Meyer zunächst im Glauben gewesen sein, die Kriterien für das Ticket im Alleingang und «von oben» befehligen zu können. Das lässt tief blicken in die Juso-Seele des Co-Präsidiums.

Zum anderen könnte er die Genossen davor bewahren, endgültig in der identitätspolitischen und Gender-ideologischen Sackgasse zu enden. In Sachen Frauenförderung muss die sozialdemokratische Partei niemandem mehr etwas beweisen. Mit Micheline Calmy-Rey und Simonetta Sommaruga, die beide gleichzeitig regierten, hat die SP das Patriarchat längst besiegt.

Es ist müssig, darüber nachzudenken, ob Jositschs Kandidatur in einer Volkswahl bestehen würde. Gleichwohl steht sie für eine Mehrheit im Land, die andere Sorgen hat als gendergerechte Pronomen oder die Frage, ob ein Bundesrat, der jährlich eine halbe Million Franken verdient, das Amt mit seinem Familienleben vereinbaren kann. Ob die beiden SP-Bundesräte künftig Männer sind, Frauen, junge Mütter, zwei «Es» oder ein 57-jähriger Mann mit Glatze, interessiert niemanden.

Es ist nun an der SP-Fraktion, zu entscheiden, ob sie ein Ticket für alle oder eins nur für Frauen haben möchte. Einen Parteiwechsel oder eine wilde Wahl schliesst Jositsch aus. Letzteres wäre auch kaum denkbar. Bis jetzt liessen alle Fraktionen durchblicken, dass man sich an die Vorschläge der Fraktionen halten werde. Zu fragil ist derzeit das Machtgefüge im Bundesparlament und im Bundesrat.

Was beim Auftritt von Jositsch derweil völlig unterging: Er ist das erste Mitglied der SP-Bundeshausfraktion, das – eine ganze Woche nach Sommarugas Entscheid – wenigstens ansatzweise über politische Inhalte sprach. Natürlich geht es Jositsch im Moment vor allem um Jositsch. Doch immerhin scheint er den Ernst der Lage, in der sich die Schweiz in gleich mehreren Bereichen befindet, zu erkennen.

Nicht schlecht auch der Beitrag in Deville (SRF)!

 

Bild: SP-Politiker Daniel Jositsch

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