
So erfolgreich ist das Musical «Les Misérables» am Theater St. Gallen
«Les Misérables», das bekannte Musical basiert auf dem Roman von Victor Hugo und erzählt die Lebensgeschichte des ehemaligen Sträflings Valjean und seines Widersachers Javerts, rund um die Französische Revolution. Am Theater St. Gallen ist es so erfolgreich, dass noch eine Zusatzvorstellung eingeschaltet wurde, und zwar heute, 10. Februar 2024 . Die Premiere war am 9. Dezember 2023, die letzte Vorstellung findet am 23. Februar 2024 statt.
Weshalb ist die Co-Produktion des Theaters St. Gallen mit dem Staatstheater am Gärtnerplatz in München so erfolgreich? Gewiss schon das fast 40jährige Musical mit geschichtlichen Hintergrund, seinen berührenden Songs und den mitreissenden Hymnen. Doch ganz gewiss ist es die grossartige Inszenierung von Josef E. Köpplinger, Staatsintendant am Theater am Gärtnerplatz in München. ostschweizerinnen.ch wollten noch einiges mehr wissen und befragten Josef E. Köpplinger.
O.: Wie kam die Co-Produktion von „Les Misérables“ zwischen München und St. Gallen zustande?
JEK.: Der ehemalige Geschäftsführende Direktor und Intendant des Theaters St. Gallen, Werner Signer, hat mich gefragt, ob ich in St. Gallen «Les Misérables» inszenieren würde. Ich habe mir gedacht: Vielleicht bekommen wir dann auch die Rechte für München, an denen ich schon 12 Jahre lang wirklich hart arbeite. Cameron Mackintosh war so grosszügig und hat endlich die Münchner Erstaufführung möglich gemacht. Und so findet an beiden Häusern meine Inszenierung von «Les Misérable» statt.
O.: Wann kommt die Produktion in München auf die Bühne?
JEK.: Am 22. März ist bei uns die Premiere. Die ersten zwölf Vorstellungen sind schon so gut wie ausverkauft, für die restlichen gibt es noch einige Karten.
O.: Bei der Premiere am 9. Dezember in St. Gallen gab es stürmischen Applaus und Standing Ovations seitens des Publikums für Ihre fantastische Inszenierung. Was sagen Sie dazu?
JEK.: Das freut mich natürlich. Besonders weil wir trotz des scheinbaren Kitsches in diesem Stück ein Augenmerk daraufgelegt haben, zu hinterfragen, wie und warum der Pariser Juni-Aufstand 1832 von Anfang an zum Scheitern verurteilt war ‒ gemäss Voltaire, demzufolge jeder Fanatismus in Fatalismus endet. Trotzdem ist es wichtig, dass man als Teil einer Gesellschaft seine Meinung sagen kann, aber bitte im demokratischen und friedlichen Sinne.
O.: Eigentlich, so finde ich, ist Ihre Inszenierung «Les Misérables» so dramatisch und so genial kein Musical mehr, sondern eher eine Oper. Was meinen Sie?
JEK.: Wenn man Abstand nimmt von unserem hier in Mitteleuropa oder gerade im deutschsprachigem Raum verbreiteten Schubladen-Denken, ist es völlig irrelevant, ob man etwas als Musical oder als Oper oder Operette bezeichnet, als Schauspiel oder Musiktheater. Diese Genre-Überlappungen gab es immer schon, ich denke an Purcell mit «The Fairy Queen» oder «King Arthur». Ist das ein Schauspiel, ein Musical oder eine Oper? Es ist alles auf einmal. Ich bin ein Freund und Verfechter des «Nicht-in-Schubladen-Denken-Theaters».
O.: Gibt es Unterschiede in Sachen Reaktionen zwischen dem St. Galler und dem Münchner Publikum? Wenn ja, welche?
JEK.: Das kann ich noch nicht sagen, da die Premiere in München ja noch nicht stattgefunden hat. Wir haben in München ein grossartiges Theaterpublikum.
O.: Wie oft schon und wo haben Sie dieses dramatische Musical inszeniert?
JEK.: Dies ist jetzt die zweite Inszenierung. Die erste fand, übrigens auch als Co-Produktion, 2007‒2009 am Opernhaus Graz und am Stadttheater Klagenfurt statt.
O.: Wie waren Ihre damaligen Erfahrungen?
JEK.: Die Reaktionen damals waren grossartig, ausverkaufte Vorstellungen, Prolongation und eine tolle Besetzung hier wie da. Aber ich bin der festen Überzeugung, dass Theater ein Momenterlebnis ist und dass, auch wenn man ein Stück erneut inszeniert, es eine grosse Fehleinschätzung ist, wenn man glaubt, sich selbst einfach kopieren zu können. Ich habe nur ganz kurz in die alte Inszenierung hineingeschaut und das schnell bereut. Ich muss ein Stück immer neu im Hier und Jetzt denken und meine Inszenierung mit der aktuellen Besetzung neu entwickeln.
O.: Seit wann existiert das Josef Köpplinger Trio – Josef E. Köpplinger, Ricarda Regina Ludigkeit und Rainer Sinell? Wie ist es zustande gekommen?
JEK.: Da gehen wir in meine Kindertage als Regisseur zurück. Als ich am Theater in Baden bei Wien eine damals sehr umstrittene «Grossherzogin von Gerolstein» machte, stiess ich erstmalig auf Ricarda Regina Ludigkeit, das war 1993. Ein Jahr vorher traf ich am Theater Augsburg auf Rainer Sinell für einen «Graf von Luxemburg», der mir damals auch die ersten grossen internationalen Engagements angebracht hat. Rainer ist ein grossartiger, sehr flexibler Ausstatter, und Ricarda ist ja nicht nur eine Choreografin, sondern ‒ wie man auch weiss ‒ eine sehr gute Regisseurin, etwa an der Oper Kiel oder an der Musikalischen Komödie Leipzig. Uns verbindet eine Arbeitsfreundschaft, was auch inkludiert, dass wir uns gar nicht schonen, auch nicht in wohlwollender Kritik oder in einer Selbstverständlichkeit des Verstehens. Wir hinterfragen permanent auch die eigene Stilistik, ohne uns modisch an Wünsche anzupassen, sondern um schlichtweg das Theater zu machen, an das wir von Herzen glauben.
Josef E. Köpplinger ist in St. Gallen kein Unbekannter. War er doch von 2004 bis 2008 Schauspieldirektor am Theater.